Die Torhüter-Leistungen der HSV-Keeper sind in dieser Saison ein ganz wesentlicher Faktor für die positive Gesamtentwicklung. Maßgeblichen Anteil daran hat Torwarttrainer SVEN HÖH, der im HSVlive-Interview über seine Philosophie, gesammelte Erfahrungen und eine Position im Wandel spricht. Ein Gespräch mit einem Fachmann.
Wenn er über seine Passion spricht, dann funkeln seine Augen: Sven Höh hat das Torwartspiel quasi mit der Muttermilch aufgesogen und seine Leidenschaft zum Beruf macht. Seit dem vergangenen Sommer arbeitet der 37-Jährige als Torwarttrainer beim HSV und ist damit maßgeblich für die guten Leistungen auf dieser komplexen Position, die sich seit mindestens einem Jahrzehnt zudem im steten Wandel befindet, verantwortlich. Mit seiner modernen Trainingsmethodik und der engen Verzahnung in den Jugendbereich hat der Pfälzer, der insgesamt zwölf Jahre (2009 bis 2021) beim 1. FC Kaiserslautern angestellt war, beim HSV neue Impulse im Torwarttraining gesetzt und die Positionsgruppe auf „ein neues Level gehoben“, wie Daniel Heuer Fernandes vor Kurzem erklärte. Warum der langjährige Oberliga-Keeper die Fortschritte dennoch immer als Teamerfolg sieht, welche Keeper in der Bundesliga für ihn aktuell State of the Art sind und wie er die Spielidee von Tim Walter in sein Coaching integriert hat, das alles erklärt Sven Höh im HSVlive-Interview.
Sven, was muss der perfekte Torhüter in deinen Augen können?
Ich bin der festen Überzeugung, dass du heutzutage ein kompletter Torhüter sein musst. Wenn du einen Bereich in deinem Torwartspiel hast, der nicht gut ist, dann wirst du es nicht nach oben schaffen. Deswegen gibt es hier nicht schwarz oder weiß, sondern nur den Torhüter als Gesamtprodukt. In meinen Augen ist das Torwarttraining deswegen auch nicht mehr losgelöst vom Mannschaftstraining, sondern gerade taktisch voll integriert. Daher müssen die Keeper im Spielverständnis und in der Entscheidungsfindung nahe am Optimum agieren. Alles andere sind Basisthemen, die natürlich passen müssen. Die Athletik, die Widerstandsfähigkeit und die Technik sind Grundvoraussetzungen.
Welche Keeper im deutschen Profifußball kommen deinem Idealbild aktuell besonders nahe?
Tatsächlich analysiere ich nach jedem Wochenende alle Tore in den drei deutschen Profiligen und achte dabei in erster Linie auf die Keeper. Natürlich ist Manuel Neuer ein Welttorhüter, wie du ihn dir vorstellst. Aber ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir mit Daniel Heuer Fernandes als unsere Nummer eins nicht nur einen der besten mitspielenden Torhüter haben, sondern er auch in den Defensivthemen maximal performt. Er und das komplette Torwartteam sind brutal hungrig, sich immer weiterzuentwickeln und deshalb schauen wir gern über den Tellerrand hinaus und demnach auch auf die Verhaltensweisen anderer Torhüter. Dabei sind unaufgeregte Torhüter wie Koen Casteels vom VfL Wolfsburg oder Peter Gulasci von RB Leipzig sehr interessant. Ich vergleiche sie immer mit einem Vulkan. Sie können eine gewisse Ruhe ausstrahlen, aber zum richtigen Zeitpunkt auch explodieren. Sehr interessant sind auch die Verhaltensweisen von Leverkusens Lukas Hradecky oder Hoffenheims Oliver Baumann, bei denen eine taktische Handschrift des Torwarttrainers klar erkennbar ist.
Die Torwart-Position hat sich im vergangenen Jahrzehnt extrem gewandelt. Wo liegen die größten Unterschiede zur früheren Interpretation?
Das Torwartspiel ist einfach viel integrativer geworden. Die Keeper sind inzwischen taktisch viel mehr eingebunden und müssen auf Details achten, die heutzutage einfach im Vordergrund stehen. Früher war der Torwart eher Einzelkämpfer, hat irgendwo in der Ecke mit dem Torwarttrainer gearbeitet und durfte dann im Abschlussspiel mal zwischen die Pfosten gehen. Dahingehend ist schon ein großer Wandel zu erkennen. Die Keeper müssen viel mehr mit dem Fuß leisten und sind deutlich öfter in die Spielformen eingebunden. Es gibt aber immer noch viele Themen, bei denen – aus meiner Sicht zurecht – keine Veränderung zu erkennen ist.