HSV-Trainer TIM WALTER spricht über die Ent­wicklung der jungen HSV-Mann­schaft, die Konkurrenz­situation im Team und die Heran­gehens­weise an die Rest-Rück­runde.

Zum Abschluss der ersten Trainings­woche im Jahr 2022 fand HSV-Trainer Tim Walter eine Formulierung, die nicht nur das zu diesem Zeit­punkt gerade absolvierte Trainings­lager im spanischen Soto­grande, sondern auch die voran­gegangenen Wochen und Monate rund um die Rot­hosen treffend zusammen­fasste: „Bei uns gibt es nur eine Gruppe. Das ist das Entscheidende. Und das ist die Mann­schaft. Das ist unsere große Stärke!“ Wer die HSV-Mann­schaft auf und abseits des Platzes in dem zurück­gelegten halben Jahr verfolgen konnte, der weiß, dass es sich dabei nicht um leere sport­romantische Wort­hülsen handelt, sondern die Rot­hosen in der Saison 2021/22 tat­sächlich ein Team bilden, das für klare sportliche und soziale Prinzipien steht: So imple­mentierte der HSV unter Walter in der ersten Saison­hälfte eine ebenso mutige wie spekta­kuläre Spiel­idee, die dazu führte, dass kein anderes Zweitliga-Team das Spielgerät so häufig in den eigenen Reihen hielt wie der HSV – 62,6 Prozent Ball­besitz bedeuten mit Abstand Liga­spitzenwert. Zum Vergleich: Kiel liegt mit 55,5 Prozent auf Rang 2. Darüber hinaus avancierten die Hamburger hinter dem 1. FC Heiden­heim zum lauf­stärksten Team der Liga und kassierten die wenigsten Gegentore (19). Etwaige Ausfälle von Stammkräften im Defensivverbund – mit Jonas David, Tim Leibold und Daniel Heuer Fernandes fielen zwischen­zeitlich drei Leistungs­träger gleich­zeitig aus – kompen­sierte die Mann­schaft mit einer „Next man up“-Mentalität und ging im Dezember 2021 nach 18 Spieltagen als Tabellen­dritter in die Winter­pause.

Als Macher dieser Entwicklung, die mit einem Durch­schnitts­alter von 23,16 Jahren wohl­gemerkt die jüngste Mannschaft der 2. Liga vollzieht, kenn­zeichnet Chef­trainer Tim Walter verant­wortlich. „Man sieht auf und abseits des Platzes, dass sich mehr und mehr ein echtes Team entwickelt hat und immer noch weiter­ent­wickelt. Hier leistet das Trainer­team einen ganz wichtigen Beitrag, weil es immer wieder Themen für die ganze Gruppe findet und auch außer­sportliche Reize setzt“, lobt Sportdirektor Michael Mutzel. Auf dem Platz fordert der 46-jährige Walter von seinen Spielern dabei nichts anderes als das stetige und bedingungs­lose Abrufen der eigenen 100 Prozent ein – sei es bei einer Übungs­form im Training oder beim Wett­kampf im Spiel. Abseits dessen hat der gebürtige Bruch­saler gemein­sam mit seinem Team um die Assistenz­trainer Merlin Polzin, Julian Hübner und Filip Tapalovic sowie Torwarttrainer Sven Höh, Athletik­trainer Daniel Müssig und Reha­trainer Sebastian Capel eine Atmos­phäre geschaffen, in der auch der Spaß und Zusammen­halt nicht zu kurz kommen. Eine wichtige Komponente für den mutigen Spiel­stil, den es bei all der positiven Entwicklung weiterhin zu optimieren gilt, um auch in der zweiten Saison­hälfte mit oben dabei zu sein. Wie er den Status Quo der eigenen Mann­schaft wahrnimmt, welche Aspekte noch besser werden müssen und was den HSV in der Rest-Rück­runde erwartet – darüber sprach Tim Walter im Zuge der Vor­bereitung und äußerte sich dabei unter anderem über … 

Als väterlicher Freund, harter Arbeiter und Mann der klaren Ansagen – so führt Fußballlehrer Tim Walter seine Schützlinge und bereitete die Rothosen zu Beginn des Jahres im spanischen Sotogrande auf die Rest-Rückrunde vor. 

