Im HSVlive-Interview spricht Innenverteidiger SEBASTIAN SCHONLAU über die besondere DNA der HSV-Mannschaft, seine spezielle Rolle im Spielsystem von Trainer Tim Walter und seine persönliche Verwandlung vom „ewigen“ SCP-Eigengewächs zum HSV-Kapitän mit klarer Kante.

Wenn Sebastian Schonlau etwas anpackt, dann haben die Aktionen fast immer Hand und Fuß. Das gilt nicht nur für die Action auf dem Platz, wo der zu Saison­beginn vom SC Pader­born neu verpflichtete Abwehr­chef mit Abstand die meisten Ball­aktionen und gespielten Pässe aller Zweitliga-Spieler verbucht, sondern auch für das Geschehen abseits des Grüns, wo der 27-jährige War­burger seiner Rolle als Kapitän mit einem sehr besonnenen und teamorientierten Führungs­stil ebenso gerecht wird. Ruhig, sachlich und kontrolliert – so präsentiert sich der Innen­verteidiger auch im ausführ­lichen HSVlive-Gespräch und lässt in seinen Aussagen dabei stets das nötige Maß an Selbst­bewusst­sein und Gerad­linigkeit mitschwimmen. „Bascho“ vermittelt und verkörpert das Selbst­verständnis einer mutigen HSV-Mannschaft, die als Kollektiv und in ihren Einzel­teilen gewachsen ist und in der Rück­runde ihre Entwick­lung weiter vorantreiben will. Wie das gelingen soll und wie Sebastian Schonlau seinen jüngsten Karriere­schritt – vom SCP-Eigen­gewächs zum neuen HSV-Kapitän – erlebt und vollzogen hat, erklärt der Rechts­fuß im großen HSVlive-Interview. 

Bascho, das Jahr 2022 hat begonnen, was hältst du ganz generell von Neu­­jahres­vorsätzen? 

Für mich ist das ein schwieriges Thema. Ein Jahres­­wechsel gibt immer die Möglichkeit, um das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen, sich vor Augen zu führen, was schief­ge­laufen ist und was gut war, so dass man vielleicht zu dem einen oder anderen Vorsatz kommen kann. Wenn man sich aber wirklich etwas vor­nehmen will, dann muss man nicht auf Silvester oder Neu­jahr warten, um zu sagen: Ab jetzt fange ich an. Das kannst du auch an jedem anderen Tag im Jahr machen.  

Hattest du dennoch Momente, in denen du mal auf das vergangene Jahr zurück­geblickt und dir Vor­sätze für 2022 vorge­­nommen hast? 

Ich war in der kurzen Winter­­pause ein paar Tage im Urlaub in Öster­­reich und hatte dort Zeit zum Nach­­denken. Schließ­­lich ist für mich persön­­lich auch eine Menge passiert mit meinem Wechsel zum HSV, zumal ich ja auch direkt Kapitän wurde. Das war eine aufre­gende Zeit, die ich sicherlich auch nochmal etwas verarbeiten musste. Für das neue Jahr habe ich mir vorge­nommen, die vielen kleinen Dinge im Leben eines Profi­sportlers noch besser zu machen. In puncto Regenera­tion, Trainings­­bereit­­schaft und Leistungs­­fähig­keit kann man sich immer verbessern.

Sprechen wir über aufregende Zeiten: Unter Trainer Tim Walter steht der HSV in dieser Saison seit dem 1. Spiel­tag für einen sehr aktiven und spekta­kulären Spielstil. Wie würdest du eure DNA als Mann­schaft skizzieren?

Wir sind mutig, offensiv und dominant, um drei Schlag­worte zu nennen, die uns ganz gut be­schreiben. Genauso gut wollen wir aber auch aggressiv und hart verteidigen und aktiv im Gegen­pressing agieren. Unterm Strich wollen wir immer eklig sein. All diese Komponenten wurden im Saison­verlauf mehr und mehr sichtbar.    

Hast du das Gefühl, dass dies innerhalb der Liga auch wahr­ge­nommen wird?

