Er ist der jüngste Bundesliga-Spieler in der Geschichte des Hamburger SV. Mit 17 Jahren debütierte JOSHA VAGNOMAN bei den Profis, heute, fast auf den Tag genau vier Jahre später, zählt der Hamburger Jung zu den etablierten Kräften im Kader der Rothosen – und trägt Stadt, Verein und Mitspieler nach wie vor im Herzen. Ein Gespräch über die Kraft der Identifikation und der Geduld.

Josha Vagnoman ist 21 Jahre alt. Andere Jungs in seinem Alter beginnen gerade ihr Studium, befinden sich in der Berufs­aus­bildung oder gehen für ein Jahr „Work & Travel“ ins Ausland. Der gebürtige Hamburger aber spielt in diesem Alter seine vierte volle Profi-Saison, nachdem er bereits eine Spiel­zeit zuvor am 10. März 2018 als Nach­wuchs­spieler sein HSV-Bundes­liga-Debüt gegeben hatte. 

Es folgten bis dato 55 Zweit­liga-Partien für seinen Verein, denn bereits seit 2010 spielt und lebt Vag­noman, der nach einem hartnäckigen Sehnen­riss im März sein lang­er­sehntes Come­back geben konnte, mit der Raute auf der Brust und im Herzen. Zwölf Jahre HSV – für das Eigengewächs eine besondere Zeit mit vielen Freuden und Freunden, über die er im HSV­live-Interview ebenso spricht wie über seine Rolle als junger Alter und die Kraft von Identi­fikation und Geduld.

Josha, bist du ein geduldi­ger Mensch?

Ja, das würde ich schon sagen. Ich gehöre nicht zu denen, die immer alles sofort haben müssen und oder sich nicht die nötige Zeit für etwas nehmen. Das kann ich schon. Im All­tag, aber auch auf den Fuß­­ball bezogen. Zuletzt musste ich nach meiner Ver­letzung ja auch Geduld be­weisen.

Genau darauf wollten wir hinaus. 

Das habe ich mir gedacht. Aber ja, ich denke schon, dass ich die nötige Geduld auch für solche Phasen im Fuß­­ball mit­­bringe. Natür­lich ist es im ersten Moment – anders kann man es nicht aus­drücken – einfach scheiße. Aber wenn es passiert ist, dann kann man es ohnehin nicht mehr ändern, muss die Situation an­nehmen und das Beste daraus machen. Und dazu gehört dann eben auch die Geduld, um zu warten, bis man wieder bei 100 Prozent ist. Die Zeit muss man sich nehmen, sonst rennt man direkt in die nächste Verletzung.

Du hattest aber schon auch ordent­lich Hummeln im Hintern, das war nicht zu über­sehen.

Natür­lich konnte ich es zum Ende hin nicht abwarten, wieder richtig loszulegen und mit der Mann­schaft zu trainieren und zu spielen. Aber unsere Ärzte und unser Reha-Trainer Sebastian Capel haben so viel Erfahrung, die wissen schon ganz genau, was das Beste ist und wann sie einen von der Leine lassen. Sie arbeiten perfekt mit uns Spielern zusammen und wir verstehen uns wirklich super. Aber nach einer längeren Reha-Phase ist man dann auch froh, sie nicht mehr so oft zu sehen. (lacht)

Das Thema Geduld spielt aber nicht nur in der Phase einer Verletzung eine wichtige Rolle, sondern für junge Spieler wie dich auch darüber hinaus, schließlich geht der Weg aus dem Nach­wuchs zu den Profis in der Regel Schritt für Schritt von­statten. Obwohl es bei dir ein bisschen anders war …

Ja, das ging damals schon eher schnell. Ich habe erst ein paar Trainings­ein­heiten mitgemacht, wurde dann das erste Mal in den Kader berufen und kam schließlich auch für viele sicher über­raschend zu meinem Debüt. Seitdem bin ich fest dabei. So kann es im Fußball manchmal laufen. Wenn diese Chance kommt, dann musst du zupacken, dich zeigen und dein Bestes geben. So wie es unsere vielen jungen Spieler jetzt auch machen.

Bist du auf­grund deines Werde­­gangs für diese ganz jungen Spieler auch schon mal An­sprech­partner oder Rat­geber, obwohl du selbst erst 21 Jahre alt bist?

