Im HSVlive-Interview spricht AARON HUNT über den Einfluss seiner englischen Wurzeln und erklärt in diesem Zusammenhang, welche Berührungspunkte er mit KEVIN KEEGAN und dem englischen Fußball hat, warum es trotz seiner Begeisterung für den FC Liverpool nie zu einem Engagement auf der Insel kam und weshalb er stattdessen in Norddeutschland sein fußballerisches Glück fand, dem er mit dem HSV noch ein entscheidendes Stück hinzufügen möchte.

Die Liste der Engländer beim HSV ist streng genommen kurz und umfasst lediglich drei Namen: Kevin Keegan (1977-80), Michael Mancienne (2011-14) und Xavier Amaechi (seit 2019, aktuell an den KSC verliehen). Darüber hinaus gibt es aber noch weitere ehemalige wie aktuelle HSV-Spieler, die zumindest über englische Wurzeln verfügen. Einer von ihnen ist Mittfeldspieler Aaron Hunt. Seine Mutter, deren Nachnamen er auch trägt, ist gebürtige Engländerin. Ihre Familie stammt aus dem Großraum London und ist dort zum Teil noch immer verwurzelt. Aaron wiederum ist im niedersächsischen Goslar
geboren und aufgewachsen.

Der englische Einfluss, vorrangig durch seine Mutter und seinen ebenfalls zugezogenen Großvater, machte sich dennoch früh bemerkbar und spielte vor allem bei seiner fußballerischen Entwicklung eine große Rolle. So kam Hunt früh mit dem englischen Fußball in Kontakt, eiferte Liverpool-Star Michael Owen nach und landete später sogar auf dem Radar der englischen Nationalmannschaft. Warum er sich letztlich fußballerisch doch zu einem Nordlicht mit deutschen Länderspiel-Ehren entwickelte und was er heute mit Kevin Keegan über den ersten Engländer beim HSV denkt, das verrät er im HSVlive-Interview.

Aaron, was kommt dir als Erstes in den Sinn, wenn du den Namen Kevin Keegan hörst?

Ich denke im ersten Moment an einen sehr erfolgreichen Spieler des HSV. Wenn man wie ich seit sechs Jahren für diesen Club spielt, dann begegnet einem der Name Kevin Keegan ganz automatisch. Man spürt, dass er hier etwas Großes erreicht hat und zu den größten Legenden des Clubs gehört.     

Du hast mütterlicherseits englische Wurzeln, deine Mutter wurde in England geboren, dein Opa hat sogar einst in der Schule mit Sir Bobby Charlton Fußball gespielt. War Kevin Keegan dadurch in deiner Kindheit auch mal ein Thema?

Nein, zumindest nicht so bewusst, dass ich mich daran erinnern kann. Ich bin erst einige Jahre nach dem Ende seiner Spielerkarriere zur Welt gekommen und habe ihn nicht mehr aktiv spielen gesehen. Für meinen Opa ist Keegan aber sicherlich einer der größten Fußballer Englands gewesen. Meine Familie war immer sehr fußballbegeistert und mein Opa der absolute Experte.

Beim FC Liverpool erlangte Kevin Keegan (1971-1977) mit etlichen Titelgewinnen Legenden-Status. Rund 20 Jahre später machte sich Michael Owen (1996-2004) als Torjäger der „Reds“ einen Namen und diente damit Hunt als Vorbild.

Inwieweit haben sich diese englischen Wurzeln bei deiner Entwicklung als Fußballer im Allgemeinen bemerkbar gemacht?

Der Einfluss war sehr groß. Durch meinen Opa, bei dem ich als Kind viel Zeit verbracht habe, waren die Premier League und der englische Fußball immer präsent. Auch bei den Europa- und Weltmeisterschaften haben wir mit der ganzen Familie die Spiele der Engländer verfolgt. Zudem war ich in meiner Kindheit ein sehr großer Fan vom FC Liverpool. Ich fand den Club damals einfach cool: das Stadion, die Fans und die Hymne „You’ll Never Walk Alone“. Das hatte für mich etwas Besonderes. Mein Cousin war wiederum Fan von Manchester United und mein in London lebender Onkel großer Anhänger vom FC Arsenal. Zu dritt waren wir auch mal bei einem Champions-League-Spiel zwischen Bayern und Arsenal live vor Ort im Stadion. Und zwar mitten in der Kurve mit den englischen Fans. Das war meine erste Live-Erfahrung mit einem englischen Team und natürlich ein richtiges Highlight.    