Ich bekomme dies­be­züglich ein gutes Feed­back. Viele Mann­schaften haben Probleme gegen uns. Es ist schwierig, uns bei unserem Auf­bau­spiel anzu­pressen, auch wenn es einige Teams immer mal wieder versuchen. Selbst nach dem Hannover-Spiel, das wir leider verloren haben, kam aus den Hannoveraner Reihen, dass sie eigent­lich nicht richtig wussten, wie sie uns verteidigen oder attackieren sollten. Man hört häufiger, dass es vielen gefällt, wie wir Fußball spielen.

Du persön­lich nimmst im System von Tim Walter als Innen­verteidi­ger eine wichtige Rolle ein. Inwie­weit hat er dir nochmal neue Aspekte auf dieser Position eröffnet, die du vorher vielleicht in der Form nicht wahr­ge­nommen hast?

Tim Walter lässt auf dieser Position schon unter­schiedlich zu vielen anderen Trainern, wahr­schein­lich sogar zu allen anderen Trainern, spielen. Er will, dass die Innen­ver­teidiger immer mit im Spiel sind. Wir müssen und dürfen extrem viel rotieren, sind dadurch sehr variabel und das zeichnet unser Spiel auch aus. Diese Art, Fußball zu spielen, macht riesigen Spaß, weil du immer aktiv bist, immer am Spiel­geschehen teil­nimmst und immer am Ball sein kannst. 

Zu Beginn der Saison entstand der Ein­druck, dass der offensive Spiel­stil mit dem hohen Risiko verknüpft ist, immer auch ein Gegen­tor kassieren zu können. Nun stellt ihr die beste Abwehr der Liga. Gibt es eine Erklärung dafür? 

Wir glauben, dass unserer Spiel­stil nicht so riskant ist, wie er von vielen gesehen wird. Ich kann verstehen, dass es für viele Zuschauer auch mal aufregend ist, wenn wir im Sechs­zehner ein paar Kurz­­pässe spielen, aber wirklich effektiv haben wir aus diesen Situationen heraus noch kein Gegen­­tor bekommen. Vielmehr haben wir es im Verlauf der Saison geschafft, direkt immer im Gegen­pressing zu sein und die Männer zu markieren, so dass die Gegner mittler­­weile selten über Konter zu gefähr­lichen Tor­chancen kommen. Und am Ende des Tages haben wir auch einfach zwei sehr starke Tor­hüter, die es richtig gut gemacht haben. 

Hattest du irgend­­wann mal das Gefühl, dass sich der Gegner besonders gut auf euer Spiel­system eingestellt oder es sogar dekodiert hat? 

Ich denke schon, dass sich viele Gegner unsere Spiel­weise ganz genau ansehen und sich dagegen häufig etwas Unter­schied­liches einfallen lassen: Mal stehen sie ganz tief, dann ver­suchen sie hoch oder mittig anzu­pressen und dann gibt es Teams wie Ingol­stadt, die uns über den ganzen Platz Mann-gegen-Mann verteidigt haben. Darauf müssen wir uns immer wieder ein­lassen und neue Lösungen finden. Klar, gegen Schalke hatten wir unsere Probleme, hinten heraus­zu­kommen, aber ich würde nicht sagen, dass sie uns dekodiert haben, sondern wir an dem Tag einfach nicht so mutig in unserem eigenen Offensiv­spiel waren.

Verliert man in solchen Spielen wie gegen Schalke auch mal den Mut und das Ver­trauen ins eigene Spiel, wenn der Gegner erfolgreich hoch an­presst? 

Wenn du merkst, dass der Gegner extrem viel Druck macht und du nicht so in deiner Komfort­zone bist, dann über­denkt man den mutigen Pass sicher­lich einmal. Aber uns wird es vom Trainer einge­trichtert, dass wir es immer versuchen sollen. Wir wollen immer mutig sein! Das kriegst du von der Birne vielleicht nicht immer hin, aber es ist zumindest unser ständiger An­spruch. Es ist auch mal okay, den langen Ball zu schlagen, aber prinzipiell ist es das Ziel, die spieler­ische Lösung zu suchen.    

Stichwort Mut: In der Innen­ver­teidigung standest du zunächst an der Seite von Jonas David und dann neben Mario Vuskovic auf dem Platz. Jonas ist 21 Jahre alt, Mario 20. Wie hast du ihre Leistungen wahr­genommen?  

