Im ausführlichen HSVlive-Interview spricht Defensiv­allrounder KLAUS GJASULA über sein Image als Ab­räumer, seinen besonderen Lebens­weg von Tirana über Freiburg bis nach Hamburg und seine ebenso ereignis- wie lehrreiche Premieren­saison beim HSV.

Wenn Klaus Gjasula auf dem Platz zum Tackling oder zur Grätsche ansetzt, dann wird’s für jeden Gegen­spieler unge­mütlich. Der 31-jährige Defensiv­spezialist ist ein Abräumer der alten Schule, setzt im Zwei­kampf seine Körper­größe von 1,92 Metern und seine Gewichts­masse von 84 Kilo­gramm mit jedem Zentimeter und jedem Gramm maximal gewinnbringend ein. Seine robuste Spiel­weise gepaart mit seinem Carbon-Helm brachten ihm in den Medien den Spitz­namen „Gladiator“ ein. Als solcher arbeitete sich Gjasula im vergangenen Jahr­zehnt von der Verbands­liga hoch bis in die Bundes­liga, debütierte 2019 sogar für die albanische National­mann­schaft und trug sich zugleich in der Vor­saison mit 17 Gelben Karten in die Rekord­bücher der Bundes­liga ein. Keine Frage, Klaus Gjasula ist der von Fußball­romantikern vielfach gesuchte und im modernen Fuß­ball oftmals vermisste Typ mit Ecken und Kanten, der sein ganz eigenes Image verkörpert. Wie er selbst darüber denkt, worin die Wurzeln seiner Spiel­weise liegen und warum er als Neuzugang beim HSV zunächst wieder den Schlüssel zu sich selbst finden musste, verrät der beid­füßige Mittel­feld­spieler im ausführ­lichen HSVlive-Interview.  

Klaus, in den Medien trägst du den Spitznamen „Gladiator“ – wie gefällt er dir?  

Ich finde ihn cool, denn der Spitz­name hat etwas. Unab­hängig von meiner Person mag ich den Holly­wood-Film „Gladiator“ auch sehr. Daran erinnert er mich. Zudem kann ich auch im Hin­blick auf mich selbst und mein Spiel damit etwas verbinden. 

Im alten Rom wurden Schwert­kämpfer so bezeichnet, die auf Leben und Tod gegen andere Gladiatoren oder wilde Tiere kämpften. Gibt es auf dem Fußball­platz auch Gladiatoren?

Natürlich kann man das nicht direkt mit­einander vergleichen, aber es gibt im Fuß­ball schon immer wieder Spieler­typen, die sprich­wörtlich ihr letztes Hemd geben. Zu dieser Sorte zähle ich mich auch. Ich bin ein Spieler­typ, der alles auf dem Platz lässt, auch wenn mein Start in Hamburg nicht optimal verlief und die Fans das noch nicht so richtig kennen­lernen durften.

In den vergangenen Jahren stand dein Name definitiv für kompromiss­losen und kampf­betonten Fuß­ball. Zählst du damit zu einer aus­sterbenden Spezies im modernen Fuß­ball?

Ich denke, dass sich der Fußball dies­bezüglich auf jeden Fall verändert hat. Die junge Spieler­generation ist durch die guten Strukturen im Nach­wuchs in vielen Bereichen wirklich top ausge­bildet, gleich­zeitig gibt es aber immer weniger indivi­duelle Typen. Ich persönlich finde das schade. Und zwar nicht, weil ich persönlich vielleicht auch zu dieser Spezies gehöre, sondern ganz allgemein, weil jede Sportart solche Typen braucht. Sie geben einer Mann­schaft, was benötigt wird – besonders in schwierigen Zeiten. In meinen Augen hat der Fuß­ball im Vergleich zu vor zehn bis 15 Jahren, als es diese Typen noch in jedem Club gab, definitiv etwas verloren. Es ist nicht mehr das Gleiche wie früher. 

An welche Typen denkst du da konkret? 