… den Spirit innerhalb der Mann­schaft: Die Jungs haben immer eine hohe Bereit­schaft und ziehen überragend mit. Sie legen eine besondere Energie an den Tag. Am Ende des Trainings­lagers hat man zum Beispiel gemerkt, dass sie echt richtig platt sind, und dennoch haben sie dann im ab­schließenden Testspiel gegen Karlsruhe ein Feuer­werk abgebrannt, weil sie so voller Leiden­schaft und Energie sind. Das macht richtig Freude und daran müssen wir weiter­arbeiten. 

… die Konkurrenz­situation: Alle wollen spielen – und zwar von Beginn an. Das macht es für uns als Trainer­team sehr angenehm, weil jeder im Training Voll­gas gibt. Deswegen gibt es auch keine schlechte Stimmung, weil jeder weiß, dass er die Chance hat, zu spielen. Das machen die Jungs herausragend, daher müssen wir uns über solche Themen überhaupt keine Gedanken machen. Wir haben alle die gleichen Ziele, zu denen wir uns gemeinsam verpflichtet haben: Wir wollen Spiele gewinnen und uns weiter­ent­wickeln. Es ist egal, ob jemand spielt oder nicht spielt. Bei mir ist niemand außen vor. Wir brauchen nicht über den Einzelnen zu reden, sondern immer über alle.   

… Demut innerhalb der Mann­schaft: Wir sind und bleiben immer bei uns. Wir sind eine Mannschaft, die über Energie und Bereitschaft kommt und da ist es gut, wenn man nicht abhebt, sondern stets geerdet bleibt. Diesbezüglich gehen die Jungs mit gutem Beispiel voran, so dass ich nicht davon ausgehe, dass die Mann­schaft die Boden­haftung verliert. 

… die Heran­gehens­weise an die Rück­runde: Für uns ist das nächste Spiel immer das Wichtigste. Dement­sprechend gehen wir es an. Wir blicken nicht auf Spiele im Voraus, sondern schauen immer auf uns und wollen unser Spiel so spielen, wie wir es die ganze Zeit gemacht haben. Dabei gibt es immer nur eine Belastung – und die lautet Vollgas. Wir legen das Haupt­augen­merk auf uns. Zugleich werfen wir im Gedanken immer auch ein kleines Auge auf den Gegner, da wir keinen Gegner unterschätzen dürfen. Denn die Liga ist unglaublich eng, die Qualität sehr ausgeglichen.  

… Druck im zu­nehmenden Saison­verlauf: Fußball spielen zu dürfen, gehört zu den schönsten Dingen, die es gibt. Wir schauen nicht pessi­mistisch, sondern optimistisch in die Zukunft. Was wir bisher mit dieser jungen Truppe abge­liefert haben, war ein guter Anfang, so dass wir uns noch mehr auf die kommenden Aufgaben freuen. Es ist immer nur ein Spiel richtungsweisend, und zwar das nächste.

… Spiele ohne Zuschauer: Die Corona-Pandemie betrifft uns deutschland­weit in allen Bereichen. Wir akzeptieren die Bedingungen so wie sie sind, da wir sie am Ende nicht großartig beein­flussen können. Bisher hatten wir 80 Millionen Bundes­trainer im Land, nun kommen 80 Millionen Corona-Spezialisten hinzu. Wir müssen uns hier nicht auch noch einmischen, sondern möchten uns auf das beschränken, was wir beein­flussen können, und das ist der Fuß­ball. Wir freuen uns extrem, dass wir in dieser Pandemie überhaupt unserer Berufung nachgehen können.  

… die Rück­kehr von Keeper Daniel Heuer Fernandes: Ich habe immer gesagt, dass „Ferro“ unsere Nummer 1 ist. Er gibt unserem Spiel ein anderes Format. Für uns ist es wichtig, dass wir in Situationen, in denen wir unter Druck geraten, weiter Fußball spielen. „Ferro“ hat am Fuß immer eine Lösung parat, initiiert den Spiel­auf­bau und ist auch mit seiner Erfahrung ein Stück weiter als Marko (Johansson, Anm. d. Red.), der es als Vertretung über­ragend gemacht hat, am Fuß aber noch zulegen muss. Und das wird er auch noch, da bin ich mir sicher.