Beide haben es richtig, richtig gut gemacht. Da spielt das Alter für mich gar keine so große Rolle. Natürlich besitzen sie noch nicht so viel Erfahrung wie andere Spieler, aber das machen sie mit Ein­satz, Wille und Kampf­geist wett. Beide können gut Fußball spielen und sind tolle Zwei­kämpfer. Mir macht es riesigen Spaß, mit ihnen auf dem Platz zu stehen, da ich mich voll auf sie verlassen kann. 

Erinnern dich die Jungs dabei auch mal an den jungen Sebastian Schonlau? 

(schmunzelt) Nur begrenzt – in dem Alter, in dem sie jetzt sind, war ich noch längst nicht so weit wie die beiden. Da hatte ich allein schon körper­lich einiges zuzu­legen. 

Und wie war und ist es, im Abwehrzentrum die Rolle des An­leiters einzu­nehmen?    

Vor ein paar Jahren war ich noch der jüngere und sozusagen unver­brauchte Innen­ver­teidiger, der vielleicht etwas freier auf­spielen kann als derjenige, der über mehr Erfahrung verfügt und Verant­wortung über­nehmen muss oder darf. Jetzt hat sich das Blatt gewendet und ich nehme gern die Rolle des Anleiters für die jüngeren Spieler wahr. Zumal sie es mir wie gesagt mit ihrer Einstellung einfach machen. 

Inwieweit konntest du dir dies­bezüglich etwas von Uwe Hüne­meier abgucken, der dich in Pader­born als Innen­verteidiger angeleitet hat?

Von Uwe Hüne­meier kann man sich generell sehr, sehr viel abgucken. Uwe ist mittlerweile 36 Jahre alt und spielt immer noch auf sehr hohem Niveau Fußball. Der Bursche ist noch immer hoch­motiviert und pfeift die Jungs auch mal kräftig zusammen, wenn es nicht so läuft, wie er sich das vorstellt. Er ist ein absoluter Vollprofi. Wenn ich einen Vollprofi beschreiben müsste, dann wäre das Uwe Hünemeier. 

Nicht nur direkt neben, sondern auch hinter dir im Tor und neben dir auf den Außen­verteidiger­positionen wurde der Abwehr­verbund verletzungsbedingt mehr­fach verändert. Ist das ein wichtiges Zeichen für die Breite des Kaders, dass ihr dennoch so stabil geworden seid? 

Absolut. Das zeigt, dass wir die Aus­fälle, die uns richtig weh­getan haben – wie zum Beispiel das Saisonaus von Tim Leibold oder das wochen­lange Fehlen von Daniel Heuer Fernandes – kompen­sieren konnten, weil wir viele Jungs in der zweiten Reihe haben, die problemlos in diese Lücken rein­springen können und diese auch richtig gut ausfüllen.

Wie war es für dich selbst, als Neu­zugang in diesem neuen System zurechtzukommen? 

Ich muss zugegeben, dass es am Anfang sehr viel war. Ich bin hergekommen und wusste nicht so richtig, was mich erwartet. Zudem kannte ich die Mitspieler kaum und hatte nur mit meinem früheren SCP-Kollegen Klaus Gjasula einen echten Fixpunkt. Dann kam das Spiel­system und ich weiß noch genau, dass ich in den ersten zwei Wochen gar nicht wusste, wo ich hinlaufen soll. Das war einfach komplett unter­schiedlich zu allem, was ich zuvor gespielt hatte. Da hätte man mich besser nicht im Training gesehen, denn das war sicherlich nicht so richtig gut von mir. (lacht) Im Laufe der Vor­bereitung wurde es aber immer besser, so dass ich nicht länger über alles nach­denken musste.

Wie hast du insge­samt den nächsten großen Schritt in deiner Karriere wahrge­nommen? Schließlich hast du nach vielen Jahren beim SC Paderborn erstmals so richtig deine Heimat in Ost­west­falen verlassen und bist dann gleich in einer Millionen­stadt bei einem der größten Fuß­ball­clubs in Deutsch­land gelandet. 

