»Spielplätze, Gärten, Straßen – wir haben überall gezockt!«

In der Rubrik „Meine Wurzeln“ spricht in jeder Ausgabe ein HSVer über seine Anfänge als Fußballer. Dieses Mal: Innenverteidiger JONAS DAVID.

„Schon lange, bevor ich in den Verein eingetreten bin, habe ich regelmäßig gegen die Kugel getreten. Mit meinem Papa bin ich schon als kleines Kind abends, sobald er von der Arbeit gekommen ist, auf den Sport- und Spielplätzen in unserer Umgebung unterwegs gewesen. Als ich dann in die Grundschule gekommen bin, hat das noch zugenommen. In den Pausen haben meine Freunde und ich den Schulhof in ein Fußballfeld verwandelt und auch die Nachmittage waren voll mit Fußball. Alle Kinder aus der Nachbarschaft bei uns in Volksdorf haben ständig zusammen gekickt. Das Schöne ist ja, dass du dafür nicht mal einen offiziellen Platz brauchst, sondern dir überall ein Spielfeld zusammenbauen kannst – so haben wir es dann auch gemacht. Auf Spielplätzen, in Gärten, auf der Straße. Wir haben ständig und überall gezockt. Als ich in der ersten Klasse war, sind dann auch die ersten Kinder in den Verein eingetreten. Die haben dann zu mir gesagt „komm doch mal mit“. Gesagt, getan. Mein Papa fand die Idee fast noch großartiger als ich, weil es ihm irgendwann doch ein bisschen zu viel wurde, dass ich mit ihm nach der Arbeit ständig noch loswollte. Also habe ich mich beim Meiendorfer SV vorgestellt. Da der Verein unmittelbar in der Nähe meines Elternhauses liegt, stand es nie zur Debatte, dass ich auch woanders hingehen könnte. Jeder, der bei uns in der Umgebung angefangen hat, Fußball zu spielen, ging zum MSV. So habe auch ich nie über einen anderen Verein nachgedacht.

Wir waren in der Jugend eine echt gute Truppe, die immer oben mitgespielt hat. Ich bin aber, glaube ich zumindest, der Einzige, der es nun in den Profibereich geschafft hat, aber in der Jugend waren einige B-Junioren-Bundesligisten oder Regionalligisten dabei. Also echt gute Fußballer. Ich habe zwar nicht mehr viele Kontakte zu meinen alten Jungs von früher, aber Meiendorf bleibt immer Heimat für mich. Unter Dieter Hecking haben wir in der Sommervorbereitung 2019 mal ein Testspiel gegen den MSV bestritten, zwei Minuten von meinem zu Hause entfernt. Da war natürlich auch meine ganze Familie vor Ort. Das war schon was richtig Besonderes für mich. Ohnehin ist meine Familie immer eine riesige Unterstützung für mich gewesen, allen voran mein Papa. Er hat mich zum Fußball gebracht und ist immer mein Fan geblieben.

Wie das in den unteren Jahrgängen vermutlich normal ist, war auch ich zunächst mal Stürmer. Das fand ich auch cool und kannte ich vom Zocken mit meinen Jungs schon – da ging es auch vornehmlich darum, wer die meisten Tore schießt. Ich hatte einen guten Torriecher und habe immer wieder meine Buden gemacht. Ich erinnere mich noch, dass wir mal ein Spiel 17:0 gewonnen haben und ich acht Tore geschossen habe. Solche Ergebnisse kamen dann später im Leistungsbereich nicht mehr zustande. Im Laufe der Jahre in Meiendorf hat sich herauskristallisiert, dass ich ganz gut kicken kann und auch physisch zu den stärkeren Jungs zählte. So wurden die größeren Vereine meiner Umgebung auf mich aufmerksam. Zur U14, als es langsam leistungsorientiert wurde, bin ich schließlich zu Eintracht Norderstedt gewechselt. Das war schon ein Sprung für mich, vor allem, weil die Gegner der Liga eine ganz andere Qualität hatten. Und auch abseits des Platzes hat sich dadurch für mich einiges geändert: Ich habe nicht mehr um die Ecke von meinem zu Hause gekickt – zum Meiendorfer SV konnte ich vorher immer mit dem Fahrrad fahren – sondern brauchte plötzlich 40 Minuten mit dem Auto oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Training. Es tat mir gut, dass einer meiner Schulfreunde und Teamkameraden aus Meiendorf fast zeitgleich ebenfalls nach Norderstedt gewechselt ist. So hatte ich einen Kollegen bei mir, mit dem ich den Weg gemeinsam gefahren bin und der sich in einer ähnlichen Situation befand wie ich. Das hat gut gepasst.