In Liverpool ist Keegan aufgrund seiner Erfolge in den 70er-Jahren ebenfalls eine lebende Legende. Wer war zu deiner Zeit als Fan der große Held beim FC Liverpool? 

Stimmt, das habe ich aber auch erst später wahrgenommen. Als Kind war Michael Owen mein großer Held. Er ist damals sowohl beim LFC als auch in der Nationalmannschaft groß rausgekommen. Owen war mein Kindheitsidol, zumal ich in der Jugend anfangs ja noch im Sturm gespielt habe. Ich weiß noch, dass meine Mutter mir irgendwann ein Owen-Trikot geschenkt hat, das ich fortan immer beim Fußballspielen getragen habe.   

Verfolgst du den FC Liverpool auch heute noch?

Ja, auf jeden Fall. Nicht zuletzt, weil mit Jürgen Klopp dort jetzt auch ein deutscher Trainer tätig ist. Es wurde Zeit, dass Liverpool mal wieder etwas gewinnt – die letzte Meisterschaft lag ja 30 Jahren zurück. (lacht) Wenn man ehrlich ist, dann konnte man die jüngsten Erfolge mit dem Gewinn der Champions League und der Meisterschaft vor einigen Jahren aber noch nicht absehen. Da gab es englische Mannschaften mit weitaus besseren Voraussetzungen, aber seitdem Klopp dort ist, wurde sehr viel richtig gemacht

Zwischen 2009 und 2013 absolvierte Hunt drei Einsätze für die deutsche A-Nationalmannschaft.

Die britische Tageszeitung „The Guardian“ hat im Jahr 2009 berichtet, dass der FC Liverpool Interesse an dir gehabt hätte. Gab es für dich tatsächlich mal die Möglichkeit, bei den „Reds“ zu landen?

Nein, ein solches Angebot wurde nie an mich oder meinen Berater herangetragen. Ich kann mich ehrlich gesagt auch nicht mehr an eine solche Berichterstattung erinnern. Aber sie sollen gern jetzt nochmal anfragen. (lacht)

Zur gleichen Zeit gab es auch Bemühungen des damaligen englischen Nationaltrainers Fabio Capello, dich für die englische Nationalmannschaft zu gewinnen. Du hast dich letztlich aber für Deutschland entschieden und später auch drei Länderspiele unter Jogi Löw gemacht. War es nie eine Option, für die „Three Lions“ aufzulaufen? 

Ich weiß, dass es damals das Interesse und die Diskussionen gab. Für mich persönlich war das aber nie ein wirklich ernstes Thema, da ich mehr Verbindungen zu Deutschland als zu England habe. Ich habe mich immer mehr als Deutscher gefühlt, so dass das für mich kein Thema war. Ich bin diesbezüglich vielleicht anders als andere Spieler mit ausländischen Wurzeln, die mit Anfang 20 merken, dass sie es in ihrem Heimatland nicht in die A-Mannschaft schaffen und dennoch Nationalmannschaft spielen wollen, so dass sie dann für ein anderes Land auflaufen. Das kam für mich nie in Frage. Auch wenn ich für Deutschland kein einziges Länderspiel gemacht hätte, hätte ich das so akzeptiert.   

Inwieweit gab es in deiner 17-jährigen Profi-Karriere darüber hinaus die Möglichkeit oder das Verlangen, einmal auf der Insel zu spielen?

Ich bin immer ein Fan des englischen Fußballs gewesen. Auf dem Platz geht es nochmal intensiver zur Sache und die Premier League ist ausgeglichener und interessanter als die Bundesliga, wo in den vergangenen zehn Jahren achtmal Bayern München deutscher Meister geworden ist. Was mich persönlich betrifft, habe ich mir sicherlich auch mal Gedanken gemacht, dort zu spielen, aber ich weiß auch, dass dort nicht unbedingt meine Art von Fußball gespielt wird. Dafür gibt es zu viele Mannschaften, die sich über Zweikämpfe und lange Bälle definieren, wo meine Qualitäten nicht so zur Geltung kommen. Es hätte nur Sinn gemacht, wenn die Philosophie des Vereins auf das Fußballspielen ausgerichtet ist.