Ich denke zum Beispiel an Spieler wie Michael Ballack, Paul Scholes, Rio Ferdinand, Mark van Bommel und viele, viele mehr. Diese echten Typen sterben im Fu­ßball lang­sam aus. Auch ein Francesco Totti – das ist ein Spieler gewesen, der zu jedem Club auf der Welt hätte wechseln können, aber er ist immer bei der AS Rom geblieben. Wahr­scheinlich war es einfach in seinem Herzen, dass Rom seine Stadt und die AS sein Verein ist. Sowas ist heut­zutage leider immer seltener.

Du bist nicht nur auf­grund deiner Spiel­weise und Statur ein Typ mit Ecken und Kanten, sondern trägst deinen Spitz­namen auch aufgrund des äußeren Erscheinungs­bildes. Du trägst seit 2013, als du dir das Jochbein gebrochen hast, einen Helm, der mittler­weile aber weniger als Schutz, sondern als Talisman dient. Was würde eigentlich passieren, wenn der Helm mal nicht zur Verfügung steht? 

Dann würde ich einfach ohne spielen. (lacht) Natürlich fühle ich mich wohl mit ihm und habe mich extrem daran gewöhnt. Er gehört für mich schließlich wie die Schien­bein­schoner dazu. Ich bin aber nicht zwingend ein aber­gläubischer Mensch, kenne das Gefühl ohne Helm aus dem Training und würde daher keine weichen Knie bekommen, wenn er mal nicht da wäre.     

Du hast dich im Sommer bei deiner Vorstellung als HSV-Neuzugang als „absoluter Mentalitäts­spieler“ bezeichnet. Wie definierst du für dich persönlich den Begriff Mentalität? 

Ich bin ein Mensch, der niemals aufgibt – egal wie aus­sichts­los die Situation erscheint. Dies spiegelt auch mein Werde­gang wider. Ich bin von weit unten gekommen, habe auf meinem Weg bis hierhin fast alle Ligen durchquert und mit­genom­men. Für mich ist der entscheidende Punkt, niemals aufzu­geben und immer daran zu glauben, dass du es schaffen kannst. Das gilt für mich nicht nur für ein Fußball­spiel, in dem man hinten­liegt, sondern für das Leben im Allge­meinen. 

Wird man mit so einer Denk­weise geboren oder ent­wickelt sie sich über die Jahre durch verschiedene Erlebnisse? 

Ich glaube, dass sich sowas mehr entwickelt. Jeder hat einen anderen Weg und abhängig davon, wie sich dieser gestaltet, formt sich auch die Denk­weise. Natürlich kann es sein, dass man auch mit gewissen Eigen­schaften geboren wird. Die Frage ist dann nur, ob das im weiteren Leben auch zur Geltung kommt oder nicht. Vielleicht besitzt eine Person ganz viel Mentalität, lebt diesen Aspekt aber unbewusst gar nicht aus. 

Wie war das bei dir? 

(überlegt lange) Das ist eine gute Frage. Ich wollte als Kind oder auch in der Jugend, wenn man mit Kumpels gekickt hat, schon immer gewinnen, aber es gab sicherlich Freunde, die nach einer Nieder­lage wütender waren als ich. Für mich war das damals nicht so schlimm. Doch das hat sich spätestens dann geändert, als ich von zuhause wegge­zogen bin und in der Ober­liga und Regional­liga gespielt habe. Dort habe ich gemerkt, dass ich mehr machen muss als andere, um nach vorn zu kommen. In der U23 vom MSV Duisburg habe ich als 23-Jähriger mit vielen Jüngeren, meist 18-Jährigen zusammen­gespielt. Da habe ich gemerkt, dass ich mehr Biss entwickelt habe und mehr wollte. Die anderen hatten Spaß am Fußball, haben es etwas lockerer gesehen und ich wollte unbe­dingt Erfolg haben und den nächsten Schritt gehen. In diesem Jahr bin ich vom Kopf her am meisten weiter­ge­kommen, weil ich kapiert und verinner­licht habe, was es braucht, um es nach oben zu schaffen.     

