Das Wohnzimmer im eigenen Wohnzimmer in 800 Kilometern Entfernung: Seit knapp sieben Jahren baut HSV-Fan Manuel Preißinger das Hamburger Volksparkstadion im Maßstab 1:100 in seinem Haus in Bayern nach. Im HSVlive-Interview erzählt der 34-Jährige von seiner verrückten Idee, Höhen und Tiefen während der Bauzeit und dem großen Moment der Fertigstellung im Jahr 2022.

Das Volksparkstadion in Hamburg. Die eindrucksvolle – in den Jahren von 1998 bis 2000 auf altem Grund quasi neu errichtete – Heimspielstätte des HSV im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld an der Grenze zu Stellingen. Ein Ort, mit dem alle HSVer besondere Emotionen und Momente verbinden. Es ist das Zuhause der Rothosen und das zweite Wohnzimmer für viele, die die Farben blau, weiß und schwarz im Herzen tragen. Auch über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus hat das Volksparkstadion eine enorme Strahlkraft. Dass die Faszination für den HSV und sein Stadion aber auch fast 800 Kilometer entfernt in einer kleinen 600-Einwohner-Gemeinde im Allgäu noch so stark ist, dass man das Zuhause des HSV prompt in seinem eigenen Zuhause nachbaut, das ist nur schwer zu glauben – aber wahr. Der 34-jährige HSV-Fan Manuel Preißinger aus Oberegg im Unterallgäu steckt seit dem Jahr 2014 Tag für Tag seine Zeit, Energie und ganz viel Herzblut in sein großes Projekt: den originalgetreuen Nachbau des Volksparkstadions im Maßstab 1:100. Im HSVlive-Interview erzählt der gelernte KFZ-Meister, der nach eigener Aussage zuvor „mit Modellbau gar nichts am Hut hatte“, wie er als Kind des Allgäus überhaupt HSV-Fan wurde, wie er auf die außergewöhnliche Projektidee kam, was beim Bau für Hürden lauerten und was nach Fertigstellung mit seinem einmaligen Stadion passieren soll.

Manuel, die offensichtlichste Frage vorweg: Wie wird man fast 800 Kilometer vom Volksparkstadion entfernt ohne die direkte Nähe zur Stadt Hamburg und zum HSV Rothosen-Fan?
Mein Vater ist ein großer HSV-Fan. Das Team rund um Horst Hrubesch und Kevin Keegan sowie HSV-Legende Uwe Seeler haben ihn überzeugt und zum Fan gemacht – und das hat er an mich weitergegeben. In meiner Kindheit hat mein Vater immer nur über den einen Fußballverein gesprochen. Und dann wächst man da als Kind irgendwie automatisch rein. Obwohl ich sagen muss: Ich habe zwei Brüder, der eine hält es mit den Bayern, der andere ist Nürnberg-Fan. Die beiden sind in der Region geblieben, aber für mich gab es immer nur den HSV.

Und das, obwohl du vermutlich nicht viele Spiele live sehen konntest.
Ja, das stimmt. Stadionbesuche waren selten und als Kind habe ich auch wenige Spiele live im Fernsehen verfolgen können. Meine Familie hatte damals kein Pay-TV. Wir haben jeden Samstag die Sportschau geschaut oder einen Live-Kommentar im Radio bei Bayern1 gehört. Erst im Jahr 2006 habe ich mir von meinem Lehrlingsgehalt Pay-TV gekauft und seitdem kein einziges Pflichtspiel mehr verpasst. 95 Prozent der Partien habe ich zwar „nur“ von zuhause aus verfolgen können, aber ich habe mir wirklich jedes Pflichtspiel angeschaut. Wenn ein HSV-Spiel läuft, dann weiß meine Frau Judith auch, dass sie für uns nichts planen braucht. (lacht) Irgendwie wurde es bei mir mit der Zeit immer verrückter …

Was meinst du damit?
Schon bevor ich im Jahr 2006 damit begonnen habe, wirklich jedes HSV-Pflichtspiel live zu schauen, habe ich im Jahr 2001 angefangen, HSV-Trikots zu sammeln. Und da bin ich auch sehr penibel. Wenn es Langarm- oder Sondertrikots gibt, dann dürfen auch diese in meiner Sammlung nicht fehlen. Mittlerweile sind es schon mehr als 230 Trikots. Mein Kleiderschrank ist inzwischen komplett voll – mit Trikots und anderen Klamotten mit HSV-Logo. Mit der Zeit spielte der HSV dann eine immer größere Rolle bei mir. Als ich 16 Jahre alt war, haben meine Eltern mir endlich erlaubt, allein Auswärtsfahrten zu den Partien in unserer Region machen zu dürfen. Später kamen dann immer mehr Spiele dazu: Zürich im UEFA-Cup, Lüttich in der Europa League oder das Halbfinal-Drama im DFB-Pokal, bei dem wir im Elfmeterschießen ausgeschieden sind. Und das, obwohl ich schon Finaltickets für das Olympiastadion hatte, die dann hinfällig waren. Auch vor ein paar Jahren konnte ich meine Fan-Liebe nochmal besonders unter Beweis stellen, als bei uns im Unterallgäu die vierte Ziffer bei den Autokennzeichen eingeführt wurde. Mein altes Kennzeichen habe ich sofort abgemeldet und die Nummer 1887 zugelassen.

