Im ausführlichen HSVlive-Interview spricht der ehemalige Profi und jetzige Scouting-Leiter CLAUS COSTA über die hohe Professionalisierung seines Tätigkeitsfeldes, seinen eigenen, nahtlosen Übergang vom Spielfeld an den Schreibtisch und die Eigenschaften, die man in dem vermeintlichen Traumjob des Fußball-Scouts mitbringen sollte.
Wenn Claus Costa über den Fußball im Allgemeinen und das Scouting im Speziellen spricht, dann wird seine Begeisterungsfähigkeit allzu schnell sichtbar: Seine Augen, mit denen er durchgängig Blickkontakt hält, fangen an zu strahlen, seine Worte rattern druckreif gesprochen in den Raum und seine präzisen Aussagen bleiben mit Nachdruck im Gedächtnis haften. Das Gespräch ist lang, doch die Zeit vergeht wie im Flug. Zu spannend erzählt der 36-Jährige von seiner Welt, scheint seine Berufung als Leiter der Scouting Abteilung, als der er seit Ende August 2019 beim HSV fungiert und jüngst seinen Vertrag verlängerte, längst gefunden zu haben. Dabei hat der ehemalige Fußballprofi, der für den VfL Bochum, Fortuna Düsseldorf und den VfL Osnabrück unter anderem 55 Zweitliga- und 92 Drittliga-Spiele absolvierte, bereits einen fußballerischen Karriereweg hinter sich. Doch Costa, der schon gegen Ende seiner aktiven Laufbahn die Zusammenstellung von Teams hinterfragt und noch als aktiver Spieler anfängt, als Praktikant in der Scouting-Abteilung von Bayer Leverkusen zu arbeiten, hat sich mit großem Fleiß und Beharrlichkeit neben dem vergänglichen Spielbein auch ein nachhaltiges Standbein im Fußball aufgebaut. Welche Rolle auf diesem besonderen Weg Sportvorstand Jonas Boldt spielt, welchen Reiz die Aufgabe eines Scouts bei ihm auslöst und warum man für diesen vermeintlichen Traumjob nicht zwingend Fußballer sein muss – all das verrät Claus Costa im Gespräch mit dem HSVlive-Magazin.
Claus, wenn du in deiner jetzigen Funktion als Scouting-Leiter dein jüngeres Ich rund um die Jahrtausendwende scouten würdest, welche Stichpunkte stünden in deinem Notizblock?
(schmunzelt) Das Bild wäre schnell relativ eindeutig: Ich war ein defensiver Mittelfeldspieler, der sich eher über die Arbeit gegen den Ball definiert hat. Ich glaube, dass ich durch meine Lauf-, Zweikampf- und Kopfballstärke defensiv einen großen Mehrwert für viele Mannschaften haben konnte. Mein fußballerisches Talent hingegen war eher überschaubar, so dass ich im Spiel mit dem Ball nicht den großen Input für ein Team hatte. Wenn man also einen klassischen Abräumer gesucht hätte, der sich voll in den Dienst der Mannschaft stellt, hätte ich eine Lösung sein können.
Würdest du dich mit diesen Erkenntnissen heute selbst verpflichten?
Das ist eine Frage des Blickwinkels, für welches Spielniveau man mich holen würde. Ich habe auch zwei Jahre in der 2. Liga bei Fortuna Düsseldorf verbracht, bin damals mit der Mannschaft in diese Liga aufgestiegen. Das war aber letztlich auch mein oberes Limit. Ich glaube nicht, dass mich ansonsten ein Zweitligist verpflichtet, geschweige denn Geld für mich bezahlt hätte. Ich war dann schon eher ein Drittliga-Spieler. Aber wie gesagt: Teamplayer können auch eine Liga höher ihre Wertigkeit haben, wenn sie mit hochschwimmen.
Was sind heutzutage die wichtigsten Merkmale, die ein Spieler mitbringen muss, um dich zu begeistern und in deinem Notizbuch zu landen?
Als Scout geht es zunächst und vorrangig immer darum, auf welcher Position man einen Spieler braucht und welche Art von Spielertyp man sucht, so dass sich die Frage nicht pauschal beantworten lässt. Grundsätzlich ist der Fußball heutzutage so athletisch und dynamisch geworden, dass vor allem die körperlichen Voraussetzungen ins Auge springen. Wenn ein Spieler ein gutes Tempo oder eine kraftvolle Spielweise hat, dann bringt er schon einmal diese Facette des modernen Spiels mit. Ansonsten hängt es aber stark davon ab, was man sucht, was man braucht und worauf man Wert legt.
Worin hat sich der Fußball in dem Zeitraum der vergangenen 20 Jahre in deinen Augen noch verändert?
Durch die damalige Schaffung der Nachwuchsleistungszentren hat sich im Hinblick auf die technische Qualität und vor allem auch auf die Taktik eine Menge verändert. Die Spieltags-Taktik, sprich: die ausführliche Vor- und Nachbereitung eines Spiels, an der heutzutage ganze Abteilungen arbeiten, ist viel komplexer und detaillierter geworden. Diesbezüglich war es früher sicherlich auch mal so, dass der Trainer eher gesagt hat: „Geht raus und spielt Fußball. Wir spielen heute 4-4-2.“ Zumindest habe ich das so als Spieler wahrgenommen. Die mannschaftstaktischen Anforderungen haben sich doch stark weiterentwickelt.
Wie sehr hat sich damit einhergehend dein jetziger Tätigkeitsbereich, das Scouting, weiterentwickelt?
Allein durch die Digitalisierung ist dieses Feld viel moderner und professioneller geworden. Durch Schilderungen von Jonas (Sportvorstand Jonas Boldt, Anm. d. Red.) weiß ich, dass zu Beginn seiner Zeit noch VHS-Kassetten aus Südamerika geschickt wurden. Die Spiele wurden dann nochmal umgewandelt und aufbereitet, so dass man sich letztlich über zwei VHS-Kassetten und zwei Spiele ein Bild von einem Spieler gemacht hat, der nicht hier im Umfeld spielt. Heutzutage hat man über die Scouting-Plattformen die Möglichkeit, jedes Spiel zu sehen. Die Scouting-Welt ist gläsern geworden. Du hast die Chance, alle Spiele und alle Spieler, die es auf dieser Welt gibt, in deinem Büro in Hamburg zu gucken. Dieser Aspekt hat sich gewandelt und damit einhergehend auch der Umfang und die Intensität in diesem Bereich. Früher gab es vielleicht nur ein paar Vereine, die mit einer vernünftigen Scouting-Abteilung gearbeitet haben, während andere Clubs über Zuruf und Netzwerk verpflichtet haben. Heutzutage steckt ein richtiger Apparat dahinter.