Beim Auswärtsspiel in Regensburg wird das HSVNETRADIO zum 250. MAL seit seiner Wiedereinführung zur Saison 2015/16 ein Spiel der Rothosen live und in voller Länge übertragen. Ein Rückblick auf eine besondere Zeit mit einem besonderen Medium.

Radio. Geht ins Ohr. Bleibt im Kopf. Diesen Slogan hat die deutsche Radiozentrale im Jahr 2007 ins Leben gerufen. Ein Spruch, der noch immer den Menschen in Deutschland in allen erdenklichen Lebenssituationen in den Gehörgang fährt und nachhaltig im Gedächtnis bleibt. Ob unterwegs im Auto, daheim unter der Dusche oder bei der Arbeit im Büro – das Radio als mittlerweile mehr als ein Jahrhundert altes Medium ist trotz Fernsehen, Internet und Netflix & Co. nie aus der Zeit gefallen. Im Gegenteil: Das vielfältige Angebot von Musik über Podcasts bis hin zu Nachrichten und Verkehrsfunk, die Möglichkeit der gefahrenlosen Nebenbei-Unterhaltung sowie die meist kostenlose und mittlerweile ebenso analoge wie digitale Verfügbarkeit sorgen dafür, dass das Radio zeitgemäß war, ist und bleibt. 

Die stilistischen Trümpfe des Mediums liegen dabei im Erschaffen von nachhaltigen Bildern, besonderen Emotionen und einmaligen Live-Momenten. So wie im HSVnetradio, das seit seiner Wiedereinführung – zuvor bereits von 2007 bis 2010 als Teil des HSVtv-Abos unter dem Namen „HSV-Live-Radio“ auf Sendung – zur Saison 2015/16 alle Pflichtspiele der Rothosen live und in voller Länge überträgt und beim Auswärtsspiel in Regensburg am 24. April (ab 13.15 Uhr) vor seinem 250. Jubiläum steht. Die Macher hinter dieser beeindruckenden Zahl sind Projektleiter Lars Wegener und Chefreporter Broder-Jürgen Trede, die das HSVnetradio nach fünf Jahren Pause aus der Mottenkiste geholt und wieder auf Hochglanz poliert haben. Bis heute sitzen die beiden junggebliebenen Radio-Routiniers am Mikrofon und melden sich aus den Fußballstadien der Bundesrepublik. Auf dem Weg zur 250. Sendung haben sie dabei fünf Reporter ausgebildet, darunter neben dem heutigen HSV-Pressesprecher Philipp Langer auch Thomas Huesmann und Fabian Maltzan aus der HSV-Medienabteilung, die derzeit das vierköpfige Team des Fanradios komplettieren.

„Fanradio“ – ein Begriff, der dem HSVnetradio nicht vollumfänglich gerecht wird. „Die Reportage-Elemente stehen bei uns über allem. Direkt vor Ort sein, wo es passiert. Sagen, was ist. Das Beschreiben sollte vor dem Kommentieren kommen. Denn der Kommentar wird nur dann nachvollziehbar, wenn zuvor auch gut beschrieben wurde“, erklärt Chefreporter Trede, der bereits im Jahr 2003 die Reportage für Sehbehinderte beim HSV einführte, bis heute die Hörplatz-Reportage im Volksparkstadion verantwortet und damit den wichtigen Aspekt der Beschreibung schon immer stark verinnerlicht hat. Auch Projektleiter Wegener ging einst die ersten Schritte bei der Sehbehinderten-Reportage, ehe er das clubeigene Web-Radio initiierte und bis heute als Hauptverantwortlicher auf ein Top-Level gehoben hat. Er ergänzt: „Zusätzlich zum wichtigen Aspekt der Beschreibung liefern wir immer eine Mischung aus Analyse, Fachwissen, Historie, HSV-Insidern und Unterhaltung. Wir verfolgen dabei einen sehr journalistischen Ansatz, der in einer akribischen Vorbereitung auf das jeweilige Spiel und den Gegner fußt. Auch hier unterscheiden wir uns durchaus von anderen Fanradios.“ 

Chefreporter Broder-Jürgen Trede und Projektleiter Lars Wegener (Bild links, v.l.) hoben das HSVnetradio im Jahr 2015 wieder aus der Taufe und bildeten bisher am häufigsten (77-mal) das Reporter-Duo. Thomas Huesmann und Fabian Maltzan (Foto rechts, v.l.) sind seit Januar 2019 bzw. März 2021 mit dabei und komplettieren die aktuelle Reporter-Crew.

Material für eine 15-minütige Pre-Show, Spieleretiketten, Spielerinfos sowie sämtliche Zahlen, Daten und Fakten zum bevorstehenden Spiel und den beiden Kontrahenten – die HSVnetradio-Reporter haben den Anspruch, auf alle Eventualitäten, die ein Fußballspiel mit sich bringt, vorbereitet zu sein. Die oft mehrstündige Vorbereitung gehört folglich zur Pflicht, die 90-minütige Live-Übertragung bildet die Kür. „Wir wollen, dass uns die Zuhörer glauben, was wir sagen. Sie sollen wissen, dass wir kritisch sind und sich zugleich nicht wundern, dass wir ein HSV-Tor deutlich emotionaler als einen Gegentreffer beschreiben“, erklärt der 47-jährige Trede, der im Regelfall immer am Mikrofon ist und mit den drei wechselnden Reportern ein Duo bildet. „Wir haben die beschriebenen Aspekte unserer Reportage als Team gemeinsam festgesetzt und sind uns inhaltlich einig. Das sorgt für eine große Harmonie, die meines Erachtens unabdingbar für eine gute Reportage ist. Der Moment, wenn der Partner etwas sagt, was man gerade selbst auf den Lippen hat, ist wie der Pass zum Tor. Dann merkst du, dass sich die super intensive Vorbereitung gelohnt hat und du miteinander auf einer Wellenlänge funkst.“