Wir haben natürlich deutlich ältere und erfahrenere Spieler in der Mann­schaft, die eher diese Rolle ein­nehmen. Aber wenn ich gefragt werde oder Dinge sehe, die ich schon erlebt habe, dann bin ich da, dann helfe ich. Denn auch wenn ich noch jung bin, habe ich schon einige Erfahrungen ge­sammelt, und mit denen kann ich unseren sehr jungen Spielern sicher­lich helfen. 

Wie sieht das genau aus?

Das ist unter­­schiedlich. Ich meine bei­­spiels­­weise gewisse Spiel­­situationen auf dem Feld, aber auch Situationen inner­halb der Mann­­schaft oder der Kabine. Wie sollte man sich da verhalten, wie habe ich es damals gemacht, als ich neu dabei war? Dann gehe ich auf die Jungs zu. Oder wenn ich sehe, dass jemand extrem nervös ist, wenn er neu dabei ist. Ich denke schon, dass sie mir dann zuhören, wenn ich ihnen sage, wie ich damit umge­­gangen bin und dass meine Erfahrung ist, sich am besten keinen Kopf zu machen, sein Spiel zu spielen und es einfach zu genießen, dass man bei den Profis dabei ist. 

Zumal es ja einige Spieler sind, die du jahrelang aus dem Nach­wuchs kennst, wo sie ein oder zwei Jahrgänge unter dir gespielt haben. Waren damals auch schon welche dabei, bei denen du wusstest, dass sie es mal zu den Profis schaffen?

Bei Faride Alidou konnte man schon in der Jugend sehen, dass er besondere Sachen kann, und das hat man sich auch über die Jahr­gänge hinweg erzählt. Oder bei Anssi Suhonen, mit dem ich in der U17 zusammen­gespielt habe und bei dem man damals schon gemerkt hat, dass er mehr kann als andere, dass er anders spielt und das gewisse Etwas hat. Aber trotzdem ist es schon lustig zu sehen, wie erwachsen wir alle in den letzten paar Jahren geworden sind und dass wir jetzt gemein­sam zum Profi-Kader gehören.

Ist es für dich etwas Besonderes, durch den neu einge­schlagenen Weg des HSV jetzt mit so vielen alten Mitspielern aus der Jugend zur Bundes­liga-Mann­schaft zu gehören? Selbst­ver­ständlich ist dies sicherlich nicht.

Ja, es ist besonders. Jonas David und ich kennen uns seit den ganz jungen Jugend­mann­schaften und wir haben es den ganzen langen Weg lang gemein­sam zu den Profis geschafft. Dazu die vielen anderen Spieler aus dem eigenen Nach­wuchs, die man seit Ewig­keiten kennt – da ist schon sehr viel Identifi­kation dabei.

Du begrüßt diesen Weg also.

Natürlich, ich finde, da hat sich über die letzten Jahre etwas auf­gebaut, was richtig gut ist und ja auch noch viel besser werden kann. Der Weg, junge Spieler aus dem eigenen Nach­wuchs aufzu­bauen, zu ent­wickeln und dann in seiner ersten Mann­schaft einzu­bauen, ist ein guter Weg. Im Training dabei sein, ein bisschen Bundes­liga-Luft schnuppern, sich an die viel schnellere und körper­beton­tere Spiel­weise gewöhnen, daraus lernen – ich finde es gut, dass der HSV uns jungen Spielern diese Möglich­keit bietet. Es ist eine tolle Perspek­tive für alle Nach­wuchs­spieler. Schließ­lich hat jeder den Traum, später mal im Volks­park­stadion zu spielen.

Auch die, die in den letzten zwei Jahren den Sprung geschafft haben, konnten diese ganz besondere Atmo­sphäre eines vollen Volks­park­stadions noch gar nicht wirklich erleben, das hat die Pandemie ihnen verdorben. Was sagst du denen, wenn ihr darüber sprecht, dass die Stadien hoffent­lich bald wieder voll sein dürfen?

Ich sage ihnen, dass sie sich darauf freuen und es einfach genießen sollen. Natürlich macht eine große Kulisse etwas mit einem, das lässt ja niemanden kalt, wenn du im Bus zum Stadion fährst, die vielen Menschen siehst, dann später ins Stadion ein­läufst und diese Stimmung spürst. Aber das sollte keinen Druck ent­fachen oder gar Angst. Das sollte pure Freude sein.

Fühlt es sich für dich exakt so an?