Und die wohl verrückteste deiner HSV-Geschichten hast du noch gar nicht erwähnt: den Stadionnachbau. Wie kamst du auf diese Idee?
Ich bastle in meiner Freizeit schon immer gern – von Karnevalswagen bis hin zu diversen Möbeln. Das macht mir einfach Spaß. Diese Projekte haben meist aber immer nur ein bis zwei Monate gedauert, dann waren sie fertig. Danach habe ich mir immer wieder neu überlegen müssen: Was baue ich als nächstes? Vor sieben Jahren habe ich dann einen Bericht über einen professionellen Modellbauer aus Duisburg gesehen, der das MSV-Stadion nachgebaut hat. Und da habe ich mir gedacht: Das müsste doch mit einem größeren und noch schöneren Stadion auch möglich sein.

Wie bist du das große Projekt angegangen?
Der Modellbauer aus Duisburg war immer wieder vor Ort am Stadion, um sich die Bauweise anzuschauen und Maße zu nehmen. Das funktionierte in meinem Fall aber natürlich aufgrund der großen Entfernung nicht. Deshalb habe ich eine E-Mail an den HSV geschrieben, in der ich meine Idee erklärt und nach Bauplänen gefragt habe. Zu meiner großen Überraschung habe ich nur eine Woche später tatsächlich Baupläne vom HSV bekommen. So hatte ich einen Startpunkt und die wichtigsten Maße. Ich habe dann entschieden, dass ich das Stadion im Maßstab 1:100 nachbauen möchte und habe mir Holz bestellt, um zu testen, ob es überhaupt funktioniert. Das hat es dann glücklicherweise und ich habe mein Projekt offiziell am 4. Oktober 2014 gestartet.

Mit ein paar Holzleisten startete das große Projekt Stadionnachbau. Mittlerweile fehlt nur noch das Dach, das Flutlicht und die Begrünung rund um das Stadion.

Welchem Teil des Stadions hast du dich zuerst gewidmet?
Als erstes habe ich den Unterrang gebaut. Das hat recht reibungslos funktioniert und ging zügig. Ich musste im Prinzip ja nur die Holzleisten zusammenkleben. Als der Unterrang stand, habe ich mir überlegt, wie ich die Konstruktion für den Mittel- und den Oberrang bauen kann. Da gab es dann die ersten Herausforderungen, da man einige Originalteile aus dem Stadion nicht im Maßstab 1:100 nachbauen kann. Ein Beispiel dafür sind die fünf Zentimeter starken Drahtseile, die im Volksparkstadion verbaut sind. In meiner Arena müssten sie somit 0,5 Millimeter stark sein, aber das ist einfach nicht stabil. Ich habe es nun so gebaut, dass es optisch noch gleich ausschaut, aber eben auch robust ist.

Gab es weitere Schwierigkeiten?
Ja, es gab immer wieder Dinge, die ich vier oder fünf Mal bauen musste. Entweder haben sie mir nicht gefallen oder es hat einfach nicht funktioniert. Die Stadionsitze waren beispielsweise ein echtes Problem. Es hat lang gedauert, bis alle Sitze von der Breite, der Höhe etc. genau gleich waren. Meine Freizeit-Projekte vor dem Stadionnachbau waren alle nicht so filigran und feinfühlig. Das war für mich komplett neu. Die ersten 3.000 Sitze sind auch im Papierkorb gelandet. Dazu kommt, dass die Sitze ja auch alle genau in einer Reihe im Stadion platziert werden müssen. Bis ich ausgetüftelt hatte, wie man das macht… puh! (lacht) Am Ende habe ich dann die 47.000 von Hand gefalteten Sitze mit einer Pinzette und einem Lineal im Stadion eingebaut.