Für mich war es in erster Linie wichtig, dass ich überhaupt raus aus meiner Heimat gekommen bin. Ich war extrem lange in Paderborn und brauchte einfach mal eine Verän­derung. Und zwar sportlich und menschlich, um mich weiter­zuent­wickeln. Die räumliche Entfernung und die Erfahrung, wie es ist, komplett auf eigenen Beinen zu stehen, tun mir richtig gut. Auch die Herausforderung, sich in einer neuen Mann­schaft zurecht­zufinden, war eine neue Erfahrung. Vor dem ersten Trainings­tag war ich schon nervös, wusste nicht, wie die Jungs und auch der Verein an sich ticken. Prinzipiell kann ich sagen, dass ich mich von Anfang an richtig wohl­gefühlt und genau das vorge­funden habe, was ich gesucht habe. Ich wollte zu einem Traditions­verein mit vielen Fans und richtig guten Bedingungen, in dem toller Fußball gespielt wird. 

Dein Vater hat uns in einem Gespräch ein­mal verraten, dass er es beein­druckend findet, wie groß alles rund um den HSV ist. Wie war und ist dein Gefühl, wo du jetzt seit einem halben Jahr dabei bist? 

Ich muss zunächst ein­mal sagen, dass es im Club deutlich ruhiger zugeht, als ich es mir im Vorfeld vorge­stellt habe. In den letzten Jahren hat man immer viele Stories über den HSV gelesen. Dabei hatte ich den Eindruck, dass es in schwierigen Phasen schnell drunter und drüber geht. Doch das ist jetzt gar nicht so. Ich finde es richtig, richtig gut, mit welcher Ruhe und Kontinui­tät hier gearbeitet wird. Ansonsten ist beim HSV in der Tat alles deutlich größer: Als Beispiele fallen mir das erhöhte Medien­aufkom­men, das große Stadion und das Essen für uns Profis ein. Wir haben hier durch die Köche vom HSV-Campus eine extrem gute Ver­pflegung. Wir können es als Fuß­ball­profis genießen, jeden Tag hervor­ragen­des Essen zu bekommen. Auch solche Aspekte zählen zu einem großen Verein.     

Jetzt bist du darüber hinaus auch noch auf Anhieb zum HSV-Kapitän ernannt worden. Wie hast du das erlebt?

Das kam zunächst einmal über­raschend, war zugleich für mich als Neu­zugang aber auch eine große Chance, weil ich in Hamburg ganz anders als in Paderborn auftreten konnte. In Pader­born kannte mich jeder schon gefühlte zehn bis 15 Jahre. Hier war ich ein weitest­gehend unbe­schriebenes Blatt. Die Jungs wussten vielleicht, wie ich Fuß­ball spiele, aber nicht wie ich als Typ ticke. Das konnte ich für mich nutzen, mich in gewisser Weise noch einmal neu erfinden und weiter­entwickeln. Ich denke, diese Chance habe ich genutzt, auch wenn es anfangs etwas surreal war, dass ich jetzt HSV-Kapitän bin. 

Gab es dies­bezüglich Momente, in denen dir das speziell vor Augen geführt wurde? 

In meinem näheren Umfeld gab es schon die eine oder anderen Person, die gesagt hat: „Krass, du bist jetzt HSV-Kapitän.“ Besonders die älteren Semester, die in den 50er- oder 60er-Jahren geboren sind, verbinden ja noch sehr viel rosigere Zeiten mit diesem Club und kennen noch ganz andere Kapitäne. Für sie ist es besonders, dass ich jetzt in der Reihe dieser Kapitäne vorzufinden bin. Und für mich ist das natürlich auch der Wahn­sinn. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich die Mann­schaft am Spiel­tag als Erster aufs Feld in dieses großartige Stadion führen darf.        

Als Kapitän bist du immer auch ein wichtiger Bezugs­punkt für den Trainer und die Mitspieler. Wie würdest du den Spirit innerhalb der Mann­schaft beschreiben? 

