Und wo gibt es dabei mehr auf die Socken: in der Box oder außerhalb des Strafraums?
Es geht überall zur Sache, aber die Gangart ist außerhalb des Strafraums schon nochmal etwas härter. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Verteidiger dort mehr Risiko gehen können. Im Sechszehner kannst du nicht mit vollem Risiko verteidigen, entsprechend bekommt man dort trotz der Vielzahl an Zweikämpfen und Luftduellen weniger ab.
Du wirst auch deshalb so hart angegangen, weil deine Torquote fast schon angsteinflößend ist. Wie wichtig ist diese Quote für dich persönlich und welches Mindset muss man als Mittelstürmer mitbringen?
Du musst immer diese Gier auf Tore haben, ohne die geht’s einfach nicht. Man muss sich auch darüber ärgern, wenn man in einem Spiel mal nicht getroffen hat, es ist aber genauso wichtig, als Stürmer immer einen Mittelweg zu finden. Denn einerseits wird man vor allem an Toren gemessen, gleichzeitig aber darf man sich nicht nur über Tore definieren. Deshalb bin ich auch immer ein Typ gewesen, der am Spiel teilnehmen möchte. Ich will nicht einfach nur in der Box warten, am Ende dort drei Ballkontakte haben und daraus entscheidet sich dann, ob ich ein gutes Spiel gemacht habe oder nicht. Deshalb wollte ich mich nie allein über das Toreschießen definieren. Trotzdem will ich in jedem Spiel treffen.
Klingt nach einem schmalen Grat zwischen Matchwinner und Torkrise, den sicherlich auch die anderen großen Top-Stürmer kennen. Wie hast du denn ganz allgemein den Wandel dieser Position im Laufe der Zeit erlebt, sofern es diesen überhaupt gegeben hat?
Das ist schwer zu beantworten. Es gab die Entwicklung rund um die falsche Neun, die in meinen Augen aber eine Ausnahme wegen Messi und seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten dargestellt hat. Dennoch hat man auch in Deutschland und beim DFB probiert, diese Interpretation der Position zu übernehmen, was nicht immer gut geklappt hat. Ansonsten muss man heutzutage auch als Stürmer viel gegen den Ball arbeiten. Das hat es früher in der Form sicherlich noch nicht gegeben. Den Top-Stürmern von früher hättest du wahrscheinlich nur schwer das Anlaufen oder das Gegenpressing eintrichtern können. Heute wird der Mittelstürmer auch viel mehr gefordert. Robert Lewandowski und Karim Benzema sind diesbezüglich total komplette Spieler, die alles mitbringen. Und die zudem nicht nur Tore schießen, sondern auch viele Treffer vorlegen.
Und der klassische Mittelstürmer, wie ihn zuletzt Niclas Füllkrug bei der WM interpretiert hat, wird auch immer eine Rolle spielen?
Ja. In meinen Augen war es in den vergangenen Jahren ein falscher Ansatz, weniger auf die klassische Neun zu setzen. Man hat gesehen, für welchen Unterschied Niclas Füllkrug direkt gesorgt hat, obwohl er ja noch nicht
einmal ein Top-Stürmer einer Champions-League-Mannschaft ist. Trotzdem hat er unter Weltklassespielern herausgeragt, weil ein klassischer Mittelstürmer mit seiner Größe, dem Körper und seinem Willen immer eine besondere Präsenz einbringen kann. Man kann das nicht damit vergleichen, wenn beispielsweise ein Musiala im Strafraum in die Flanken reinfliegt. Das ist wie mit Torhütern oder Innenverteidigern. Auch der Innenverteidiger muss sich bei jeder Flanke in den Ball reinhauen, und man muss auf diesen Positionen immer wissen, dass man sich in gewissen Situationen wehtun wird. Daher wird es den klassischen Neuner immer geben.
Auf welche Stürmer hast du denn damals als Kind und Teenager geblickt?
Ich war früher komischerweise immer eher ein Fan von Zehnern. Dort war Ronaldinho ein Vorbild. Im Anschluss waren es bei den Mittelstürmern Zlatan Ibrahimovic und Cristiano Ronaldo. Von ihnen gucke ich auch heute noch Videos von damals und versuche mir Dinge abzugucken. Sie sind meine größten Vorbilder gewesen. Wie sie auftreten, welche Körperlichkeit sie haben, und natürlich wie und auf welche Weise sie ihre Treffer erzielen.
Damit wären wir wieder bei der Vielseitigkeit, die ja auch dich auszeichnet. Hast du persönlich denn auch ein Lieblingstor? Sprich: Triffst du lieber von außerhalb des Strafraums oder per Kopf?
Grundsätzlich finde ich das fast völlig egal, weil der Treffer an sich zählt. Für mich persönlich sind die Kopfballtore aber meist noch ein Stück weit besonderer. Denn früher war das Kopfballspiel trotz meiner Größe nicht meine Stärke und ein großer Kritikpunkt an mir, auch vonseiten der Trainer. Es freut mich daher umso mehr, wenn ich in die Flanken reinspringen und einen unhaltbaren Kopfball setzen kann. Früher habe ich dort noch zu häufig zurückgezogen. Das ist heute ganz anders, und das freut mich dann eben auch noch einen Tick mehr als beispielsweise ein Abstauber.
Schwingt bei deinen Toren generell auch immer ein bisschen Genugtuung mit, weil dein Karriereweg nicht linear verlaufen ist und du viele Widerstände überwinden musstest?
Ja, das ist definitiv so, bei jedem einzelnen Tor ist für mich immer ein Stück Genugtuung dabei. Für mich ist das eine Extra-Motivation, und die wird auch immer bleiben.