Es war der 15. März 1961, ein Mittwoch, als eines der legendärsten Spiele der deutschen Fußball-Geschichte stattfand. Im Volksparkstadion empfing der HSV den englischen Meister FC Burnley zum Viertelfinalrückspiel des Landesmeistercups, der heutigen Champions League. Eine Partie mit einer solchen Strahlkraft, dass sie sogar – vollkommen unüblich für die damalige Zeit – in voller Länge im Fernsehen übertragen wurde. 30 Millionen deutsche Zuschauer schalteten den Fernseher ein, dazu kamen noch einmal rund 50 Millionen in England, Dänemark und der Schweiz. Oder anders gesagt: Fußball-Europa war Augenzeuge.
Eine solch bedeutende Partie hatte man im Volkspark noch nicht erlebt. Bereits drei Wochen vor Anpfiff des Spiels war das Stadion restlos ausverkauft. 71.000 Menschen fanden damals noch im Wohnzimmer des HSV Platz, es hätten allerdings problemlos mehr als 100.000 Karten abgesetzt werden können. Kurzum: Die Begegnung zwischen dem HSV und dem FC Burnley elektrisierte die Massen. Und die Rothosen, die das Hinspiel in England mit 1:3 verloren hatten, standen vor einer großen Herausforderung. Das Hamburger Team, das quasi nur aus Studenten und Halbprofis bestand, musste einen Zwei-Tore-Rückstand aufholen und sah sich dabei einer Mannschaft gegenüber, die ausschließlich aus Vollprofis bestand. Und nicht nur die Spieler, auch die Fans der Engländer hatten bei den HSVern tiefen Eindruck hinterlassen. „Als wir am 18. Januar auf das Spielfeld des Turf-Moor in Burnley liefen, wurden wir mit herzlichem, ehrlichem Beifall begrüßt, aber als dann wenige Minuten später die Mannschaft der Platzherren aufs Feld kam, brach sich an den hohen Wällen der Sitz- und Stehtraversen ein Beifallsorkan, wie ich ihn in meiner langjährigen Fußball-Laufbahn noch nicht erlebt habe“, wurde der damaligen Kapitän Jochen Meinke im Stadionheft zum Rückspiel zitiert. Für Stimmung wollten die Hamburger Spieler und Fans darum auch an jenem denkwürdigen Mittwoch im Volkspark sorgen. Meinke erklärte das Spiel in einem Aufruf an die Fans zur nationalen Angelegenheit und forderte Unterstützung: „Wir haben eine echte Chance, eine Runde weiterzukommen, trotz des Rückstandes von zwei Toren. Freunde, steht an diesem Mittwoch lautstark hinter uns!“
Und so strömten die HSV-Anhänger in Massen in das Volksparkstadion. Mit Hörnern, Tröten und Holzratschen ausgestattet, sorgten sie für ohrenbetäubenden Lärm und sahen, wie der HSV bereits nach sieben Minuten durch ein Tor von Klaus Stürmer in Führung ging und Uwe Seeler kurz vor der Halbzeit per Kopf die 2:0-Führung gelang. Nach dem Seitenwechsel konnten die Gäste zwar auf 1:2 verkürzen, doch der englische Jubel dauerte nicht einmal 120 Sekunden, dann erzielte Charly Dörfel das 3:1 für den HSV. Die Hin- und Rückspielbilanz war nun ausgeglichen, der Traum vom Halbfinale zum Greifen nah. Nur ein Tor fehlte den Rothosen noch, um die Sensation zu schaffen. Und dann kam Uwe Seeler! Nur fünf Minuten nach dem dritten HSV-Treffer umlief er drei Gegenspieler und bugsierte den Ball noch im Fallen in das englische Tor. 4:1. Der Volkspark bebte.
Es war dieses Spiel, das aus Uwe Seeler „Uns Uwe“ werden ließ. Denn als die Partie abgepfiffen wurde, stürmten die Zuschauer auf den Platz und trugen ihre Fußballhelden – allen voran Uwe Seeler – auf den Schultern, ebenso wie sinnbildlich auch die Presse. Die feierte die Hamburger Mannschaft nach diesem historischen Sieg – sogar in England. So schrieb der Daily Express: „Seelers rasch reagierender Verstand, seine kräftige Figur und seine schnellen Füße sowie Dörfels Düsenzeitalter-Geschwindigkeit überfuhren Burnley.“ Charly Dörfel und sein Freund Uwe Seeler – der Mann der Stunde.
Doch dieser März-Nachmittag 1961 sollte seine Spuren für weit mehr als nur Stunden hinterlassen. Für Jahre. Jahrzehnte. Bis heute. Denn der Frankfurter Journalist und Theaterkritiker Richard Kirn war so begeistert von Seelers Leistung, dass er ihn in aller Form huldigte. Uwe sei nach diesem Spiel nicht mehr nur der Junge aus Hamburg-Eppendorf, schrieb Kirn, sondern: „Uwe ist der Sohn des Landes! Er ist unser Uwe!“ Unser Uwe, uns aller Uwe, oder eben: „Uns Uwe“. Oder wie Uwes Freund Olli Dittrich alias „Dittsche“ es ausdrückte: „,Uns Uwe‘ – was heißt das eigentlich? Manche denken, es bedeutet: Uwe gehört uns. So ist das aber nicht, da würde seine Frau auch meckern. Es ist viel einfacher. ,Uns Uwe‘ heißt: Uwe ist einer von uns. Von uns allen.“ Und das ist er, egal wie berühmt und beliebt er auch war, stets geblieben. Bis zu seinem Tod, über den hinaus sein Name für immer bleiben wird.
Uwe Seeler und die Geburtsstunde seines Rufnamens: „Uns Uwe“ machte die Runde, nachdem Seeler eines seiner besten Spiele gemacht und eines der besten HSV-Spiele aller Zeiten entscheidend geprägt und mit seinen zwei Treffern zum 2:0 (links) und 4:1 (rechts) entschieden hatte. Und anschließend von den Menschenmassen im Volksparkstadion nicht nur sprichwörtlich auf Händen getragen worden war.