Kevin Keegan in seinem ersten Spiel für den HSV im Rahmen des „Galaabends der Weltstars“ gegen den FC Barcelona. Die Kartenverkäuferinnen hatten zuvor mit Keegan-Shirts auf den neuen Star aufmerksam gemacht.

Im Sommer 1977 wechselt KEVIN KEEGAN für die damalige Bundesliga-Rekordablöse von 2,3 Millionen D-Mark zum HSV. Strippenzieher des Deals ist der damalige HSV-Manager Dr. Peter Krohn, der mit Keegan einen WELTSTAR an die Elbe holt, der sich zu einer der größten HSV-Ikonen nach Uwe Seeler entwickelt.

2,3 Millionen D-Mark. Im Sommer 1977 war das eine astronomische Summe, die in der Bundesrepublik für großes Staunen und kräftiges Augenreiben sorgte. Schließlich stand sie im Zusammenhang mit der Verpflichtung eines Fußballspielers. Erst ein Jahr zuvor war der Belgier Roger van Gool – viel beachtet und durchaus kritisch beäugt – als erster Millionen-Mann der Bundesliga in die Geschichtsbücher eingegangen, als der 1. FC Köln als erster Bundesligist einen siebenstelligen D-Mark-Betrag für einen Neuzugang hinblätterte. Und nun kam der Hamburger SV in Person seines damaligen Generalmanagers Peter Krohn um die Ecke, um diesen Betrag mit der Verpflichtung des damals 26-jährigen Engländers Kevin Keegan mehr als zu verdoppeln. „Fußball ist die Unterhaltung des Jahrhunderts“, lautete das Credo des innovativ denkenden und ebenso redseligen wie tatkräftigen Krohn, der seiner Zeit damals weit voraus ist: Showtrainings mit Blaskapelle und Elefanten, Trikotwerbung als Einnahmequelle und rosa Jerseys, um mehr Frauen für den Fußball zu begeistern – „Zirkus Krohn“ schrieb die Presse in Anlehnung an diese für damalige Verhältnisse äußerst moderne und befremdliche Art der Vermarktung. Mit den besagten 2,3 Millionen D-Mark erwarb Dompteur Krohn schließlich seine wohl größte Attraktion. „Ich wollte einen Weltstar holen“, erklärte der Diplom-Kaufmann und PR-Berater und bekam diesen mit dem 1,73 Meter großen Wirbelwind zweifellos. Denn Keegan kam nicht nur als erster Engländer, sondern auch als Kapitän der englischen Nationalmannschaft und lebende Legende des FC Liverpool, wo er zuvor sämtliche große Titel errungen hatte, in die Bundesliga. Gleich in seinem ersten Spiel für den HSV – einem 6:0-Sieg gegen den FC Barcelona beim „Galaabend der Weltstars“ (eine weitere Krohn-Idee) – netzte die „Mighty Mouse“ für seinen neuen Arbeitgeber. „Ich bin aufgesprungen und habe mir selbst die Hand geschüttelt“, war Krohn als einer von 45.000 Zuschauern völlig aus dem Häuschen und gab diesen bis heute legendären Spruch zu Protokoll.

Publikumsmagnet …

Dass Keegan in seiner ersten HSV-Saison sportlich zunächst hinter den Erwartungen zurückblieb und im Frühjahr 1978 gar seinen vorzeitigen Abschied aus Hamburg in Betracht zog, tangierte den nicht immer unumstrittenen und aufgrund der sportlichen Misere zum Jahreswechsel von Günter Netzer abgelösten Manager zwar nicht mehr direkt. Mit seinem eigenen Loblied hinsichtlich der Verpflichtung des Engländers sollte er aber recht behalten. So fand Keegan in der nächsten Saison 1978/79 sportlich voll in die Spur und entwickelte sich zum absoluten Liebling der Massen. Mehr noch: Kevin Keegan schuf einen Mythos, erlangte Legendenstatus und avancierte zu einer der größten HSV-Ikonen nach Uwe Seeler. Ein echter Superstar eben – und das zu einer Zeit, in der die Digitalisierung noch zaghaft in den Kinderschuhen steckte. Doch Lockenkopf Keegan, der im heutigen Zeitalter neben Millionen Social-Media-Followern wohl eher auf den Spitznamen „KK7“ statt „Mighty Mouse“ zählen dürfte, ist schon damals ein Popstar der Sportbranche, für dessen Autogramm die Fußballfans mitunter stundenlang anstehen. „Seine Öffentlichkeitsarbeit war unglaublich. Wie er mit den Fans und Medien umgegangen ist, da war er uns um Jahre voraus“, erklärte Mitspieler Felix Magath vor einigen Jahren in einem Interview. „Er war ständig unterwegs, hatte Werbe- und andere Termine, halt wie ein Geschäftsmann. Es hat nur das iPhone gefehlt.“

Sichtlich stolz präsentierten Manager Peter Krohn und Trainer Rudi Gutendorf (v.r.) ihren Transfer-Coup. (Foto oben) Dementsprechend groß waren Andrang und Rummel bei den Fotografen. (Foto unten)

… und Comic-Held und Werbe-Star

Ob als Popsänger (s. Seite 30-32), Comic-Figur oder Werbe-Star – Keegan mischte überall mit, verstand es wie kaum ein Zweiter, die damals relevanten Medienkanäle zu bedienen. Für den damaligen HSV-Sponsor BP schlüpfte er in die Rolle des „Super-Kevin“ – ein Comic-Held, der für sparsamen Energieverbrauch kämpfte. Im legendären Comic-Magazin „ZACK“ zierte er wiederum ganz ohne Pseudonym mehrfach das Cover, verriet im Innenteil unter anderem seine „Supertricks“. Auch in der damals boomenden und im heutigen Zeitalter fast schon klassischen Fernseh-Werbung war der Wuschelkopf mit Goldkettchen omnipräsent, vermarktete gemeinsam mit dem britischen Boxer Henry Cooper unter anderem ein Deodorant. Auch für Radiorekorder, Traubenzucker, Cornflakes, Videospiele und vieles mehr stand Keegan während seiner Karriere als Spieler und später auch als Trainer mit seinem Gesicht oder Namen.

Publikumsliebling: Kevin Keegan schreibt Autogramme. 

Das alles gepaart mit seiner sportlichen Extraklasse – während seiner drei Jahre beim HSV wurde Keegan zweimal zu Europas Fußballer des Jahres (s. Seite 44-45) ausgezeichnet – zahlt bis heute auf den HSV ein, so dass Kevin Keegan rückblickend jeden einzelnen Cent seiner damaligen Rekordablöse von 2,3 Millionen D-Mark wert war. Dr. Peter Krohn ist seiner Zeit ein weiteres Mal voraus gewesen.

Werbeträger und Comic-Held: Der Fußballer Keegan wusste sich auch abseits des Platzes zu vermarkten.