Neuzugang Jonas Meffert Jonas Meffert ist ein Kölsche Jung im hohen Norden. Im HSVlive-Interview verrät der 26-Jährige, warum Norddeutsch­land mittlerweile zu seiner zweiten Heimat geworden ist und warum er sich im System seines neuen, alten Trainers auch beim HSV prompt wie zuhause fühlt. Ein Gespräch über die Heimat auf und abseits des Platzes.

Köln – im Personalausweis von Jonas Meffert steht’s unter dem Reiter Geburtsort fett geschrieben. „Der Eintrag ist wichtig. Ich bin zwar in Rösrath aufgewachsen, aber in Köln geboren“, erklärt der 26-Jährige beim HSVlive-Termin am Hamburger Fischmarkt. Auf den ersten Blick scheint in diesem Bild etwas nicht zusammenzupassen: Hier der Kölsche Jung, der Karnevalslieder rauf- und runtersingen kann, dort die Hamburger Wahrzeichen in Form der Hafenkräne, des Michels und der Elbphilharmonie. Doch in Jonas Meffert schlummert nach drei Jahren bei der KSV Holstein an der Kieler Förde und seinem Wechsel zum HSV an die Elbe mehr und mehr ein echtes Nordlicht. Und das passt bei einer genaueren Betrachtung auch besser zusammen als man denkt. Denn der Mittelfeldspieler kommt nicht etwa jeck oder lautstark, sondern vielmehr ruhig und besonnen daher. Prädikat: „nordisch by nature“. Genau wie sein Spiel auf dem Platz. Laufstark, passsicher, intelligent – „Meffo“ nimmt im anspruchsvollen System seines neuen und alten Trainers Tim Walter als Sechser eine bisweilen unscheinbare, aber ganz zentrale Rolle ein. „Jonas ist entscheidend für unsere Balance zwischen Offensive und Defensive“, lobt der Cheftrainer den Kompass im Spiel der Rothosen, der im HSVlive-Interview ausführlich über seine Heimat auf und abseits des Platzes spricht.

Moin Jonas! Du gehst in dein viertes Jahr hier oben im Norden. Wie sehr hast du das „Moin“ mittlerweile schon verinnerlicht?
Das ist extrem verinnerlicht und mittlerweile voll in mir drin. Ich finde es auch super praktisch, da man „Moin“ einfach zu jeder Tageszeit sagen kann. Wenn ich zum Beispiel in meiner Heimatstadt in Köln unterwegs bin und mittags spazieren gehe, dann grüße ich die Leute mittlerweile auch mit einem „Moin“. Das klingt für mich viel besser als „Hallo“ oder „Guten Mittag“.

Schauen dich die Leute in Köln dann etwas komisch an?
Ja, auf jeden Fall. Das ist dann doch sehr untypisch für die Region und ein „Moin“ für einen Kölner gewöhnungsbedürftig. Ich weiß noch, dass ich vor meinem Wechsel nach Kiel super irritiert war, als mich der Kieler Teammanager um 23.00 Uhr abends mit „Moin Jonas!“ angeschrieben hat. Da habe ich mich fast kaputtgelacht.

In der letzten HSVlive-Ausgabe hast du uns auf deiner Lieblingsseite verraten, dass Köln deine Heimat und deine absolute Lieblingsstadt ist. Dennoch hört es sich so an, als sei Norddeutschland mit der Zeit zumindest zu einer Art zweiten Heimat geworden.
Das kann man so sagen. Ich fühle mich echt richtig wohl im Norden. Ich hätte es auch niemals gedacht, dass ich mal sage, dass ich nicht zu 100 Prozent weiß, ob ich später in Köln oder im Norden wohnen werde. Eigentlich war ich mir immer absolut sicher, dass ich irgendwann wieder in Köln leben will. Ich habe ja auch mal vier Jahre im Süden, in Karlsruhe und Freiburg gewohnt. Dort hat es mir auch gut gefallen, aber der Norden hat mich nochmal mehr gepackt.