Vor der Saison hat es einen kleinen Umbruch mit vielen neuen und vor allem jungen Spielern gegeben. Doch mit der Zeit sind wir mehr und mehr zusammen­gewachsen und tun das noch immer. Es ist schön, wenn du spürst, dass sich alle gut ver­stehen, sich gleichzeitig auf dem Feld aber auch mal ein paar Sachen an den Kopf werfen können. Es ist wichtig, dass du trennen kannst, was auf dem Platz passiert und was danach in der Kabine geschieht. Hier gibt es eine klare Struktur und Hierarchie, in der wirklich jeder mit jedem kann. Dabei kommt der Spaß in dieser Truppe nicht zu kurz. Unsere Mann­schaft ist selten ein stiller Haufen. Es ist immer etwas los und das ist für eine Fußball­mannschaft ganz, ganz wichtig. 

Inwie­weit hast du dort als Kapitän auch mal ange­trieben? Gab es zum Beispiel gemeinsame Teamabende? 

Klar, als Mann­schafts­rat versuchen wir solche Events immer wieder einzustreuen. Wir waren in dieser Saison zum Beispiel beim Go-Kart-Fahren. Die Mann­schaft hat das klasse ange­nommen, hatte riesigen Spaß und wollte gar nicht mehr auf­hören. In meinen Augen sind das Aktivitäten, die du als Gruppe machen musst, damit du dich auch mal besser kennen­lernen kannst, wenn die Pille nicht dabei ist, sondern vielleicht auch mal ein Schluck Wein oder Bier. Dann lernst du die Leute erst so richtig kennen. 

Wer war beim Kart­fahren der „Schumi“ auf der Bahn?

„Ferro“ war der portu­giesische Michael Schu­macher. (lacht) Er war mit Abstand der beste Fahrer. Aber auch Sonny Kittel war nach hinten heraus echt gut.   

Wie führst du generell als Kapitän? Wir haben dich im Training in den Spiel- und Wett­kampf­formen beobachtet. Du scheinst kein un­glaublich laut­starker Spieler zu sein, sondern vor allem auch mit gutem Beispiel voran­zugehen. Täuscht dieser Eindruck? 

Es ist ein Mix. Ich kann und muss auch mal lauter werden, versuche aber gleich­zeitig immer meine Leistung für mich sprechen zu lassen. Ich will zeigen, mit welchem Engage­ment man auf­treten sollte und muss. Wenn du deine Leistung bringst, dann ist es immer leichter, mit deinen Inhalten auch Gehör zu finden. Dafür muss ich aber nicht im gesamten Training schreien und auf mich auf­merk­sam machen, sondern kläre das vielleicht auch mal nach der Einheit im persön­lichen Gespräch. Ich werde niemals der Typ sein, der durch­gehend mit 180 Dezibel herum­schreit. 

Welche Entwicklungs­schritte müsst ihr trotz des guten Zusammen­halts als Mann­schaft im Zusammen­leben noch machen?

Wenn du erfolgreich bist, dann ist es ein Stück weit menschlich, einen Schritt weniger zu gehen. Da sind wir Führungs­spieler besonders gefragt, weil wir diese Gefahr als erfahrene Spieler kennen. Die jungen Spieler denken in solchen Phasen vielleicht, dass man sich nach ein paar Siegen in Serie in einem Flow befindet, wo plötzlich der Erfolg von selbst kommt. Doch das ist immer trügerisch. Hier müssen wir immer ein Auge draufhaben und uns immer weiter­entwickeln. Wir haben in dieser Saison zum Beispiel noch keine drei Siege in Folge geholt. Das muss ein Ziel von uns ein, das wir aber nur dann erreichen werden, wenn wir immer fokussiert sind und mit hoher Intensität arbeiten. Und zwar nicht nur generell, sondern auch im Spiel über die vollen 90 Minuten. Denn wir hatten in dieser Saison auch Spiele, in denen wir für 15 bis 20 Minuten passiver wurden und den Gegner ins Spiel geholt haben. Diese Phasen wollen wir best­möglich verkürzen.   

In den vergangenen drei Jahren kam es beim HSV nach einer starken Hinrunde jedes Mal zu einem Bruch in der Rück­runde. Worauf wird es ankommen, um den dieses Mal zu verhindern? 