Das klingt unfassbar aufwendig. Hast du in den sieben Jahren keine Maschinen zu Hilfe genommen?
Nein. Alles, was im Stadion verbaut ist, ist Handarbeit. Von den angesprochenen Sitzen und den Ersatzbänken über die Außenfassade bis hin zu den VIP-Logen, die ich innen auch komplett bestuhlt habe. Apropos Logen: Auch da gab es einige Komplikationen. Im Volksparkstadion kann man von außen nicht in die Logen hineinschauen – und somit soll man es auch in meinem Modell nicht können. Da habe ich lang dran getüftelt. Am Ende habe ich mit Plexiglas gearbeitet und es mit Klarlack bemalt, damit dieser Spiegeleffekt eintritt. Das Einzige, was ich für das gesamte Projekt fertig gekauft habe, sind die vielen Figuren im Stadion. Diese habe ich aber alle selbst bemalt, damit sie auch die richtigen Farben haben. Aber der gesamte Rest ist aus Holzbrettern ausgesägt, aus Papier gefaltet, aus Plexiglas-Platten ausgeschnitten usw. Ich habe auch alle LEDs im Stadion selbst verlötet.

Bedeutet: Dein Miniatur-Stadion ist am Ende auch beleuchtet?
Ja, das ist der Plan. Im Moment fehlt in meinem Modell noch das Dach – und damit auch das Flutlicht. Aber die Logen sind schon beleuchtet. Und auch bei den Treppen und Türmen ist das Licht schon verbaut. Wenn man das Modell jetzt bei Nacht anschalten würde, wäre also bereits alles bis auf das Spielfeld taghell beleuchtet.

Manuel Preißinger nimmt teilweise lange Wege auf sich, um seinem HSV direkt im Stadion zujubeln zu können. Hier mit seiner Frau Judith, die er mit der Zeit auch mit seiner großen Fanliebe für den HSV angesteckt hat.

Das klingt alles sehr kompliziert und nach viel benötigtem Know-how. Hast du dir mal Rat von professionellen Modellbauern eingeholt?
Nein, das war alles „Learning by doing“. Einzig bei den Dachmasten habe ich einmal das Miniatur-Wunderland angeschrieben, was sie in ihrem Modell für ein Material verwendet haben. Das wäre mir allerdings zu teuer geworden, so dass ich es mir einfach so lang angeschaut habe, bis ich eine eigene Lösung parat hatte. Manchmal habe ich gewisse Arbeitsschritte auch so lang zurückgestellt, bis ich mal wieder in Hamburg war, um es mir noch einmal vor Ort anzuschauen. Mittlerweile fehlt nur noch das Dach und die Begrünung rund um das Stadion. Danach schließe ich das Flutlicht an und dann bin ich hoffentlich rund um den Jahreswechsel bzw. Anfang des Jahres 2022 komplett fertig.

Du wirst am Ende also mehr als sieben Jahre an deinem Miniatur-Stadion gearbeitet haben. Eine echt lange Zeit.
Das stimmt. Man muss dabei aber auch bedenken, dass ich das nicht professionell mache und noch einen normalen Job als KFZ-Meister habe. Ich arbeite pro Woche in etwa zehn bis 15 Stunden an meinem Stadion. Für mich ist das ein richtig guter Ausgleich. Wenn ich vom Arbeiten heimkomme und mich eine Stunde mit der Pinzette hinsetze, dann kann ich gut runterfahren.

Das ganze Projekt erfordert sicherlich eine detaillierte Planung. Wie hast du dich organisiert? Hast du dir Zwischenziele gesteckt?
Ich habe mir von Anfang an bewusst keinen konkreten Zeitplan gesetzt. Denn sonst kann es schnell zur Frustration kommen, wenn man den Plan nicht einhalten kann. Oder man baut einige Dinge nicht so genau, weil man nicht vom Zeitplan abweichen möchte. Und das war für mich keine Option. Ich habe immer gesagt: Wenn ich das Stadion baue, dann will ich es so gut es geht nachbauen.

Und du bist auf dem besten Weg, das Ziel zu erreichen. Was passiert nach der Fertigstellung mit dem Stadion?
Das weiß ich noch nicht. Ich habe das Stadion nicht mit einem konkreten Ziel gefertigt. Ich wollte es einfach nur für mich bauen. Ich habe es die ersten drei Jahre tatsächlich auch mit Absicht niemandem erzählt. Ich wollte nicht, dass die Leute ständig nachfragen, wie weit ich bin. Denn es hätte ja auch sein können, dass ich im Mittelrang ankomme und merke, dass ich es einfach nicht schaffe. Und ich wollte nicht sagen müssen: Ich habe aufgegeben. Da wäre mein Stolz ein bisschen angekratzt gewesen. (lacht) Mittlerweile ist mein Plan aber natürlich, dass das fertige Stadion irgendwo ausgestellt wird. Für meinen Keller ist es einfach zu schade. Wenn ich es irgendwann tatsächlich abgebe, ist mir eine Sache ganz wichtig: Dass es in guten Händen ist.