Was ist denn ganz allgemein deine Definition von Heimat? Was benötigst du, damit ein Gefühl von Heimat aufkommen kann?
Für mich spielen die Personen, die mich umgeben, in diesem Kontext eine ganz wichtige Rolle. Hier im Norden habe ich zum Beispiel meine Freundin kennengelernt. Sie kommt aus Bargteheide und wir sind in Kiel und jetzt auch hier in Hamburg zusammengezogen. In Karlsruhe habe ich damals wiederum viel mit einem Teil meiner Familie unternommen, der aus Heidelberg stammt. Dort konnte ich ein- bis zweimal die Woche meine Tante und meine Cousins besuchen, was mir richtig gutgetan hat. Wenn die für mich wichtigsten Menschen um mich herum sind, dann kann ich mich wahrscheinlich an jedem Ort der Welt wohlfühlen. In Köln ist das Heimatgefühl dann nochmal speziell. Meine Kollegen wohnen dort, wir sind alle Kölsche Jungs. Dazu der Kölner Karneval und die vielen Lieder – da sind einfach etliche Erinnerungen und Verbindungen. Aber wie gesagt: Hamburg und der Norden fühlen sich für mich wirklich sehr nach Zuhause an.

Du bist nicht nur privat gut und schnell im Norden angekommen, sondern auch sportlich. In Kiel hattest du von Anfang an eine zentrale Rolle, jetzt beim HSV ebenso. Entspricht es deinem Naturell, voranzugehen und Verantwortung zu übernehmen?
(überlegt) Ich bin generell nicht der Spieler, der als Erster vorangeht und gern im Mittelpunkt steht. Ich bin definitiv kein Lautsprecher. Gleichzeitig bin ich aber ein absoluter Teamplayer und versuche das, wovon ich weiß, dass ich es gut kann, bestmöglich einzubringen. In Kiel habe ich schnell gemerkt, dass die jungen Spieler auf mich geschaut und mich respektiert haben. Das lag sicherlich auch an meiner Leistung und der Tatsache, dass ich viel gespielt habe. Ich habe versucht, einfach meinen Fußball zu spielen und ihnen auch Tipps zu geben. Jetzt beim HSV ist es so, dass ich den Trainer und das System bereits kenne und genau verstehe, was in diesem verlangt wird. Ich habe in Kiel gelernt, dass diese Spielweise funktioniert und deshalb versuche ich hier im Training und im Spiel auch viele Tipps zu geben und meine Mitspieler besser zu machen.

Wie wichtig ist dir die Zusammenarbeit mit dem Trainer? Auch in Kiel hieß dein Coach zum Start ja Tim Walter.
Es ist immer sehr wichtig, das Vertrauen zu spüren. In Freiburg habe ich zwei Jahre unter Christian Streich trainiert. Ich habe sicherlich viel gelernt, aber nicht so viel gespielt und damit bin ich zu Beginn nicht gut klargekommen. Das Selbstvertrauen hat mir damals gefehlt. Als Tim Walter mich dann eine Woche vor dem Saisonstart nach Kiel geholt hat, ist es ihm gelungen, mein Selbstvertrauen wieder richtig zu befeuern. Tim Walter lebt Selbstvertrauen. Das sieht man total. Ich persönlich finde es gut, wenn ein Trainer diesen Aspekt so stark vorlebt, weil man sich selbst daran aufrichten kann. Das färbt auf die Mannschaft ab. Wir sind selbstbewusst, wollen Fußball spielen und wenn eine Aktion mal nicht gelingt, dann funktioniert es beim nächsten Mal.

