»Bei Stadtfesten und Abi-Partys mussten meine Kumpels allein abliefern«

In der Rubrik „Meine Wurzeln“ spricht in jeder Ausgabe ein HSVer über seine Anfänge als Fußballer. Dieses Mal: Torjäger SIMON TERODDE.

Das erste Mal gegen den Ball getreten habe ich in meinem Kinder­zimmer. Mein Vater hat selbst auch im Verein Fußball ge­spielt und war von Anfang an mein großer Förderer. Er hatte eine gute linke Klebe, für mehr als die Kreis­liga hat es bei ihm aber nicht gereicht. Ihm war immer wichtig, dass ich besten­falls mit der Innen­seite schieße, anstatt blind drauf­zu­hauen. Als ich fünf Jahre alt war, hat er mich bei den Bambinis im SV Krechting ange­meldet. Dort habe ich mit meinen Kinder­garten­freunden auf Asche gespielt, da ging es aller­dings nur am Rande um sport­liche Erfolge. Einige Jungs haben während des Spiels noch Sand­burgen auf dem Platz gebaut oder nur auf An­weisungen ihrer Eltern reagiert. Trotz­dem hat es einfach richtig Spaß gemacht, mit meinen engsten Freunden den ganzen Tag auf dem Bolz­platz zu kicken. Mein Vorbild in dieser Zeit war Giovane Élber. Ich fand seinen Spiel­stil sehr elegant, zudem war er vor dem Tor einfach eis­kalt. Auch Roy Makaay und Mario Gomez haben mich später begeistert. Da ich in der Jugend eigentlich immer auf der Zehn oder im Sturm gespielt habe, hatte ich schon früh ein Faible für gute Offensiv­spieler. Zudem war mein Vater großer Bayern-Fan, von daher wurde ich in Bezug auf den Lieblings­verein natürlich früh be­einflusst.

In der F-Jugend ist mein Vater dann auch mein Trainer geworden. Das war für mich eine coole Geschichte, denn wir haben zuhause sowieso meistens über Fuß­ball geredet und konnten unseren Aus­tausch nun noch weiter inten­sivieren. Im Prinzip ging es auch stetig berg­auf, nur bei einem Hallen­turnier hat es mal so richtig gekracht. Wir sind als Favorit in ein Spiel gegangen und lagen schnell mit 0:3 zurück. Das hat mir gar nicht ge­passt, darum habe ich dann Bauch­schmerzen vorge­täuscht und mich aus­wechseln lassen. Mein Vater hat recht schnell gemerkt, dass ich die Wahr­heit in dem Moment etwas gedehnt habe. Nach dem Spiel hat er mich bei­seite genommen und mir einen ordent­lichen Ein­lauf verpasst. Letzt­endlich war seine Message aber sehr sinnvoll: Nieder­lagen gehören dazu, die Mann­schaft im Stich zu lassen, ist aber keine Option. Ich kann mich an diesen Moment noch genau erinnern, das war eine ganz wichtige Lehre für mich.

In meinen letzten Jahren beim SV Krechting habe ich schon gemerkt, dass sich auch andere Vereine für mich interessieren. Kurz nach meinem 10. Geburtstag bin ich daher zum VfL Rhede ge­wechselt, um den nächsten Schritt zu machen. Dort herrschten schon etwas andere Ansprüche vor. Wir haben in den höheren Jugend­ligen gespielt und ich wurde dazu auch erstmals in die Auswahl­mann­schaft berufen. Nach drei Jahren in Rhede hat mich der Trainer schließ­lich zum 1. FC Boch­holt mitge­nommen. Schluss­endlich habe ich dort aber nur ein Jahr ge­spielt, da ich bei einem Kreis­auswahl-Turnier die meisten Tore geschossen habe und danach von einigen Profi­vereinen ange­sprochen wurde. Nach einem Probe­training beim FC Schalke 04 stand ich kurz vor einem Wechsel. Dann wurde aber für meinen Geschmack etwas zu lange gezögert, so dass ich mich für den MSV Duisburg ent­schieden habe. Die Verant­wortlichen im Nachwuchs­leistungs­zentrum wollten mich unbedingt, zudem hatte ich mit dem Chef­trainer sehr gute Gespräche. 

Früher Jubel: Simon Terodde (hintere Reihe: 3. v.r.) bei seinem Heimatverein SV Krechting mit seinem Vater als Trainer (ganz links).   

Rück­blick­end war das für mich genau der richtige Schritt. Duis­burg war zwar ein etwas kleinerer Verein, dafür konnte ich aber in meinem ge­wohnten Umfeld und an meiner bisherigen Schule bleiben. Das hat mir sehr geholfen, denn ich habe mich in meiner Heimat immer richtig wohl gefühlt. Natürlich wurde der Auf­wand beim MSV nochmal deutlich größer, dennoch habe ich meine Fach­ober­schul­reife gemacht und eine Aus­bildung zum Industrie­mechaniker begonnen. Es ist immer sinn­voll, wenn man im Leben einen Plan B hat, auch wenn der teil­weise mit gewissen Hinder­nissen verbun­den ist. Auf mich bezogen bedeutete das, dass ich jeden Tag für die Früh­schicht einge­teilt wurde, um am Nach­mittag zum Training fahren zu können. Der Wecker klingelte immer um 5 Uhr, nach meiner Schicht wurde ich vom Fahr­dienst abgeholt und saß dann andert­halb Stunden im Bus, bevor ich am Platz war. Nach den Ein­heiten ging es dann die gleiche Strecke wieder zurück. Genau in dieser Phase begann auch die Zeit der Stadt­feste und Abi-Partys, da mussten meine Kumpels dann aber allein ab­liefern. Ich bin samstags zuhause geblieben und habe mich auf die Spiele am Sonntag vorbe­reitet. Das Pensum war insge­samt schon sehr sportlich, gleich­zeitig wurde so aber auch die Disziplin geschärft, die für den Profi­traum einfach von­nöten war.

Dieses Ziel habe ich gemeinsam mit anderen Jungs verfolgt, die es später auch in den bezahlten Fuß­ball geschafft haben. Mit Mirko Boland, der aktuell beim VfB Lübeck spielt, war ich zusammen im Fahr­dienst für den MSV Duisburg ein­geteilt. Konstantinos Mitroglu, der 65 Länder­spiele für Griechen­land absolviert hat, war mein Team­kollege in der Nieder­rhein­aus­wahl. Mein bester Mit­spieler war aber wohl Jonas Hector, mit dem ich ab Sommer 2010 in der zweiten Mann­schaft vom 1. FC Köln zusammen­gespielt habe. Da habe ich unter Frank Schaefer, der neben meinem Vater wohl mein größter Förderer war, die ent­scheidenden Schritte in Richtung Profi­fußball gemacht, nachdem im Über­gang vom Jugend- in den Herrenbereich einige Verletzungen und Rückschläge dazwischengekommen waren. Letzt­endlich hat aber dann doch noch vieles funktioniert, so dass ich zu­frieden auf meine An­fänge als Fuß­baller zurück­schauen kann.