Nur knapp 100 Kilometer trennen das Holstein-Stadion vom Volksparkstadion – es ist somit die zweitkürzeste Auswärtsfahrt für die Rothosen. Doch trotz der geografischen Nähe distanzierten sich die sportlichen Wege der Kieler Sportvereinigung Holstein und des Hamburger SV für lange Zeit. Vor dem Bundesliga-Abstieg der Hamburger trafen die beiden Mannschaften letztmals im Jahr 2008 in der ersten Runde des DFB-Pokals aufeinander, als der HSV mit 5:0 gewann. Das letzte Ligaspiel wurde noch in der damaligen Oberliga Nord im Jahr 1963 ausgetragen.
Seit der Saison 2018/19 jedoch sind Kiel und der HSV Ligakonkurrenten. In den direkten Duellen zeigte sich die KSV stets als unangenehmer Nordrivale: Von den bisherigen sieben Spielen in der 2. Bundesliga konnten die Rothosen noch keines gewinnen. Nach zwei Niederlagen in der ersten Zweitliga-Saison der HSV-Geschichte folgten fünf aufeinanderfolgende Punkteteilungen. Es wird also Zeit!
Im Jahr 2017 feierte Kiel nach fast 40-jähriger Abwesenheit den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Seither etablierten sich die Störche als ernstzunehmender Konkurrent im Aufstiegskampf. In der ersten Saison landete man prompt auf dem 3. Tabellenplatz, scheiterte allerdings in der Relegation am VfL Wolfsburg. Ein ähnliches Schicksal wiederholte sich in der vergangenen Saison, als man wieder den dritten Tabellenplatz belegte, jedoch erneut in der Relegation – dieses Mal gegen den 1. FC Köln – scheiterte.
Das Duell der beiden Nordclubs ist stets von einem großen Wiedersehen vertrauter Gesichter geprägt. Im aktuellen Kader der Kieler stehen mit Lewis Holtby, Fiete Arp, Finn Porath und Ahmet Arslan gleich vier Profis, die bereits für die Rothosen ihre Schuhe schnürten. Zudem sind mit Hauke Wahl und dem neu verpflichteten Kwasi Okyere Wriedt zwei weitere gebürtige Hamburger Teil der Mannschaft von Trainer Marcel Rapp. Auf der Gegenseite gibt es ebenfalls ein Wiedersehen mit dem ehemaligen Arbeitgeber: Sowohl Jonas Meffert (96 Spiele) als auch David Kinsombi (55) haben eine Kieler Vergangenheit. Zusätzlich stand HSV-Cheftrainer Tim Walter in der Saison 2018/19 als Coach der Störche an der Seitenlinie im Holstein-Stadion und erreichte den 6. Tabellenplatz sowie den Einzug in das DFB-Pokal-Achtelfinale.
Apropos DFB-Pokal: In der letzten Saison überraschten die Kieler die gesamte Fußballnation, als sie sogar bis ins Halbfinale vorstießen und auf dem Weg dorthin unter anderem den FC Bayern aus dem Wettbewerb warfen. Eine aufregende Pokalreise, die die Rothosen in der aktuellen Saison ebenfalls erleben – und mit dem Einzug in das DFB-Pokalfinale noch übertreffen wollen.
Das Stadion
Das 1911 unter dem Namen „Holstein-Platz“ erbaute Holstein-Stadion ist eine der traditionsreichsten und ältesten Spielstätten im deutschen Fußball. Es gehört zu den 20 ältesten Stadien in ganz Deutschland und ist zeitgleich das älteste in Schleswig-Holstein. Mit 15.034 Plätzen ist es vor der Benteler-Arena in Paderborn und der Voith-Arena in Heidenheim das drittkleinste Stadion der 2. Bundesliga. Da der Großteil der zur Verfügung stehenden Kapazität aus Stehplätzen (9.225 Stück) besteht, kann das Holstein-Stadion zu einem echten Hexenkessel werden. In der Vergangenheit war die Spielstätte durch verschiedenste Renovierungsarbeiten zur Erfüllung der DFL-Lizenzkriterien geprägt. Auch heute ist der Spielbetrieb nur mit einer Ausnahmegenehmigung möglich. Aufgrund dessen ist ein Neubau der Arena geplant, der nach Fertigstellung rund 25.000 Zuschauern Platz bieten soll.
Die Dauerbrenner
Die rasante Entwicklung der Kieler vom Aufsteiger zum etablierten Zweitligisten beruht auf der Kontinuität innerhalb des Kaders. Stellvertretend hierfür stehen Alexander Mühling und Hauke Wahl. Beide standen wettbewerbsübergreifend in mehr als 200 Partien für die Kieler auf dem Platz und zeigen sich im Doppelpack als wichtige Säule der Mannschaft – der eine als Abwehrchef und Kapitän, der andere als Mittelfeldmotor und sicherer Elfmeterschütze.
