Stichwort Wahrnehmung von außen: In der Vorsaison wurdest du als „Königstransfer“ betitelt und dementsprechend kritisch beäugt, als du nicht nahtlos an deine erfolgreiche Zeit bei Holstein Kiel anknüpfen konntest. Wie bist du damit umgegangen?
Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich nur über Dritte, also Eltern, Geschwister oder Freunde, etwas davon mitbekommen habe. Medien sind noch nie so mein Ding gewesen. Durch die Erzählungen meiner Verwandten und Freunde ist es mir in dieser Zeit aber nochmal bewusst geworden, dass ich meine Handhabung so beibehalten sollte, um bei mir zu bleiben. Und zwar im Positiven wie im Negativen. Denn das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass dich diese Berichterstattung irgendwann ständig beeinflusst. Dann läufst du Gefahr, niemals aus dieser Spirale herauszukommen.
Wie sieht denn für dich dann der perfekte Ausgleich zu deinem Beruf aus, der nicht nur körperlich, sondern eben auch mental eine hohe Beanspruchung mit sich bringt?
Ich setze dem nicht aktiv etwas entgegen, sondern lebe eigentlich ein ziemlich normales Leben. Genauso wie meine ganzen Freunde, die ich noch aus der Schulzeit kenne. Wenn wir uns treffen oder voneinander hören, dann bestimmen alltägliche Themen das Gespräch. Eigentlich rede ich nur mit meinem Bruder über Fußball. Ich gucke auch nicht fanatisch viel Fußball. Klar, die großen Highlights wie die Champions League oder die Top-Spiele der Bundesliga und 2. Liga sehe ich mir sehr gern an, aber ansonsten mache ich ganz gewöhnliche Sachen. Ich lese gern ein Buch, telefoniere mit meinen Eltern, arbeite an meinem Fernstudium oder packe mir bei gutem Wetter häufig mal das Fahrrad, um Hamburg zu erkunden. Ansonsten aber steht der Fußball im Mittelpunkt und ich konzentriere mich auf unsere Aufgaben.
Die Hälfte der Saison ist rum, wie schätzt du unsere Situation in der 2. Liga ein?
Wenn ich mit ehemaligen Mitspielern oder auch gegnerischen Spielern spreche, dann bekomme ich schon zurückgemeldet, dass sie Anerkennung für unsere Qualität und unser Spiel haben. Ich habe das Gefühl, dass in dieser Saison dazugekommen ist, dass auch unsere Arbeit gegen den Ball nochmal anders wahrgenommen wird als noch im letzten Jahr. Die Gegner wissen, dass da eine Mannschaft auf sie zukommt, die nicht nur mit dem Ball versucht, den Ton anzugeben, sondern auch umgekehrt. Es kann uns sehr gefährlich machen, wenn wir hier eine gute Mischung hinbekommen.
Muss man diesen Aspekt, die Arbeit gegen den Ball, in der so ausgeglichenen und kampfbetonten 2. Liga am Ende auch mitbringen?
Ich habe in den letzten fünf Jahren, in denen ich in der 2. Liga gespielt habe, eigentlich kaum eine Mannschaft gesehen, die voll und ganz nur über das Fußballerische kam. Das wird in der 2. Liga nicht funktionieren und selbst in der Bundesliga funktioniert es nicht. Wenn man sich zum Beispiel die Spiele vom FC Bayern anguckt, dann bleiben zwar bei den Zuschauern toll herausgespielte Tore hängen, doch gleichzeitig kommt es nicht von ungefähr, dass der Gegner nur so wenig Ballbesitz hat. Die Bayern sorgen schon dafür, dass sie relativ schnell wieder an den Ball kommen. Das Verteidigen gegen den Ball ist ein ganz wichtiger Aspekt des Fußballs geworden, an dem man heutzutage nicht mehr vorbeikommt. Um die 2010er-Jahre gab es mit dem FC Barcelona noch eine Mannschaft, die sich extrem über den Ballbesitz definiert hat, aber dieses Team war auch prädestiniert dafür. Doch heutzutage haben alle Mannschaften gute Spieler in ihren Reihen, so dass du einfach nicht riskieren kannst, zu oft in den Konter zu laufen. Dafür ist man auch viel zu abhängig von den Ergebnissen. Du kannst ein gutes Spiel abliefern und mal verlieren, aber irgendwann redet keiner mehr darüber, dass du seit Wochen tollen Fußball spielst, wenn du die Punkte nicht holst.
Inwieweit macht es die 2. Liga aber auch so einzigartig, dass gefühlt jeder jeden schlagen kann und es bis zum letzten Spieltag eng bleibt?
Das ist definitiv ein Markenzeichen der 2. Liga. In dem Jahr, als wir mit Kiel am Ende Dritter geworden sind und in der Relegation gespielt haben, war es so, dass drei Spieltage vor Schluss der Tabellen-10. noch auf Rang 3 und der Tabellen-12. noch auf einen Abstiegsplatz rutschen konnte. Am Ende ist Eintracht Braunschweig abgestiegen, obwohl die Mannschaft bis zu diesem Zeitpunkt in der ganzen Saison noch nie auf einen Abstiegsplatz gestanden hatte. Das Mittelfeld in der 2. Liga rückt meist so eng zusammen, dass es eigentlich gar kein Mittelfeld mehr gibt.