Stattdessen bist du ein ein Nordlicht geworden: zehn Jahre in Bremen, ein Jahr in Wolfsburg, mittlerweile seit sechs Jahren in Hamburg. Was waren die Gründe dafür, dass du immer in der Bundesliga und im Norden geblieben bist?

Zum einen ist es sicherlich etwas Zufall gewesen und zum anderen habe ich mich damals bewusst für den Norden entschieden, da mein erstgeborener Sohn in Bremen lebt. Bevor ich beim VfL Wolfsburg unterschrieben habe, gab es auch die Möglichkeit, ins Ausland zu wechseln, aber für mich war es auch ausschlaggebend, dass ich von der Entfernung her nicht so weit von ihm getrennt bin. Der Schritt nach Hamburg ging wiederum so schnell, dass ich gar nicht viel Überlegungszeit hatte. Ich war in Wolfsburg nicht glücklich und in Hamburg hatte sich plötzlich eine Tür geöffnet. Das hat im Hinblick auf meinen Sohn wieder perfekt gepasst, weil ich sogar noch ein Stück näher an ihm dran war. Ich denke, dass die Verbundenheit zum Norden im Nachhinein einfach so sein sollte. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich gern einmal im Ausland spielen würde, aber wenn es am Ende meiner Karriere nicht geklappt hat, dann bin ich auch nicht traurig darüber.   

Du hast während deiner Zeit beim HSV wohl die emotionalsten und schwierigsten Spielzeiten der Clubgeschichte erlebt. Wie blickst du bisher auf diese Zeit zurück?

Es war sicherlich keine einfache Zeit. Dass ich irgendwann einmal mit diesem Verein in der 2. Liga spielen würde, hätte ich natürlich niemals gedacht. Das war auch in meiner persönlichen Karriereplanung überhaupt nicht vorgesehen. Für mich hat sich nach dem Abstieg die Frage gestellt, ob ich ins Ausland wechsle oder versuche, mit dem HSV wieder aufzusteigen. Gemeinsam mit meiner Familie bin ich dann relativ schnell zu dem Ergebnis gekommen, dass ich in Hamburg und beim HSV bleiben will. Leider, leider haben wir es in den bisherigen zwei Jahren nicht geschafft, dieses Ziel zu erreichen. Doch das spornt mich weiterhin an. Ich habe immer gesagt: Es ist noch mein großes sportliches Ziel, den HSV zurück in die Bundesliga zu bringen. Danach kann man sehen, wie es weitergeht.

Du sprichst die dritte Zweitliga-Saison an: Wie schätzt du den Leistungsstand der Mannschaft zu diesem Zeitpunkt ein – gerade im Vergleich zu den beiden Vorjahren, als ihr nach der Hälfte der Saison auch oben mitgespielt habt? 

Genau das ist der Punkt. Wir kennen die Situation aus den vergangenen beiden Jahren. Wir sind bisher auf einem guten Weg, mehr aber auch nicht. Deshalb macht sich bei mir persönlich keine Euphorie oder gar Gelassenheit breit. Wir sind gewarnt aus den letzten beiden Spielzeiten. Sobald man auch nur ein bisschen nachlässt, rutschen die anderen Teams wieder heran und es wird wieder eng. Die entscheidenden Spiele werden am Ende kommen, dann müssen wir da sein und nicht die Fehler machen, die wir in den beiden Vorjahren gemacht haben.

Was macht dir Hoffnung, dass dies gelingt?     

Die Erfahrung aus den vergangenen beiden Jahren und das Vertrauen in die eigene Stärke. Wir haben einige Spieler im Team, die bereits in der letzten Saison dabei waren oder auch die Besonderheiten der 2. Liga kennen. Das schweißt zusammen. Darüber hinaus haben wir nun gegen jedes Team mindestens einmal gespielt und müssen uns vor keinem Gegner verstecken. Auch die Neuzugänge wie Simon Terodde, der die 2. Liga bestens kennt und einen richtigen Lauf hat, haben sich sehr gut eingefügt. Gleichzeitig dürfen wir uns aber nie auf einzelne Spieler verlassen, sondern müssen weiterhin so gestärkt im Kollektiv auftreten. Dann bin ich mir sicher, dass wir Erfolg haben werden.