Im HSVlive-Interview spricht HORST HRUBESCH über seine Interpretation der Mittelstürmer-Position, deren Entwicklung im Laufe der Zeit und über Neuner, die ihm über die vielen Jahre seiner langen Karriere besonders in Erinnerung geblieben sind.
Horst, wie hast du damals die Position des Mittelstürmers interpretiert, worauf kam es zu deiner aktiven Zeit an?
Das Zentrum meines Spiels damals lag in der Box, also im gegnerischen Strafraum. Für mich ging es also primär darum, in die von beiden Außenpositionen hereingebrachten Bälle gut einzusteigen. Dabei kam mir meine körperliche Präsenz sehr zu Gute; auch dann, wenn ich mit dem Rücken zum gegnerischen Tor stand und angespielt wurde, um Bälle festzumachen. Aufgrund meiner Vorzüge, vor allem im Kopfballspiel, war ich auch im Abwehrverbund sehr gefragt – vor allem bei Standards. Ich muss allerdings auch sagen, dass ich mit meiner Spielweise in der Box abhängig von meinen Zulieferern war – daher konnte ich mich sehr glücklich schätzen, dass in meiner HSV-Zeit mit Manfred Kaltz, Caspar Memering und auch Felix Magath Spieler in meinem Team waren, die mich mit ihren gezielten Vorlagen sehr gut getroffen haben. Ohne diese Vorlagengeber hätte ich nicht ansatzweise so gut und sicher treffen können.
Wie hast du im Anschluss die Entwicklung der Position bis heute erlebt?
Aus meiner Sicht kann man auch heute noch froh sein, wenn man diese Position des Mittelstürmers so besetzen kann wie damals, auch wenn sich das Spiel verändert hat. Ein echter Neuner, also ein Mittelstürmer im Zentrum, mit einem kleineren, beweglichen Angreifer um sich herum – mit diesen Zutaten lässt sich auch heute noch etwas Gutes, Torgefährliches zubereiten. Mir hat das damals in Essen mit dem wuseligen Frank Mill neben mir und dann auch beim HSV mit Lars Bastrup oder Kevin Keegan sehr gefallen. Sicherlich haben sich die Anforderungen an den Mittelstürmer im Laufe der Zeit verändert. Er muss flexibler sein, kann nicht mehr ausschließlich auf die Bedienungen von Außen warten. In vielen Fällen ist er auch für die Arbeit gegen den Ball eine zentrale Figur. Wenn heute jemand sagt, es gäbe den klassischen Mittelstürmer nicht mehr, kann ich nur entgegnen: Doch, es gibt ihn noch, man muss ihn nur wollen.
Welche Mittelstürmer, die du selbst erlebt, trainiert oder gefördert hast, sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Darüber könnte ich ein eigenes Magazin erstellen, zumal ich selbst so viele herausragende Mittelstürmer gesehen oder live miterlebt habe. Und sie waren wirklich unterschiedlicher Art: ob nun ein Paulo Rossi bei Juventus Turin oder eben die deutschen Größen wie Uwe Seeler, Gerd Müller, Dieter Müller, Klaus Fischer. Uwe war sicherlich der Spieler und auch der Spielertyp, der mich in meiner Kindheit am meisten beeindruckt und auch in meinem Werdegang beeinflusst hat. Er war immer mein Vorbild. Später dann waren die Müllers und Klaus Fischer das Nonplusultra auf dieser Position. In den von mir betreuten U-Nationalmannschaften hatten wir auch total unterschiedliche Typen und Konstellationen, die alle etwas für sich hatten und die mir entsprechend gut in Erinnerung geblieben sind. Das galt beispielsweise für das ganz anders agierende Sturmduo Mesut Özil/Ashkan Dejagah, aber auch für Stefan Kießling und Erdal Kilicaslan. Viele Namen, tolle Erinnerungen.