Der sportliche Fokus lag in eurer Familie immer auf dem Fußball. Dein Opa und andere Familien­mit­glieder waren in Albanien selbst Profis, dein Bruder und du haben es auch geschafft. War das immer euer Ziel?

Fußball war zumindest immer ein all­gegen­wärtiges Thema bei uns. Mein Vater ist absolut fuß­ball­verrückt. Er hat uns den Ball gefühlt in die Wiege gelegt. Als wir klein waren, gab es eigent­lich nur Fuß­ball für uns. Mein Bruder und ich waren immer nur kicken – sei es im Verein oder auf der Straße. Mein Vater hat das eifrig unter­stützt, hat uns überall hin­gefahren und war ständiger Begleiter. Irgendwie war es mit der Familien­geschichte rund um unseren Groß­vater und andere Verwandte so vorge­zeichnet, dass wir beide Fußballer werden wollten.   

Du bist 1989 in der albanischen Haupt­stadt Tirana geboren, sieben Monate später ist deine Familie nach Frei­burg ausgewandert. Du wirst dich wahrscheinlich nicht mehr daran erinnern können, aber hast es vielleicht mal aus Erzähl­ungen gehört: Wie war es für euch damals, die Heimat zu verlassen und ein neues Leben aufzubauen? 

Es war nicht einfach. Meine Eltern haben damals einen großen Schritt gewagt, indem sie Albanien verlassen haben und in ein fremdes Land gekommen sind. In Albanien regierte damals ein kommunistisches Regime. Es war schwierig, dem zu entfliehen. Bevor wir nach Deutschland gekommen sind, mussten wir zum Beispiel zehn Tage in einer Art Camp leben, das albanische Bürger aufgenommen hat, die von deutschen Botschaftern bewacht wurden, um nach Deutschland fliehen zu können. Anders ging es gar nicht. In Deutschland angekom­men, war es dann so, dass wir in einem Asylanten­heim gelebt haben – ohne das Land zu kennen, die Sprache zu sprechen oder einen Cent in der Tasche zu haben. Das einzig Positive war, dass dort viele Menschen aus Albanien den gleichen Weg gegangen waren. Irgend­wann hat es sich dann so entwickelt, dass wir eine Wohnung vom deutschen Staat, der uns damals sehr geholfen hat, gestellt bekom­men haben und mein Vater einen Job gefunden hat. Stück für Stück schritt die Integration dann voran. Rück­blickend ist es echt krass, wie das alles abgelaufen ist und das Leben so gespielt hat. 

Inwieweit gab es für dich besondere Heraus­forder­ungen bei der Integration? 

Für mich war es vom Gefühl her so, als sei ich in Deutschland geboren worden. Natürlich haben wir daheim Albanisch gesprochen. Das machen wir heute zum Teil immer noch, auch wenn ich mit meinem Bruder und meiner Schwester mittler­weile mehr Deutsch spreche. Ansonsten war es für uns als Kinder aber nicht schwer. Durch den Kinder­garten und die Schule haben wir die Sprache schnell kennen­gelernt. Zudem findet man als Kind doch immer schnell Anschluss, nicht zuletzt auch durch den Sport.

Welche Rolle hat in diesem Zusammen­hang dein um vier Jahre älterer Bruder Jürgen gespielt, besonders bezogen auf den Fußball? 

