Mentalität schlägt Talent, lautet eine der bekanntesten Fußballweisheiten. Am besten ist es aber natürlich, wenn man beides hat, findet HSV-Torhüter MARKO JOHANSSON. Ein Gespräch über das Zusammenspiel der zwei Komponenten im Leben eines Torhüters.
Marko Johansson ist 23 Jahre alt und spielt seine erste Saison im Ausland, hat aber auf dem Weg dorthin schon viel gelernt und viele Erfahrungen gesammelt. Eine davon lautet, dass im Fußball allgemein, speziell aber bei den Keepern die richtige Mentalität ein immens wichtiger Faktor ist und nicht Talent allein entscheidet. Noch weniger als bei den Feldspielern. Ist an dem Mythos, dass Torhüter vielleicht ein wenig speziell sind, also doch etwas dran? Alles eine Sache der Perspektive, findet Johansson. Warum das aus seiner Sicht so ist, wie er persönlich mit den Hochs und Tiefs des Torwartlebens umgeht, wie wichtig für die Individualisten-Gattung Torhüter der Teamgedanke ist und weshalb in seiner Karriere neben der Mentalität ein Rucksack die Hauptrolle spielt, das erklärt der schwedische Torhüter im kopflastigen HSVlive-Interview.
Marko, wir führen dieses Gespräch auf Englisch. In der nächsten Saison könnten wir es wahrscheinlich auch schon auf Deutsch führen. Damit sprichst du dann neben deinen Heimatsprachen Schwedisch und Serbisch sowie Englisch vier Sprachen. Ist auch das etwas, das dich in deiner Entwicklung als Spieler und auch als Persönlichkeit voranbringt und besser macht?
Auf jeden Fall, es ist natürlich immer hilfreich, viele Sprachen zu verstehen und im Idealfall auch zu sprechen. Ich kann bereits die deutschen Basics, die auf dem Platz notwendig sind. Und auch in der Kabine hilft es natürlich ungemein, die Kollegen zu verstehen. Es können ja nicht nur meinetwegen alle in der Kabine immer Englisch sprechen. Aber ich merke schon, wie es immer mehr ganz automatisch kommt, dass ich beim Sprechen oder auf dem Platz beim Coachen aus dem Tor heraus die deutschen Begriffe benutze. „Bascho, more to the linke Seite“ – so in etwa klingt das dann. (lacht) Es wird immer besser, und das ist sehr wichtig.
Hast du deshalb auch ganz bewusst den Schritt ins Ausland gewählt?
Ja, auch deshalb. Aber eine neue Sprache zu lernen, betrachte ich mehr als Bonus, auch wenn es mir nach meiner Spielerkarriere für mein privates und berufliches Leben natürlich helfen kann. Mir geht es aber vor allem darum, mich in einem neuen Land und einer neuen Liga weiterzuentwickeln. Dafür sammle ich sehr wertvolle Erfahrungen.
Immerhin bist du von einem Champions-League-Club in die 2. Bundesliga gewechselt. Warum hast du dich zu diesem Schritt entschieden?
Natürlich ist Malmö eine sehr gute Mannschaft, nicht umsonst hat der Club jetzt sechs oder sieben Jahre in Folge europäisch gespielt. Aber dennoch kann man das nicht mit den klassischen Fußballländern wie Deutschland vergleichen. Ich habe vier Jahre in Schweden gespielt und ich war bereit für den nächsten Schritt, zumal ich das richtige Gefühl hatte, als der HSV anrief. Es ist ein toller Club, der zwar aktuell nicht in der höchsten Liga spielt, sich aber wieder in diese Richtung entwickeln möchte. Das passt hervorragend zu mir und meinen sportlichen und persönlichen Zielen. Deshalb fiel mir die Entscheidung für den HSV leicht und ich finde sie nach wie vor absolut richtig. Wir arbeiten sehr viel, sehr hart, sehr professionell. Ich lerne viel und kann mich in einer sehr interessanten und starken Liga mit dem gesamten Team verbessern und weiterentwickeln.
Welchen Unterschied erkennst du zwischen dem Torwartspiel in Schweden und jetzt in Deutschland, speziell unter Tim Walter beim HSV?
Ich war in Schweden an verschiedene Clubs ausgeliehen und alle waren unterschiedlich. Jeder Cheftrainer, jeder Torwarttrainer. Und das ist beim HSV natürlich auch so, und zwar in großem Maße. Hier werden viele Dinge gefordert, die ich bislang nicht kannte, bei denen ich mich umstellen musste. Unser Torwarttrainer Sven Höh hat mich immer wieder ermutigt, diese Dinge in mein ganz eigenes Torwartspiel einzubauen. Und ich tue es gern, denn ich vertraue Sven zu 100 Prozent und ich sehe ja, dass es gut ist und dass es mich weiterbringt.
Von welchen Veränderungen sprechen wir genau?
Es geht darum, viel mehr mitzuspielen und in bestimmten Situationen anders zu stehen, anders zu agieren. Jeder Torwart hat seine eigene Spielweise und muss sich damit auch wohlfühlen, aber es ist immer gut, seine Skills zu erweitern. Das sind alles neue Fähigkeiten, die ich in meinen Rucksack packen kann, der damit immer voller und umfangreicher wird. Aber: Das geht nicht von heute auf morgen, es geht darum, Dinge zu lernen. Und lernen dauert seine Zeit. Es geht um Schulungen, um Videoanalysen und dann vor allem darum, es zu machen. Immer und immer wieder. So kann man sich Stück für Stück und Tag für Tag verbessern. Wie der Trainer immer sagt: Entwicklung hört nie auf.
Eine wichtige Rolle dabei nimmt auch Spielpraxis ein. Welche Erfahrungen hast du in deinen Spielen als Nummer eins in Bezug auf die Liga, das Stadion, die Stimmung und deine Mannschaft gesammelt?
Es hat riesigen Spaß gebracht, ich habe es genossen. Es kam aufgrund der Verletzung von „Ferro“ früher als gedacht, dass ich als Nummer eins spielen durfte, aber ich denke, ich war soweit und habe es gut gemacht. Alles, woran wir im Training gearbeitet haben und was den Walter-Style ausmacht, konnte ich umsetzen. Das Team und meine Torhüter-Kollegen haben mich dabei sehr unterstützt und die Atmosphäre im Stadion war natürlich auch herausragend. Das ist das, wofür man Fußball spielt. Und dass ich gesehen habe, auf diesem Level spielen zu können, hat mir einen Extra-Boost gegeben und mich heiß gemacht auf mehr.
Aktuell bist du nach der Rückkehr von Daniel Heuer Fernandes wieder die Nummer zwei. Wie gehst du mit dieser Situation um?
„Ferro“ hat mich sehr gepusht, als ich gespielt habe. Und jetzt pushe ich ihn, denn es geht um uns als Mannschaft. Natürlich kann ich nicht verhehlen, dass ich lieber spielen möchte als auf der Bank zu sitzen, das ist doch klar. Ich habe in den letzten vier Jahren mehr als 100 Spiele gemacht, das ist natürlich auch hier mein Ziel. Jeder möchte spielen. Aber erfolgreich wirst du im Fußball nur dann sein, wenn du als Team funktionierst. Eine Mannschaft besteht aus mehr als elf Mann und jeder einzelne Spieler ist wichtig, denn jeder kann reinkommen und auf einmal der spielentscheidende Faktor sein. Diesem Teamgedanken ordne ich mich unter, denn jeder ist nichts ohne das Team.