Überall spricht man über den „Walter-Ball“. Wie würdest du ihn beschreiben?
In dem System steckt auf jeden Fall ein Sinn dahinter. Ich glaube auch, dass es von außen oft chaotischer aussieht als es eigentlich für uns Spieler auf dem Platz ist. Die Spieler hier haben das System schnell verinnerlicht, weil sie in meinen Augen auch enorm offen dafür waren. Das allerwichtigste in diesem System ist, dass du mutig bist. Wenn du keinen Mut besitzt, dann brauchst du das System nicht zu spielen. Zudem ist es wichtig, dass alle an das System glauben und dessen Automatismen verinnerlichen. Es geht vereinfacht gesagt bei den Verteidigern los, die nach einem Pass den Raum öffnen und dadurch eine Kettenreaktion für die Vordermänner auslösen, die wiederum Positionswechsel vornehmen können. Für die gegnerischen Offensivspieler ist es dann anstrengend, immer hinterherzulaufen oder überhaupt zu entscheiden, wem sie folgen. Natürlich birgt das System auch seine Risiken. Spiele gehen häufiger mal mit vielen Toren zu Ende, da kann ich mich beispielsweise an ein 4:4 mit Kiel gegen Paderborn erinnern.

Wie fühlt es sich für dich in diesem geordneten Chaos an? Du steckst auf der Sechs ja mittendrin im Epizentrum dieses Fußballs.
Ich muss gestehen, dass es als Sechser im Vergleich zu der Rolle der Verteidiger gar nicht so extrem ist. Als Sechser ist es dem Trainer wichtig, dass man die Räume für die Verteidiger öffnet, damit sie reinziehen können. Du musst immer situativ entscheiden, ob du eher zurückgehst, um die Spieler abzusichern oder ob du im Rücken deines Gegenspielers nach vorne stößt, womit du zugleich direkt weit vorn bist. Dieses permanente Entscheiden ist ein Grund, weshalb mir dieser Spielweise auch großen Spaß macht. Es ist enorm facettenreich.

Passt das System vielleicht auch besonders gut zu dir, im Hinblick auf die Attribute, die du auf dem Platz einbringen kannst?
Klar, es geht darum, viel zu laufen, passsicher zu sein und auch defensiv zuzupacken, wenn man hinten für die Innenverteidiger absichert. Da kommen mir ein paar Aspekte entgegen, aber es gibt auch vieles, das ich noch besser machen kann. Auch das gefällt mir an dem Trainer, dass er fordert, dass die Spieler komplett sind. Wenn mit „Bascho“ (Sebastian Schonlau, Anm. d. Red.) zum Beispiel ein Innenverteidiger mit vorn ist, dann erwartet der Trainer, dass dieser ebenso gut in die Mitte flankt wie ein Flügelspieler, der das sein Leben lang macht. Das ist sehr herausfordernd. Auch im Training: Ich habe in der ersten Trainingswoche gefühlt mehr Torschüsse gehabt als in der kompletten vergangenen Saison in Kiel. (lacht)

Verbessern ist das richtige Stichwort: Du bist im sogenannten besten Fußballeralter. Welche Ziele hast du dir für deine besten Jahre gesteckt?
Mir ist es vor allem wichtig, dass mir der Fußball Spaß macht. Dafür ist es elementar, verletzungsfrei zu bleiben, was mir jetzt relativ lange gelungen ist. Zu meiner Zeit in Freiburg hatte ich eine langwierige Knieverletzung und habe gemerkt, dass der Profi-Fußball in solchen Phasen auch keinen Spaß machen kann. Doch damit bin ich jetzt hoffentlich durch. Ich möchte mich weiter verbessern, Stärken stärken und an Schwächen arbeiten. Und letztlich sehe ich mich auch bezüglich der Ziele als Teamplayer: Ich möchte mit meiner Mannschaft an jedem Wochenende top vorbereit ins Spiel gehen und möglichst viele Spiele
mit ihr gewinnen.