Ja, absolut. An­spannung ist immer dabei, das ist klar. Aber das habe ich auch bei einem Spiel im leeren Stadion, denn für diese An­spannung sorgt das Spiel selbst. Das Drum­herum genieße ich einfach – bis das Spiel be­ginnt. Ab da bin ich ohne­hin im Tunnel, da bekomme ich nicht mehr alles im Detail mit. Da spürt man einfach nur das Brodeln der Kulisse, dieses Brummen, diese Wucht, die dich dann wie eine Welle packt und dich nach vorn pushen kann. Und das ist einfach ein geiles Gefühl. Aber eben nichts, wovor man Angst haben müsste. Und genau das versuche ich den Jungs zu vermitteln: Genießt es und gebt euer Bestes, dann habt ihr die Fans immer im Rücken.

Merkst du das auch im Alltag, dass nach wie vor die große Rücken­deckung der HSV-Fans und der Hamburger da ist?

Ja, absolut. Mittler­weile werde ich auch ab und zu auf der Straße erkannt. Neulich gerade wurden Jonas David und ich ge­meinsam von zwei etwas älteren Männern ange­sprochen, die uns viel Glück und viel Erfolg ge­wünscht haben und total positiv waren. Das tut natürlich gut, das ist ja ganz klar. Und das sind dann auch die Momente, in denen ich mir denke: Egal, wie viele Fans gerade ins Stadion dürfen – für die, die da sind und uns unter­stützen, hauen wir jetzt alles raus und versuchen, sie total zu begeistern und mitzu­nehmen. Und dann kommt am Ende eine Stimmung wie im Nordderby oder im DFB-Pokal dabei heraus, wo man ja wirk­lich das Gefühl hatte, das Stadion wäre komplett aus­ver­kauft. 

Diese Unterstützung der Fans und die Atmo­sphäre im Volks­park sind ja auch zwei ganz große Plus­punkte für den HSV. Für deinen HSV, muss man ja sagen, schließlich hast du schon als kleiner Steppke hier ange­fangen. Würde dir ein irgend­wann in der Zukunft vielleicht mal an­stehender Wechsel schwerfallen?

Na klar. Hier ist meine Heimat, meine Familie, meine Kumpels. Hamburg und der HSV sind mein Alles. Und ich bin dem Club extrem dankbar dafür, wie man mit mir gearbeitet hat, welche Möglichkeiten man mir gegeben hat und was ich erreichen durfte. Deshalb werde ich immer mein Bestes für den HSV geben.

Du gehörtest schon in der Bundes­liga zum HSV-Kader, bist aktueller deutscher U21-National­spieler und sogar U21-Europa­meister. Wie sehen angesichts dessen deine sportlichen Pläne aus? 

Ich möchte mich weiter­ent­wickeln, besser werden und irgend­wann auch den nächsten Schritt machen. Das ist ja ganz klar, das ist der sportliche Ehrgeiz. Am liebsten würde ich all das zusammen mit dem HSV machen, das wäre optimal. Mit allem anderen – auch was da immer mal an Gerüchten aufkam oder auf­kommt – beschäftige ich mich gar nicht. Unsere Saison mit dem HSV ist das, was mich interessiert.

Wie schätzt du dies­bezüg­lich die Situation im Endspurt ein?

Die Liga ist spannend, im oberen Drittel trennen nicht viele Punkte die Clubs, da kann noch alles passieren. Ich finde es deshalb gut und richtig, dass wir sagen: Was die anderen Mann­schaften machen, das können wir nicht beein­flussen, deshalb gucken wir nur auf uns. 

Und schauen ganz geduldig, was am Ende dabei heraus­springt?

Ja, genau. In den letzten Jahren waren wir die Gejagten, hatten den größten Druck und konnten hinten heraus eigent­lich nur verlieren. Jetzt ist es mal anders­rum. Daher bin ich über­zeugt: Wenn wir alles rein­hauen und es schaffen, möglichst oft unser Spiel zu spielen und unsere beste Leistung abzu­rufen, dann werden wir am Ende auch in der Tabelle gut dastehen. 

Josha Vag­noman und sein HSV: Auf dem Platz liebt es der 21-jährige Außen­ver­teidiger dynamisch, nach dem Abpfiff dann aus­gelassen, wenn gemein­sam mit der Mann­schaft und den Fans ge­feiert wird.