Der schwul-bi-lesbische HSV-Fanclub VOLKSPARKJUNXX. feierte im April sein 10-jähriges Bestehen. Anlässlich des Jubiläums liefen die HSV-Profis im Heimspiel gegen den Karlsruher SC in einem speziellen Sondertrikot unter dem Motto #RauteistVielfalt auf. Im HSVlive-Interview spricht Jens Kuzel, Sprecher der Volksparkjunxx, über die ersten Schritte des Fanclubs im Jahr 2011, Highlights aus der vergangenen Dekade und das besondere Geschenk zum Jubiläum.

Anfang April feierte der schwul-bi-lesbische HSV-Fanclub Volksparkjunxx sein 10-jähriges Bestehen. Im Jahr 2011 gründeten sich die Volksparkjunxx als erster offizieller HSV-Fanclub (OFC), der sich proaktiv und klar zu unterschiedlichen sexuellen Orientierungen positioniert und dafür stark macht. In der vergangenen Dekade haben sich die Mitglieder des Fanclubs mit verschiedenen Aktionen außerordentlich engagiert und Projekte angestoßen, die die schwul-bi-lesbische Fangemeinde stärken. Die regelmäßigen Teilnahmen an gesellschaftlich relevanten Veranstaltungen – wie dem alljährlichen Christopher Street Day in Hamburg – und die mehrjährige Mitarbeit im Fanrat (ehemals Ständiger Arbeitskreis Fandialog) sind nur exemplarisch zu nennen.

„Die Volksparkjunxx und -mädels engagieren sich seit zehn Jahren in unserer Anhängerschaft und nehmen damit eine bedeutende Rolle beim HSV ein“, sagt HSV-Vorstand Frank Wettstein. „Ihr langjähriger Einsatz ist ein wichtiger Teil unserer diversen Identität, die wir als Club leben.“ HSV-Vorstand Jonas Boldt fügt hinzu: „Als Fußballverein in einer weltoffenen Stadt wie Hamburg sind wir auch Aushängeschild für Vielfalt und Toleranz. Deshalb möchten wir unserem Fanclub herzlich zum Jubiläum gratulieren und die Gelegenheit nutzen, seinen Mitgliedern nochmals für ihr großes Engagement in der Gesellschaft – und speziell auch beim HSV – zu danken.“

Gesagt, getan: Um den außerordentlichen Einsatz in den vergangenen Jahren im Sinne der Akzeptanz, Toleranz und Vielfalt prominent zu würdigen und gleichzeitig dem schwul-bi-lesbischen Teil der Anhängerschaft Aufmerksamkeit, Relevanz und Wertschätzung entgegenzubringen, liefen die HSV-Profis beim Heimspiel gegen den Karlsruher SC Ende April in einem speziellen Trikot auf. Herzstück des Sonderjerseys ist der große Volksparkjunxx-Schriftzug auf der Brust, bei dem das erste, bunte X im Namen des Fanclubs als römische Ziffer für das 10-jährige Jubiläum steht.

Was diese Aktion den Volksparkjunxx bedeutet, was sie seit ihrer Gründung vor zehn Jahren erreicht haben und an welche besondere Aktion sie sich immer erinnern werden, verrät Jens Kuzel, der Sprecher des OFC Volksparkjunxx, im HSVlive-
Interview.

HSV-Kapitän Tim Leibold im Sondertrikot, mit dem die Rothosen im Heimspiel gegen den Karlsruher SC aufliefen.

Jens, erstmal alles Gute zum 10-jährigen Jubiläum! Wie gefällt euch das einmalige Geschenk des HSV?

Vielen Dank. Wir sind immer noch komplett baff. Als wir das Trikot das erste Mal in der Hand hatten, waren wir einfach nur sprachlos und hatten Gänsehaut. Wir haben alle kein Wort rausbekommen. Nicht, weil es uns nicht gefallen hat, ganz im Gegenteil: Wir waren so geflasht, es hat uns einfach umgehauen.