Dass die Netradio-Crew mit ihrem inhaltlichen Konzept und dem vorgelebten Teamplay im HSV-Kosmos einen Nerv trifft, zeigt eine über die Jahre immer mehr gewachsene und mittlerweile treue Hörerschaft, die sich über den gesamten Globus erstreckt. Im Schnitt etwas mehr als 8.000 Nutzer pro Partie verfolgten in der laufenden Saison 2021/22 die Spiele im HSVnetradio, der Spitzenwert wurde im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Karlsruhe mit fast 25.000 Hörern erzielt. Ein sagenhafter Wert, der allerdings nicht den Allzeitrekord in den vergangenen fünf Jahren bedeutet. Dieser wurde am 2. Spieltag der Saison 2017/18 beim Auswärtsspiel des HSV beim 1. FC Köln mit fast 70.000 Hörern erzielt, als Fernseh-Rechteinhaber Eurosport Übertragungsprobleme hatte und zahlreiche HSV-Fans aufs HSVnetradio umschalteten. „Das war verrückt. Wir haben gehört, dass plötzlich in zahlreichen Kneipen und Bars in ganz Hamburg aufgrund des Bild-Ausfalls aufs Netradio umgeschaltet wurde“, verrät Projektleiter Lars Wegener. „Das hat uns natürlich in die Karten gespielt. Wir verfolgen immer auch das Ziel, dass jeder, der uns einmal gehört hat, uns für immer als mögliche Alternative im Kopf abgespeichert hat.“

Sechseinhalb Jahre HSVnetradio bedeuten für die Reporter nicht nur Rekordzahlen und besondere Jubel-Momente wie etwa 2017 beim „Retter-Tor“ von Luca Waldschmidt – „Bei seiner Einwechslung habe ich damals gesagt: ,Er hat noch kein Bundesligator gemacht, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt.‘ Und zehn Sekunden später war der Ball drin, und der Volkspark Stand Kopf“, erinnert sich Chefreporter Broder-Jürgen Trede gern zurück –, sondern auch ebenso kuriose wie unvergessliche Auswärtsfahrten: Beim Nordderby im Weserstadion hielt Philipp Langer beispielsweise einmal über die komplette Spieldauer die Kabel der Technik zusammen, ein anderes Mal ging das Netradio in Paderborn aufgrund eines Verkehrsstaus bei der Anreise leicht verspätet, aber gerade noch rechtzeitig mit dem 1:0-Führungstreffer der Rothosen auf Sendung, und ein einziges Mal fiel die Übertragung vor Ort gar komplett aus. Bei der Zweitliga-Auswärtspremiere in Sandhausen hatte die Internetverbindung in der Kurpfalz andere Pläne. „Das alles sind besondere Erlebnisse, die natürlich in Erinnerung bleiben. Selbst die 0:8-Niederlage in München kommt mir in den Sinn. Irgendwann haben wir dort unseren Ansatz über Bord geworfen und gemerkt, dass wir das exakte Beschreiben sein lassen können. Wir haben uns darüber unterhalten, was wir sonst noch an diesem Wochenende machen. Das hatte Comedy-Züge“, gibt Trede Einblicke in die nicht immer einfache Welt eines Live-Reporters.

Apropos live: Der größte Reiz der Übertragung stellt nach all den Jahren auch für den Chefreporter, der an 211 der bis Redaktionsschluss 244 HSVnetradio-Übertragungen (s. Tabelle) mitgewirkt hat, die Live-Situation dar. „Es gibt kein schnelleres Medium als das Radio. Dementsprechend musst du auch schnell beim Hörer im Kopf sein. Was du siehst, musst du simultan in Worte übersetzen: Was sage ich schnell und prägnant und so bildhaft, dass der Zuhörer sich alles vorstellen kann und nicht überrascht ist, wenn er später die TV-Bilder sieht? Genau das ist es, was die Radio-Reportage für Hörer und Reporter ausmacht“, erklärt der 47-Jährige. Wenn diese Skills sitzen und die Emotionen übers Ohr in den Kopf der Fans dringen, dann entfaltet die Radio-Reportage ihre ganze Magie und sorgt selbst im Zusammenschnitt – der HSV strahlt seit Jahren Audio-Highlights ausgewählter Partien teilweise mit Bewegtbildern unterlegt bei YouTube aus (s. QR-Code) – noch für Gänsehautatmosphäre. Da ist es selbstredend, dass das Radio als Medium das Potenzial besitzt, auch das nächste Jahrhundert zu überleben. Und das HSVnetradio als nächstes die 500er-Marke ins Visier nimmt. „Wir haben 2015 gehofft, dass das Projekt derart zündet und die vielen Fans, die der HSV besitzt, abholt. Die Zugriffszahlen sind irgendwann endlich, aber zukunftsfähig sind Vollreportagen allemal“, sagt Wegener. „Herbert Zimmermann war 1954 schon king, und 70 Jahre später ist er es immer noch. Die Live-Reportage im Radio hat immer überlebt. Die digitale Entwicklung spielt uns sogar in die Karten. Auf der ganzen Welt benötigt man nur W-Lan, um live dabei zu sein. Live schlägt alles.
Live ist immer interessant und das wertvollste Recht, was der Club besitzt. Denn live ist immer nur einmal.“