Mein Bruder hat immer eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt. Wir stehen bis heute täglich in Kontakt, telefonieren oder schreiben miteinander. Heute wie damals ist Fußball noch immer das beherr­schende Thema. Als ich 13 Jahre alt war, wurde er beim SC Freiburg mit 17 Jahren zu den Profis hoch­ge­zogen. Das kam für mich überrasch­end, so dass ich zum ersten Mal begriffen habe, dass der Traum vom Profi­fußball gar nicht so weit weg ist. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war mein großer Bruder ein echtes Vorbild für mich. Es haben viele zu ihm aufgeschaut, mich eingeschlossen. Er hat mir den Mut gegeben, dass ich es auch schaffen kann. Denn am Ende träumen alle davon, Profi­fuß­baller zu werden, aber nur die wenigsten schaffen es. Dadurch, dass mein Bruder es geschafft hat, habe ich mehr daran geglaubt als vorher.

Mit Erfolg, letztlich bist du sogar National­spieler deines Geburts­landes geworden, hast im September 2019 im Alter von 29 Jahren für Albanien debütiert. Was war das für ein Gefühl? 

Das war natürlich etwas ganz Besonderes. Ich verbinde immer noch sehr viel mit Albanien. Unsere komplette restliche Familie lebt dort. Durch die National­mannschaft und die Länder­spielreisen ist die Verbindung zu dem Land und ihnen im Herzen und im Kopf nochmal intensiver geworden. Ich bin wieder häufiger vor Ort, häufiger zu Besuch und sehe die Menschen. Es war immer ein Traum, irgend­wann für die albanische National­mann­schaft zu spielen. In dem Jahr meines Länder­spiel­debüts sind wir mit dem SC Paderborn auch in die Bundes­liga aufge­stiegen, aber sich das National­trikot über­zustreifen, das war nochmal ein ganz anderes Gefühl.   

Auch in der National­mann­schaft werden deine Abräumer-Qualitäten geschätzt. Dabei warst du als Jugend­licher eher ein kleiner, technisch versierter Spieler und hast sogar als Zehner und Flügel­spieler agiert. Wann kam es zum Positions­wechsel und der Trans­formation zum „Gladiator“? 

Die neue Position als „Sechser“ habe ich bereits in meinem ersten Herren­jahr bekleidet, aber die besagte Trans­formation kam nach dem Jahr beim MSV Duisburg, das ich vorhin bereits ange­rissen habe, und mit meinem Wechsel zu den Kickers Offen­bach. Dort hatte ich mit Rico Schmitt einen Trainer, wie ich ihn in der Form noch nicht erlebt hatte. Er hat es absolut von mir einge­fordert, dieser Spieler­typ zu sein. Das habe ich verinner­licht, so dass es fortan den bekannten Verlauf genom­men hat.  

Mittler­weile ist daraus ein Image entstanden, das in der vergangenen Spielzeit mit reichlich Gelben Karten und einem Bundes­liga-Rekord weiter angefüt­tert wurde. Schieds­richterin Bibiana Stein­haus hat dir sogar mal eine Gelbe Karte nach dem Spiel über­reicht, als du ein Spiel ohne Ver­warnung absolviert hast. Wie hast du darauf reagiert?

Ich fand das eine nette und lustige Geschichte. Als wir uns nach dem Spiel die Hand geben wollten, hat sie mir gesagt, dass sie mir eine Gelbe Karte schenken möchte, weil ich ja keine erhalten habe. Das habe ich grinsend ange­nommen, mich bedankt und heute liegt diese Karte bei mir zuhause. 

Eingerahmt an der Wand? 

(lacht) Nein, es nicht so weit gekommen, dass sie im Wohn­zimmer irgendwo hängt, aber wenn ich sie jetzt suchen müsste, würde ich sie definitiv finden. Ich hatte mal überlegt, als Gag ein Foto zu machen, wie meine kleine Tochter mir die Gelbe Karte zeigt, aber da ich meine Kinder nicht in der Öffent­lichkeit oder den Sozialen Medien zeigen möchte, habe ich den Gedanken verworfen.  

Ist denn dieses Abräumer-Image für dich ein Fluch oder ein Segen – nicht nur gegen­über der Spiel­leitung, sondern auch im Hinblick auf dein Standing bei Mit- und Gegen­spielern?