Bei eurer OFC-Gründung im Jahr 2011 hättet ihr vermutlich nicht erwartet, dass ihr mal so ein Trikot in der Hand halten werdet. Erzähl doch mal, wie es damals zur Gründung eures Fanclubs kam.

Wir waren damals zu dritt und sind regelmäßig zusammen ins Stadion gegangen – und wir waren halt schwul. Als wir uns bei den Heimspielen mit 57.000 Leuten im Stadion immer mal wieder umgeschaut haben, haben wir uns gedacht: Wir können doch nicht die einzigen Homosexuellen sein. Insbesondere, wenn man sich den Statistiken bedient, die ja besagen, dass etwa fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung schwul, bi oder lesbisch sind. Und so haben wir uns überlegt: Lass uns doch mal einen Fanclub gründen. Wir haben dann ein wenig recherchiert und herausgefunden, dass es mit dem QFF (Queer Football Fanclubs) bereits ein entsprechendes Netzwerk und einige schwul-bi-lesbische Fanclubs anderer Bundesligisten gibt. Im Jahr 2010 gab es dann ein Treffen der Dachorganisation in Hamburg mit 50 bis 60 Vertretern verschiedener Fanclubs. Das haben wir uns angesehen und waren begeistert davon, wie organisiert und strukturiert alles abläuft. Kurz darauf haben wir im Internet kundgetan, dass wir uns am 2. April 2011 zur Gründungsversammlung treffen, bei der wir dann schon zu fünft waren.

Und ab dem Moment waren die Volksparkjunxx geboren. Von Beginn an habt ihr euch als erster offizieller HSV-Fanclub proaktiv und klar zu unterschiedlichen sexuellen Orientierungen positioniert. Warum war euch das wichtig?

Meine beiden Stadionkumpels und ich kannten uns tatsächlich von einem anderen HSV-Fanclub für Schwule, der sich aber bewusst nicht öffentlich positionieren wollte. Als wir dann aber bei dem angesprochenen QFF-Treffen etwas über den Tellerrand hinausschauen konnten und gesehen haben, wie klar und öffentlich sich andere Fanclubs positionieren und was sie dadurch erreichen, haben wir uns gedacht: Das müssen wir auch machen. Das Treffen war schlussendlich die Triebfeder, die uns zu dem Fanclub gemacht hat, der wir heute sind.

Wenn du jetzt auf die vergangenen zehn Jahre zurückblickst, hast du das Gefühl, dass ihr als Fanclub das erreicht habt, was ihr euch im Jahr 2011 vorgenommen habt? 

Ich würde sagen: teilweise. Grundsätzlich war es unser Ziel, das Thema Diversität beim HSV und in der Anhängerschaft größer zu machen. Und wir denken, da haben wir in den vergangenen Jahren einiges erreicht. Dennoch merkt man immer wieder, dass es immer noch Leute gibt, die ganz komische Sachen schreiben, wenn der HSV beispielsweise zur Pride Week Regenbogenflaggen am Stadion aufhängt. Zum Glück ist das aber eine überschaubare Anzahl an Personen. Alles in allem sind wir aber schon deutlich weiter als vor zehn Jahren.

Dafür habt ihr in den vergangenen zehn Jahren auch viel getan. Gibt es eine spezielle Aktion, auf die ihr besonders stolz seid?

Ja, die große Flyer-Aktion im Volksparkstadion, die wir Anfang 2012 durchgeführt haben. Wir haben damals bei einem Heimspiel 38.000 Flyer im Stadion verteilt. Auf der einen Seite stand ganz simpel und groß „Andersrum“, auf der anderen Seite haben wir unseren Fanclub kurz vorgestellt. Die Aktion war sehr nachhaltig, wir erhalten teilweise heute noch Anfragen, die sich auf den Flyer beziehen. Durch diese Aktion kam auch der enge Kontakt zum HSV zustande.

Wie genau kam es dazu?

