Als Mittelstürmer befindet man sich in der Regel dort, wo der Fußball am intensivsten ist: im Strafraum. Oder wie es in der Fußballsprache heißt: Als Neuner musst du dahin gehen, wo es weh tut. Und in der Tat, als echter Mittelstürmer gibt es immer wieder Zusammenstöße, Blessuren und mitunter leider auch schwerwiegende Verletzungen. HSV-Neuner Robert Glatzel ist von letzteren bislang glücklicherweise verschont geblieben und konnte in knapp zwei Jahren HSV bislang jedes Liga-Spiel bestreiten. Aber: Kleinere Blessuren trägt auch „Bobby“ Glatzel immer wieder davon. Und gelegentlich betroffen ist hierbei auch der Kopf.
Klar, Kopfballduelle gehören zum Arbeitsalltag eines Mittelstürmers. Mal an der Mittellinie, um hohe Bälle zu verlängern, mal im Strafraum, um Tore zu erzielen. Immer wieder besteht die Gefahr, mit dem Kopf, der Schulter oder dem Ellenbogen des Gegenspielers unliebsame Bekanntschaft zu machen. Und wenn es in der Luft mal so richtig kracht, dann gilt grundsätzlich: safety first! Denn anders als bei einem verstauchten Gelenk können Blessuren am Kopf wirklich schwerwiegende Folgen haben, weshalb es bei Kopfverletzungen auch gesonderte Regeln gibt, wie HSV-Mannschaftsarzt Wolfgang Schillings erklärt: „Vor einigen Jahren wurden die Regularien dahingehend abgeändert, dass der Schiedsrichter bei einer Kopfverletzung keinen zeitlichen Druck mehr aufbauen kann, das bedeutet: Drei Minuten lang müssen die Schiedsrichter dem Arzt Zeit lassen, um sich ein Bild von der Schwere der Beeinträchtigung zu machen“, so Schillings.
In der englischen Premier League geht man sogar noch einen Schritt weiter, „dort darf man als Trainer eine Auswechslung mehr tätigen, wenn ein Spieler aufgrund einer Kopfverletzung ausgewechselt werden muss, um falschem Ehrgeiz oder einer unvernünftigen Entscheidung vorzubeugen.“
Aber auch in der Bundesliga wurden bereits gute und wichtige Schritte eingeleitet, wie Schillings betont: „Seit 2019 ist auch ein neurologischer Part fest in die Kader-Untersuchung der DFL integriert, so dass nun neben den orthopädischen und internistischen Untersuchungen auch ein Neuro-Check durchgeführt wird. Die dabei erhobenen Befunde eines jeden Spielers werden im Falle einer Kopfverletzung als eine Art Baseline genutzt, um festzustellen, ob seine Werte nach dem Unfall von denen im gesunden Zustand abweichen.“ Aber wie stellt man im Eifer des Gefechts und vor mitunter mehr als 50.000 Fans fest, wie schwerwiegend die Verletzung am Kopf ist? „Zunächst ist es wichtig, dass der Spieler ansprechbar ist“, erklärt Schillings, „dann schauen wir, ob er einen klaren Blick hat und orientiert ist, und abschließend prüfen wir, ob er feinmotorische Bewegungen ausführen und einfache Fragen beantworten kann: Wo sind wir gerade, gegen wen spielen wir und wie steht es? Gibt es dabei keinerlei Auffälligkeiten, ist das schon mal ein gutes Zeichen.“
Doch was, wenn nicht alles normal ist? Wenn der Arzt das Gefühl hat, dass irgendetwas nicht stimmt? „Der Kopf ist definitiv ein sensiblerer Bereich als beispielsweise ein Sprunggelenk, deshalb prüfen wir lieber doppelt und veranlassen beim leisesten Zweifel die Auswechslung“, sagt der selbst noch immer aktive Fußballer, „und sobald es eine neurologische Auffälligkeit gibt oder der Spieler über Schwindel, Übelkeit, Sehprobleme oder koordinative Störungen klagt, ist das Thema ohnehin durch, dann liegt wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung vor und es geht direkt zur weiteren Untersuchung ins Krankenhaus.“
Es sind Entscheidungen, die die Ärzte binnen kürzester Zeit auf dem Platz treffen müssen, umso wichtiger ist daher das Zusammenspiel mit dem Trainerteam. Denn der Spieler selbst ist sich im ersten Augenblick häufig gar nicht der Schwere des gerade erfolgten Zusammenstoßes bewusst. „Bei den Spielern ist oftmals der erste Reflex, unbedingt weiterspielen zu wollen“, so Schillings, „selbst dann, wenn wir sehen, dass er eigentlich gar nicht mehr voll bei sich ist. Deshalb ist das Vertrauensverhältnis zwischen Trainerteam und medizinischer Abteilung so wichtig, um gemeinsam die für den Spieler richtige Entscheidung zu treffen. Wir haben mit Tim Walter glücklicherweise einen Trainer, der unsere Empfehlungen als medizinische Gutachter zu 100 Prozent mitträgt.“ Damit Glatzel & Co. auch nach einer etwaigen Kopfverletzung möglichst schnell und vor allem gesund ins Team und auf den Rasen zurückkehren können.