Auf dem Fußballplatz war KEVIN KEEGAN der Dirigent und spielte gleichzeitig die erste Geige. Doch dass der damalige Topstar des HSV nicht nur mit den Füßen den Ton angeben konnte, bewies er 1979, als er neben der Fußballbühne auch die der Popstars betrat – und sich damit in eine illustre Runde einreihte.

Dass Kevin Keegan als Spieler ein absoluter Hit sein würde, das war allen Beobachtern schnell klar. Zwar brauchte der englische Nationalspieler nach seinem Wechsel 1977 vom FC Liverpool zum HSV bekanntlich eine Weile, um in dem neuen Land, der neuen Liga und dem neuen Verein so richtig anzukommen, doch spätestens in seiner zweiten Saison verzauberte „Mighty Mouse“ nicht nur die HSV-Anhänger, sondern alle deutschen Fußball-Fans. Plötzlich waren alle verliebt in diesen wilden Lockenkopf, und zwar Hals über Kopf – Head over Heals, wie die Engländer sagen. Und genau diesen Namen trug 1979 auch die ganz große Überraschung, mit der Keegan der Fußballwelt zeigte, dass er mehr kann als dribbeln, schießen und kämpfen. „Der kann den Ton halten“, lobte Musiklegende Chris Norman, damals Sänger der ebenso legendären Pop-Rock-Band „Smokie“, der Keegan kurz zuvor kennengelernt hatte – und ihm nun seinen Song „Head over Heels in Love“ maßschneiderte.

Charts-Stürmer mit Raute im Herzen und echte HSV-Legenden, die einst den Ball gegen das Mikro tauschten: Franz Beckenbauer, Charly Dörfel und Jimmy Hartwig (v.l.n.r.) mit ihren Hit-Tonträgern.

Head over Heels in Love“ war ein hübsches Duett über zwei Verliebte, „eingängige Melodie, leicht zu erinnern, ein paar Streicher, Keyboard“, erinnert sich Norman an den Hit, den er Kevin Keegan lieferte. Das Stück war eigentlich Suzi Quatro auf den Leib geschrieben, nun aber performte einer der herausragendsten Fußballer Europas diesen Song, der nicht nur bei Fans, sondern auch bei Musikkritikern Anklang fand. Einer von ihnen lobte offiziell: „Nicht etwa eine der üblichen ,Bumsfallera, noch ein Tor-Produktionen‘ à la Gerd Müller, sondern eine flotte, seriöse Popscheibe“. Die in den Rüssl-Studios von Komiker Otto Waalkes in Hamburg-Eidelstedt produzierte und im Mai ‘79 erschienene Single verkaufte sich allein in Deutschland 500.000-mal, hielt sich 15 Wochen lang in der Hitparade und erklomm kurzzeitig sogar die Top-Ten. Ein riesiger Erfolg! Und ein wirklich bis heute gern gespielter internationaler Hit.

Mit diesem Hit reihte sich Keegan ein in die illustre Runde von gesanglich erprobten HSVern. Man denke hier an Franz Beckenbauer, der – allerdings bereits zu seiner Zeit beim FC Bayern – den Hit „Gute Freunde kann niemand trennen“ zum Besten gab. Oder Jimmy Hartwig, der mit seinem Gassenhauer „Mama Calypso“ für Aufsehen sorgte. Oder natürlich Charly Dörfel, der mit „Das kann ich dir nicht verzeih’n“ und „Erst ein Kuss“ aufhorchen ließ – und auf der nächsten Seite über das Phänomen der singenden Fußballer und natürlich über seinen sportlichen und stimmlichen Nachfolger Kevin Keegan spricht.

Der Mann, der nicht nur auf dem Platz den Ton angab: Kevin Keegan mit Gitarre und seinen goldenen Schallplatten, überreicht von Musikstudiobesitzer Otto Waalkes.

Charly, was hat dich damals als Fußballer dazu gebracht, eigene Platten aufzunehmen?

Musik war schon immer meine große Leidenschaft neben dem Fußball. Insbesondere Elvis Presley hatte es mir angetan, ich war und bin sogar bis heute neben Howard Carpendale Ehrenmitglied im Elvis-Fanclub. Und so habe ich mich sehr viel und gern mit Musik beschäftigt – und bekam dann von der Polydor einen Einjahresvertrag, um einige Platten aufzunehmen. Christian Bruhn wurde mir zur Seite gestellt, er war ein toller Songschreiber, der mir die Texte schrieb. Und da haben wir dann mal ein bisschen Wirbel gemacht.

Und wie kam das in der Mannschaft an, was haben Uwe Seeler & Co. zu deinen Sangeskünsten gesagt?

Das kam gut an damals. Ich kann mich noch gut erinnern, als das Lied frisch rausgekommen war und wir auf einer Rückfahrt von einem Auswärtsspiel bei Eintracht Braunschweig im Bus alle Mann das Lied „Noch ein Kuss“ laut mitgesungen haben. Da hatten wir richtig viel Spaß, obwohl das Spiel vorher 0:0 ausgegangen war. Natürlich gab es auch mal ein paar freundschaftliche Hänseleien, weil ich so eine hohe Stimme hatte, aber grundsätzlich war da schon immer ordentlich Remmidemmi, wenn die Lieder gespielt wurden. Und am allermeisten, als ich in der Schlagerparade aufgetreten bin.

Live im Fernsehen?

Ja, natürlich. Da war ordentlich was los. Uwe Seeler, Willi Giesemann und alle anderen waren natürlich total überrascht, als ich dort aufgetreten bin und sie gesehen haben, wie weit ich es mit der Musik geschafft habe. Am Ende wurden rund 20.000 Schallplatten verkauft, das war schon nett und gut, wenn man bedenkt, dass ich ja ein reiner Hobbysänger war.

Genau wie Kevin Keegan, der 1979 einen großen Hit landete.

Oh ja, „Head over Heals in Love“, das war eine richtig dolle Nummer. Auf jeden Fall besser als meine Lieder. Auch, weil es auf Englisch gesungen wurde. Das klang ja schon immer nach mehr und größer, als wenn man wie ich auf Deutsch singt. Bei uns war das aber leider gang und gäbe und Voraussetzung der Plattenfirma. Da kamen dann eben Nummern wie von Franz Beckenbauer und mir heraus – nicht so doll. (lacht)

Dafür wart ihr alle großartige Fußballer. Wie hast du mit Kevin Keegan einen deiner HSV-Erben als Offensivkünstler wahrgenommen?

Oh, so ein toller Fußballer! Er war aber zusätzlich auch noch eine absolute Führungsfigur, das lag mir ja nicht so. Dafür konnte ich bessere Flanken schlagen als Kevin. (lacht)

Hast du Kevin Keegan auch live spielen sehen?

Natürlich, zu der Zeit war ich noch mittendrin. Wir haben uns auch öfter gesehen und uns unterhalten. Er sprach schon recht gut Deutsch, trotzdem konnte ich da auch mal ein bisschen mein Englisch aufbessern. Aber er war schon ein toller Typ und für den HSV ein großartiger Spieler. So ein bisschen der Rockstar des Fußballs. Das hat mir natürlich gefallen.