Wir sollten in meinen Augen über­haupt nicht mehr über die vergangenen drei Jahre nachdenken. Es ist eine neue Saison mit neuen Spielern. So ergeht es nicht nur mir, sondern zum Beispiel auch einem Jonas Meffert. Für uns ist das gar kein Thema. Wenn wir mit der gleichen Konzen­tration und Moti­vation in die Spiele und Trainings­einheiten gehen, dann kann uns ein solcher Bruch nicht passieren. Wenn ich das so selbst­bewusst formulieren darf: Wir sind immer verant­wortlich dafür, wie das Spiel auf dem Platz ausgeht, und nicht der Gegner. Wir haben es immer in der eigenen Hand und müssen den Weg, den wir einge­schlagen haben, genauso weiter­gehen.

Auf welche Spieler kommt es dabei an? Wer sind neben Jonas Meffert und dir die tragenden Säulen dieser Mann­schaft? 

Wir haben Sonny, der sportlich extrem wichtig für uns ist und auch menschlich eine tragende Rolle über­nommen hat. Hinzu kommt „Ferro“, der ein paar Dinge in seiner Karriere erlebt hat, immer motiviert ist und viele Komman­dos über­nimmt. Doch genauso wichtig ist auch ein Tom Mickel, der den HSV in- und auswendig kennt. Tommy ist immer voll dabei, weiß häufig, was wichtig für die Mann­schaft ist. Auf diese Typen wird es mit ankommen.  

Du selbst hast mit dem SC Pader­born mehrfach bis tief in die Saison um die oberen Plätze mitge­spielt, hast zwei Aufstiege gefeiert. Was sind die wichtigen Faktoren für einen langen Atem?

Es hilft dir nicht, wenn du am 3. oder 27. Spieltag oben stehst. Davon hast du am Ende nichts. Man tut gut daran, nicht den ganzen Tag auf die Tabelle zu gucken. Das erzählt dir zwar jeder und es scheint wie eine Floskel, aber wenn du die ganze Zeit nur hoffst, dass die anderen verlieren, dann verlierst du dich nur selbst und vergisst, deine eigenen Haus­auf­gaben zu machen. Es ist zum Beispiel der völlig falsche Ansatz zu sagen, dass in der Rück­runde noch direkte Duelle mit St. Pauli und Bremen an­stehen und man alle anderen Spiele schon irgendwie gewinnen wird. Nein, jedes Spiel und jeder Gegner verdient die maximale Auf­merk­samkeit.        

Welche Rolle spielen in diesem Zusammen­hang die körper­liche und mentale Frische? Schließ­lich war die Winter­pause dieses Mal extrem kurz und die Spiel­pläne sind durch die Corona-Pandemie extrem eng getaktet, so dass es so wirkt, als drehe man sich als Profi­sportler in einem Hamster­rad.

Es ist eine komische Zeit, aber wir als Zweitliga-Spieler haben keine inter­nationale Belastung. Das ist noch völlig in Ordnung. Wir spielen noch zwei englische Wochen in der Rest-Rück­runde. Wir sind Profis und sollten das körperlich weg­stecken. Natürlich wird es zum Saison­end­spurt vom Kopf her anstrengend, aber das ist immer so und ein Stück weit normal. In meinen Augen trifft es die Bundesliga-Clubs, die auch noch inter­national spielen, dies­be­züglich sehr viel härter.    

Abschließend: Wie wichtig kann für die Rest-Rück­runde das gemeinsame Trainings­lager in Sotogrande werden? War es ein guter Vorsatz, zum Jahresbeginn hier nochmal in einer anderen Umgebung zusammen­zukommen? 

Wenn du in die Sonne fährst, kannst du immer Kraft tanken. Auch das Training macht unter diesen Bedingungen mehr Spaß als bei Schnee­schauern und Hagel in Hamburg. Es ist schön, dass uns diese Reise ermöglicht wurde. Wir waren komplett isoliert, nur unter uns, konnten uns viel mit­einander unter­halten und haben viel zusammen er­lebt. Es war wichtig, dass wir diesen Start­schuss für das Jahr 2022 gesetzt haben. Jetzt gilt es, in der Liga Leistung zu bringen, damit wir auch in ein paar Wochen und Monaten mit Freude auf diese Zeit zurück­blicken können.