Das lässt sich nicht zu 100 Prozent klar beantworten. Für mich war und ist es so, dass mein Team und mich diese Spiel­weise am meisten weiter­gebracht hat. Deswegen würde ich eher Segen sagen. Auf der anderen Seite kann es natürlich auch ein Fluch sein, wenn man auf­grund der Gelben Karten gesperrt wird oder im Spiel vorbe­lastet ist. Zudem hat man einen gewissen Stempel auf der Stirn und wird fußballer­isch auf diesen Aspekt reduziert.  

In unserem ersten Gespräch im Sommer hast du gesagt: „Sobald ich den Helm aufsetze, ändert sich meine Persönlichkeit.“ Wie ist denn Klaus Gjasula ohne Helm? 

Das kommt sicherlich immer auf die Situation an. (lacht) Wenn ich zuhause mit meiner Tochter und meinem Sohn zusammen bin, dann bin ich ein komplett anderer Mensch. Ich denke, das geht vielen Eltern so. Bevor meine Kinder da waren, war ich sicherlich ein Stück weit mehr Heiß­sporn und die Emotionen sind schneller hoch­gekocht als es jetzt der Fall ist. Unterm Strich bin ich privat ein friedlicher und fürsorg­licher Mensch. Auf dem Platz ändert sich das: Dann sind die Gegen­spieler nicht mehr meine Freunde, sondern für diese 90 Minuten meine Feinde und ich möchte um jeden Preis das Spiel gewinnen.  

In dem gleichen Gespräch hast du betont, dass du dich in puncto Gelbe Karten zurück­halten möchtest. Es folgte für dich, wie von dir bereits ange­sprochen, persönlich keiner guter Start beim HSV. Ende Dezember hast du hierzu im Kicker-Magazin gesagt: „Ich wollte anfangs unbedingt den Erwartungen gerecht werden, wollte es besonders gut machen. Jetzt bin ich wieder der Alte.“ Standest du dir beim HSV zu Beginn ein Stück weit selbst im Weg? 

Ja, das kann man schon so sagen. Ich war noch nie bei einem so großen Traditions­verein wie dem HSV. Ich habe gemerkt, dass die Erwartungen groß sind. Das bedeutet keines­wegs, dass ich mir vor dem Druck in die Hose gemacht habe, aber manch­mal ist es im Leben so, dass du etwas unbedingt richtig, richtig gut machen möchtest – und es dann statt­dessen voll nach hinten losgeht. Ich wollte vielleicht zu sehr zeigen, dass ich nicht nur der Kämpfer, sondern auch ein guter Fußballer bin, der der Mann­schaft auch ander­weitig helfen kann. Leider hat das sehr früh in der Saison nicht geklappt, so dass ich auch die andere Seite der Medaille in Form von öffent­licher Kritik bei einem solch großen Club kennen­gelernt habe. Damit musste ich erst­mal klar­kommen, da das Neu­land für mich war. Doch irgend­wann kam der Punkt, an dem ich gesagt habe: Okay, jetzt reicht’s – mir ist es total egal, ob ich den Leuten gefalle oder nicht, ich mache einfach mein Ding und bin der Spielertyp, der ich immer war. So habe ich wieder den Schlüssel zu mir selbst gefunden.  

Anschließend lief es für dich super. Du bist wieder in die Start­formation gerückt und hattest einen großen Wert für das Team, ehe dir ausge­rechnet im letzten Training des vergangenen Jahres das Innen­band im Knie gerissen ist. Eine Verletzung zum un­günstigsten Zeit­punkt. Wie bist du damit umge­gangen? 

