Dass ein Fußballprofi bei hartnäckigen und immer wiederkehrenden Muskel- und Gelenkproblemen ausgerechnet beim Zahnarzt die Wurzel seines Übels finden könnte, klingt auf den ersten Blick kurios. Doch spätestens seit dem medienwirksamen Fall von Ex-Bayern-Star Franck Ribery, bei dem zwischen 2009 und 2010 nach monatelanger Verletzungsmisere ein Besuch beim Zahnarzt endlich Abhilfe schaffen konnte, ist der Zusammenhang zwischen Beschwerden am Bewegungsapparat und Problemen im Mund und Rachenraum öffentlich in den Fokus gerückt. „Vor 20 Jahren hätte man es vielleicht noch belächelt, wenn ein Spieler mit Muskelproblemen zum Zahnarzt geschickt worden wäre, aber heutzutage ist das ein fester Baustein, den man bei der Behandlung von Profisportlern unbedingt berücksichtigen sollte“, erklärt HSV-Mannschaftsarzt Dr. Wolfgang Schillings.
Regelmäßige Zahnuntersuchungen sind bei den Rothosen jedenfalls schon seit Jahren nicht mehr aus dem medizinischen Behandlungsspektrum wegzudenken. So werden die HSV-Profis im Zuge des alljährlich stattfinden Medical-Checks auch immer zur Kontrolle zum Zahnarzt geschickt. Seit gut fünf Jahren arbeitet der HSV dabei erfolgreich mit der Zahnarztpraxis Dr. Mauss im Hamburger Stadtteil Winterhude zusammen. Wie steht es grundsätzlich um die Beschaffenheit der Zähne? Welche Tipps gibt es zur Zahnpflege? Wann meldet sich womöglich ein kariöser Zahn? Und inwieweit könnten Weisheitszähne zu einem Problem werden? All diese und viele weitere Fragen beantworten Dr. Friedrich Mauss und sein Team in ihren jährlichen Statusberichten und übermitteln diese an die Mannschaftsärzte des HSV. „Die Vorsorgeuntersuchungen und die daraus resultierenden Berichte des Zahnarztes sind für uns zunächst einmal sehr wichtig, um etwaige Beschwerden und Probleme frühzeitig zu entdecken. Denn schwerwiegende Eingriffe an den Zähnen sollten im Idealfall immer in den Spielpausen vorgenommen werden, bevor der Spieler innerhalb der Saison auszufallen droht“, begründet Dr. Schillings die regelmäßigen Zahn-Checks, die seitens der DFL übrigens nicht verpflichtend sind, beim HSV aber eine sehr wichtige Rolle einnehmen.
Kümmern sich um das zahnärztliche Wohl der HSV-Profis: Dr. Friedrich Mauss und Dr. Ruth Mauss.
Breites Behandlungsfeld
Neben statischen Fehlstellungen können auch mögliche Entzündungsherde im Mund- und Rachenraum die Leistungsfähigkeit der Spieler stark beeinträchtigen. „Das Keimspektrum im Mund reicht bis zu den Herzklappen heran. Gerade bei Profisportlern, die darauf angewiesen sind, dass das Herz reibungslos funktioniert, weil sie eine viel höhere Belastung als andere Sportler und Menschen haben, können also Infektionen, bei denen Bakterien aus der Mundflora mitwirken, einen ziemlich großen Einfluss haben“, erklärt Dr. Mauss. Notsignale sind dann Parodontose und Wurzelentzündungen. Letztendlich können die Zähne wie in jedem Kontaktsport auch aufgrund von äußeren Gewalteinwirkungen in Mitleidenschaft gezogen werden. Zwar sind solche Wirkungstreffer mit den Fäusten oder Ellbogen im Gesicht im Fußball deutlich seltener als beispielsweise beim Boxen, einen im Vergleich viel kleineren und nur rund drei Millimeter dünnen Mundschutz bietet der Zahnarzt Fußballern dennoch zur Protektion der Zähne an.
Für all diese Fälle steht den HSV-Profis die Kompetenz des Facharztes auch außerhalb der Vorsorgetermine das ganze Jahr über hindurch zur Verfügung. „Für uns ist es wichtig, dass wir diesbezüglich einen zuverlässigen Partner an der Seite haben, der die Probleme relativ schnell auffinden und therapieren kann“, zeigt sich Dr. Schillings mit der langjährigen Kooperation mit der Winterhuder Zahnarztpraxis sehr zufrieden. Sein medizinischer Kollege Dr. Friedrich Mauss freut sich wiederum darüber, dass die Zahnmedizin mehr und mehr in den Fokus des Profisports gerückt ist: „Neben den HSV-Spielern behandeln wir querbeet auch viele andere Sportler, darunter vor allem auch Volleyballspieler und Läufer. In den vergangenen Jahren ist das Bewusstsein für die Auswirkungen, die die Zähne auf die sportliche Leistung haben können, definitiv gestiegen. Das hört man auch von den anderen Kollegen in der Branche. Insgesamt ist das eine tolle Entwicklung, da dieses Thema früher eher stiefmütterlich behandelt wurde, man den Patienten aber ungemein helfen kann.“ Unabdingbar für eine erfolgreiche Behandlung ist laut Dr. Mauss neben dem Austausch mit den Mannschaftsärzten schließlich auch die enge Zusammenarbeit mit den Physiotherapeuten, die die Sportler zumeist täglich betreuen. Beim HSV steht er deshalb fortlaufend mit Physiotherapeut Andreas Thum in Kontakt. „Für mich ist dieser Austausch das A und O für eine erfolgreiche Behandlung. Denn der Zahnarzt sieht den Patienten nur für einen kurzen Zeitraum und ist auf die detaillierten Eindrücke aus dem Trainings- und Behandlungsalltag angewiesen. Die Physiotherapeuten, die tagtäglich mit dem Körper und Bewegungsablauf der Spieler zu tun haben, geben nochmal einen ganz anderen Blick auf den Patienten“, unterstreicht Dr. Mauss die enge Verzahnung. Der Fußball und die Zahnmedizin – spätestens seit dem Fall von Bayern-Star Frank Ribery eine bissfeste Verbindung.
Helfen die Statik von oben zu korrigieren: durchsichtige Entlastungsschienen für die Zähne.