Mühling wechselte 2016 ablösefrei vom SV Sandhausen zu Holstein Kiel. Seither stand der Mittelfeldspieler in jeder Saison in 30 oder mehr Ligapartien auf dem Rasen und erzielte innerhalb der 207 Spiele für Kiel insgesamt 42 Tore und bereitete 30 weitere vor. Somit avancierte der 29-jährige zum Toptorschützen in der Kieler Zweitliga-Geschichte. In der aktuellen Saison steht er bei zwölf Scorerpunkten. Der 1,86 Meter große gebürtige Oberhausener brilliert dabei als treffsicherer Elfmeterschütze: In der letzten Saison trat er zehnmal vom Punkt an und verwandelte alle zehn Elfmeter.
Wahl ist Kapitän und Abwehrchef von Holstein Kiel. Der 27-jährige Innenverteidiger besitzt seine Qualitäten allerdings nicht nur in der Defensive: In den 206 Spielen für Kiel erzielte er sieben Tore und bereitete sieben weitere vor. Der 1,89 Meter große gebürtige Hamburger arbeitete sich aus der Jugend der Kieler hoch bis zu den Profis, ehe er 2015 zum Ligakonkurrenten SC Paderborn wechselte. Über die Station beim FC Ingolstadt, von wo er ein Jahr lang zum 1. FC Heidenheim verliehen wurde, wechselte er 2018 schließlich zurück an die Kieler Förde.
Bis sich beide offiziell Rekordspieler von Kiel nennen können, fehlen ihnen jeweils noch etwas mehr als 80 Spiele. Doch auch jetzt schon sind Hauke Wahl und Alexander Mühling zwei echte Dauerbrenner.
Die Stadt
Die unter dem Namen „Holstenstadt tom Kyle“ im 13.Jahrhundert gegründete Stadt Kiel liegt mit knapp 250.000 Einwohnern auf Platz 29 im deutschlandweiten Vergleich. Ausschlaggebend für die Namensgebung ist die Kieler Förde, um die sich die Stadt hufeisenförmig erstreckt und die einen wichtigen Seehafen an der Ostsee darstellt. Als Landeshauptstadt sowie bevölkerungsreichste Stadt Schleswig-Holsteins ist Kiel die nördlichste Großstadt Deutschlands und der Endpunkt der meistbefahrenen künstlichen Wasserstraße weltweit: des Nord-Ostsee-Kanals, der im Volksmund auch „Kiel Canal“ genannt wird. Durch die Stadt verläuft die Wasserscheide zwischen der Nord- und Ostsee, nicht umsonst ist sie ein bedeutender Marine-Stützpunkt und Standort der größten Werft Deutschlands. Neben dem Fußball ist Kiel durch das jährliche internationale Segelereignis „Kieler Woche“ sowie den deutschen Rekordhandballmeister THW Kiel bekannt. Und nicht zu vergessen: Auch wenn es im Holstein-Stadion wunderbare Bratwurst zu kaufen gibt, sind die Kieler Sprotten – geräucherte Heringe – die wohl größte und bekannteste kulinarische Delikatesse, die Kiel zugeschrieben wird.
Das Urgestein
Fin Bartels ist die Identifikationsfigur schlechthin in der Mannschaft von Holstein Kiel. Seit seiner Rückkehr im Jahr 2020 ist der 35-jährige gebürtige Kieler ein unersetzbarer Schlüsselspieler und nicht wegzudenken aus der Offensive der Störche. Mit all seiner Routine aus unter anderem 200 Zweit- und 170 Erstligapartien belebt der 1,76 Meter große variabel einsetzbare Angreifer das Offensivspiel der Kieler und avancierte vergangene Saison mit 17 Torbeteiligungen prompt zum Topscorer der Störche. In seiner Laufbahn bewies Fin Bartels stets, dass er sich im Norden heimisch fühlt: Im Jahr 2002 wechselte der Kieler Jung in die U17 von Holstein, wo er sich über die U19 und die zweite Mannschaft bis zu den Profis hocharbeitete. 2007 folgte der Wechsel zu Hansa Rostock, von wo es über den FC St. Pauli zum SV Werder Bremen weiterging. 13 Jahre später entschied sich Bartels, in seine Heimat und an seine alte Wirkungsstätte zurückzukehren. Seit 2020 ist er wieder Kieler und hat jüngst seinen 2022 auslaufenden Vertrag um ein weiteres Jahr bis Sommer 2023 verlängert. Derzeit steht Bartels bei wettbewerbsübergreifend 497 Spielen in seiner Karriere. Im Duell gegen den HSV am 29. Spieltag könnte er somit ein großes Jubiläum feiern und sein 500. Spiel absolvieren. Eine beachtliche Karriere eines echten Nordlichts.