Und welche Ziele verfolgst du privat? Spielt zum Beispiel Familie eine Rolle in deiner Zukunftsplanung?
Ein Ziel ist es, mein BWL-Studium in den nächsten Jahren zu beenden. Das macht mir Spaß und ist eine gute Ablenkung vom Profi-Fußball. Ansonsten hoffe ich darauf, dass es in Zukunft wieder einfacher wird, sich mit Freunden zu treffen. Ich bin ein harmonischer Mensch und habe gern Menschen um mich herum. Auch eine Familie zu gründen, ist definitiv ein Thema, da ich ein großer Familienmensch bin, aber das hat aktuell noch etwas Zeit.

Der Lebensmittelpunkt dieser Familie ist dann nicht mehr unbedingt in Köln, wie du eingangs erwähnt hast?
Genau, das ist nicht mehr zu 100 Prozent sicher. Aktuell würde ich sagen: Köln oder der Norden – dort soll es mich langfristig hinziehen.

Was gefällt dir hier oben im Norden besonders?
Am meisten gefällt mir, dass die Leute hier etwas entspannter und entschleunigter sind. Ich finde die Norddeutschen sehr sympathisch, obwohl mir im Vorfeld gesagt wurde, dass sie eher distanziert sein sollen. Das habe ich persönlich gar nicht so kennengelernt. In Kiel habe ich mich zum Beispiel auf Anhieb sehr gut mit unseren Nachbarn verstanden. Daraus ist eine Freundschaft entstanden. Es sind also vor allem die Menschen und ihre ruhige Art. Darüber hinaus macht das Wasser für mich den Norden aus. In Köln gibt es eigentlich nur den Rhein, hier hat man die Elbe, die Ostsee und die Nordsee in der direkten Umgebung.

Und was löst der HSV in dir aus? Man kennt deine
Vorgeschichte als KSC-Spieler und dein vermeintliches Handspiel, das zum Freistoß von Marcelo Diaz führte. Aber jetzt hast du den Club ja auch richtig kennengelernt. Für mich ist der HSV der 1. FC Köln des Nordens. Jeder, der aus Köln kommt, weiß, was der FC einem Kölner bedeutet. Auch hier spürt man über die Stadtgrenzen hinaus die gleiche Energie und Begeisterung für diesen Verein. Der HSV ist etwas Besonderes und einfach der Fußballclub im Norden.

Zählen Clubs wie der FC und der HSV für dich zum Nonplusultra im deutschen Fußball im Hinblick auf ihre Bedeutung und Tradition?
Ja, es sind sicherlich auch die Vereine, die mir aus meiner Kindheit noch am präsentesten sind. Bei uns in der Schule gab es eigentlich nur Köln-, Bayern- oder Hamburg-Fans. Bei uns im Westen spielen zudem Schalke, der BVB und Mönchengladbach noch eine größere Rolle. Als Kind wächst man mit diesen Clubs und ihrer Tradition auf. Wenn im Rheinenergiestadion vor dem Spiel die Hymne läuft und die Schals gekreist werden, dann ist das ein geiles Gefühl. Das ist hier im Volksparkstadion ja genau so und diese Atmosphäre macht beide Clubs total aus.

Und was macht die beiden Städte Hamburg und Köln aus?
Zunächst einmal ist in beiden Städten eine Menge los und es herrscht insgesamt eine große Vielfalt. In Köln gibt es die Veedel, hier die vielen Stadtteile, die allesamt für sich etwas Eigenes haben. Hamburg ist zudem nochmal deutlich größer als Köln. Obwohl Köln eine Millionenstadt ist, kommt mir doch alles sehr kompakt vor und man gelangt schnell von A nach B. Das ist hier in Hamburg etwas anders, wobei ich bisher nahe der Elbe und des Hafens auch viel zu Fuß unterwegs bin. Letztlich herrscht in beiden Städten ein unterschiedliches, aber doch besonderes Flair, in dem es einem leichtfällt, sich wohlzufühlen. Und ich fühle mich in beiden zuhause.