Das war nicht schön und passte irgendwie zum Abschluss des Jahres 2020. Es war bitter, aber letzt­endlich bin ich weitest­gehend positiv mit der Verletzung umge­gangen. Ich wusste, dass es nichts bringt, wenn ich jetzt in Selbst­mitleid verfalle oder den Kopf hängen lasse. Ich habe versucht, trotzdem das Positive zu sehen. Ich hatte auch an anderen Körper­stellen ein paar Probleme, die ich über die Vorwochen mit mir herumge­schleppt hatte, so dass ich die Verletzungs­pause genutzt habe, um diese Dinge auszu­kurieren. Diese Denk­weise hängt sicherlich auch mit dem Alter und der Erfahrung zusammen. Wenn man 18 oder 19 Jahre alt ist, dann geht man vielleicht noch anders und unge­duldiger mit solchen Verletzungen um.    

In der besagten Verletzungs­pause warst du zum Zuschauen verdammt. Wie hast du die Leistungen des Teams im Jahr 2021 aus der Position des Zuschauers wahrge­nommen? 

Eigentlich sind wir gut ins Jahr gestartet, haben gute Spiele absolviert und auch die Ergebnisse erzielt. Wir waren elf Spiele in Serie unge­schlagen, bevor wir beim Tabellen­letzten in Würzburg verloren haben. Das ist bitter, aber jeder Fuß­baller hatte in seiner Karriere mal ein Spiel, in dem im Kollektiv nichts geklappt hat. Es ist auch nichts Neues, dass der Tabellen­führer mal gegen den Tabellen­letzten verliert. Die Derby-Nieder­lage wieder­um tat dann richtig weh. Wir alle wissen, was Derbys im Fuß­ball und speziell das Derby hier in Hamburg bedeuten. Wir dürfen diese Nieder­lage und die in dieser Phase ausge­bliebenen Ergeb­nisse aber nicht zu hoch hängen, denn umso schwerer ist es, aus diesem Negativ­strudel wieder heraus­zukommen. Wir müssen uns nicht einreden, dass wir die Saison verspielt hätten, sondern wir sind mitten­drin, wie das Bochum-Spiel gezeigt hat. Es gibt deutlich schlechtere Ausgangs­situationen. Natürlich hätten wir es einfacher haben können, aber einfach gibt’s beim HSV nicht.

Inwieweit kann man als Führungs­spieler in solchen Situationen Einfluss auf die Mentalität der Mann­schaft nehmen, wenn man nicht selbst mit auf dem Platz steht? 

Ich bin immer ein Freund davon, auf dem Platz zu stehen, dort mitzu­helfen und mit Leistung voran­zugehen, anstatt kluge Reden zu schwingen oder groß zu labern. Natürlich unter­hält man sich auch abseits des Rasens über die Situation, tauscht sich in der Kabine beim gemein­samen Kraft­training, Essen oder Fußball­gucken aus und versucht seine Erfahrung einzu­bringen, aber die Leistung auf dem Platz ist immer am wichtigsten. 

Du hast mit dem SC Pader­born vor zwei Jahren den Bundes­liga-Aufstieg geschafft, dabei lag der Club nach dem 25. Spieltag zwölf Punkte hinter Platz 2. Ist das ein Beweis dafür, dass in dieser Liga zu jedem Zeit­punkt noch alles möglich ist? 

Absolut. Es ist ja nichts Neues, dass die 2. Liga Jahr für Jahr extrem ausge­glichen ist. In Pader­born war es damals so, dass wir auf Platz 8 lagen. Die Tabellen­situation sah überhaupt nicht danach aus, als könnten wir nochmals oben anklopfen. Doch wir haben intern daran geglaubt, dass da noch etwas gehen könnte, hatten einen richtigen Lauf und konnten gegen alle Mann­schaften von oben gewinnen. 

Und worauf wird es in deinen Augen dieses Mal im letzten Viertel der Saison ankommen?  

Es kommt darauf an, dass wir zu 100 Prozent intern zusammen­bleiben. Es geht immer nur über diese Schiene. Wie hoch deine Qualität ist, wie groß der Club oder wie klang­voll sein Name ist – das alles spielt keiner­lei Rolle. Wenn du intern zusammen­hältst und eine Ein­heit bist, dann wird es immer schwer sein, dich zu schlagen. Nur so kommst du an dein Ziel.