Wir hatten damals bei der Fanbetreuung vom HSV angefragt, ob so eine Flyer-Aktion möglich wäre. Wir wussten aber natürlich auch, dass es nicht so einfach sein würde, da es unter anderem ja auch Müll produziert und noch viele andere organisatorische Dinge geklärt werden müssen. Die Fanbeauftragten haben aber direkt alle Hebel für uns in Bewegung gesetzt und Genehmigungen für uns eingeholt, damit wir die Aktion umsetzen können. Und das alles total unkompliziert und unbürokratisch. Das war für uns der Türöffner und seitdem ist der Kontakt zum Glück nie abgebrochen. Wir können unsere Anliegen bei den Fanbeauftragten und auch dem HSV Supporters Club immer platzieren und bekommen ohne Ausnahmen die Unterstützung, die wir benötigen, um unsere Projekte umzusetzen und unsere Ziele zu verfolgen. Mit so einem tollen Support vom HSV hatten wir zu Beginn nicht gerechnet.

Ebenso wenig habt ihr mit dem besonderen Sondertrikot zu eurem Fanclub-Jubiläum gerechnet, obwohl ihr daran nicht ganz unbeteiligt seid.

Das stimmt. (lacht) Ich hatte beim Scrollen durch meine Social-Media-Kanäle gesehen, dass andere Bundesliga-Clubs mit ihren Trikotsponsoren bunte Flocks gemacht haben. Daraufhin habe ich die Firma Orthomol angeschrieben und parallel auch bei den Fanbeauftragten angeklopft, ob so etwas beim HSV nicht auch möglich wäre. Wir haben so ein tolles Feedback von Orthomol und dem HSV bekommen, beide waren direkt von der Idee begeistert und haben sich gemeinsam besprochen. Im Nebensatz hatte ich zwar mal erwähnt, dass wir ja auch unser 10-jähriges Fanclub-Jubiläum haben, dachte aber nicht, dass das irgendeinen Einfluss auf die Aktion hätte. Wir wären schon sehr, sehr glücklich gewesen, wenn es ein Trikot mit einem bunten Orthomol-Flock gegeben hätte. Dass jetzt diese Geschichte daraus entstanden ist, ist einfach der Hammer und ein Riesenkompliment. Das hat es ligaweit noch nicht gegeben. Normalerweise bekommt man einen kleinen Finger gereicht und reißt direkt den ganzen Arm ab. Wir haben nach dem kleinen Finger gefragt und den ganzen Oberkörper bekommen. (lacht) Wir möchten an dieser Stelle dem HSV, Orthomol und Popp Feinkost noch einmal Danke sagen für die Teilhabe an dieser besonderen Aktion. Wir sind immer noch überwältigt.

Wussten die anderen Fanclub-Mitglieder von Anfang an über das Trikot Bescheid?

Nein. Bis zum Moment, als das Trikot vorgestellt wurde, wussten es nur ganz wenige von uns. Es sollte eine Überraschung werden und diese ist auch geglückt. Ich hatte ihnen nur erzählt, dass es eine Aktion zu unserem Jubiläum wird, aber nichts Genaueres verraten.

Ein schönes Geschenk zum 10. Jubiläum. Jetzt haben wir die ganze Zeit zurückgeblickt. Nimm uns doch abschließend noch einmal mit in die Zukunft. Was sind die Pläne für die kommenden Jahre?

Wir müssen gemeinsam mit dem HSV am Ball bleiben und dürfen nicht nachlassen. Mit verschiedenen Aktionen sollten wir die Themen Toleranz und Diversität ab und zu in den Fokus rücken. Damit werden wir sicherlich nicht alle Menschen einfangen können, die sich negativ gegen uns stellen und sich komisch äußern. Unser Ziel ist es weiterhin, für die Personen, die sich in Bezug auf ihre geschlechtliche Orientierung unsicher sind, Sicherheit auszustrahlen und deutlich zu machen: Wir setzen uns für dich ein. Das ist das Wichtigste.