Jonas David bei seinem Jugendclub SV Meiendorf (untere Reihe: 3.v.l.). 

Trotzdem: Ich hätte den Wechsel auch ohne ihn vollzogen, weil ich komplett angefixt von der Idee war, immer besser zu werden und immer höher spielen zu wollen.

Exakt so ist es mit der Eintracht auch gekommen, denn wir haben in der gleichen Liga wie die Nachwuchsteams der „großen“ Vereine HSV und St. Pauli gespielt. Gegen den HSV haben wir auch ganz gut ausgesehen, ich habe sogar ein Tor geschossen. Daran erinnere ich mich noch genau. Und offenbar bin ich dadurch auch im NLZ in Erinnerung geblieben, denn kurz darauf kam der erste Kontakt zustande und in der Folgesaison bin ich in den Nachwuchs des HSV gewechselt. Wieder ein Riesensprung für mich und im Vergleich zu Norderstedt nochmal eine andere Nummer. In Norderstedt wurde Fußball zwar auch auf Leistungsniveau betrieben, aber eben doch mit einer anderen Lockerheit. Jetzt besaß ich meinen ersten Fußballervertrag und musste unter Beweis stellen, dass ich das Zeug habe, den nächsten Jahrgang zu packen. Ich bin rückblickend sehr froh, dass ich größtenteils verletzungsfrei geblieben bin und es insgesamt so rund lief, dass ich die Zeit bei allem Stress auch echt genießen konnte. Was ich aber bis heute nicht ganz verstehe, ist, wie ich das mit der Freizeit unter einen Hut bekommen habe. Ab der U16 trainieren die HSV-Nachwuchsteams an der Alexander-Otto-Akademie am Volkspark. Das hieß für mich: Von der Schule direkt in die U-Bahn und zum Essen und Training zum Campus, anschließend mit dem Fahrdienst nach Hause nach Volksdorf und dann irgendwann nach 21 Uhr noch Hausaufgaben machen, Vorträge vorbereiten, fürs Abi lernen. Verrückt, dass ich das in der Zeit gar nicht als so großen Stress wahrgenommen habe.

Das liegt aber vermutlich auch daran, dass ich echt viel Energie aus dem Fußball gezogen habe und bis heute ziehe. Natürlich gab es auch bei mir immer mal wieder sportliche Tiefs, aber ich habe mich da immer gut rauskämpfen können. In den späteren Jugendjahren durfte ich sogar Kapitän sein und ab der U17 immer mal wieder bei den Profis mittrainieren. Bei diesem Weg haben mich meine Familie und die Trainer unterstützt, vor allem aber tat mir der enge Draht zu Josha Vagnoman gut. Josh ist seit Beginn meiner Zeit hier beim HSV ein sehr guter Freund, der einen ähnlichen Weg gegangen ist wie ich. Wir haben immer zusammengespielt und sind wie Brüder geworden. Bei den Profis war er ein gutes halbes Jahr eher als ich und konnte mir entsprechend viele Tipps geben, als ich dazugestoßen bin. Außerdem kannte ich den damaligen Profitrainer Christian Titz schon, da er einer meiner Jugendtrainer beim HSV war. Das hat es insofern leichter gemacht, als dass ich in etwa einschätzen konnte, was er erwartet und was mich im Gegenzug erwartet. Christian Titz war es schließlich auch, der dazu beigetragen hat, dass sich meine Position Stück für Stück weiter nach hinten verschoben hat. Als ich von Norderstedt zum HSV gewechselt bin, war ich immer noch als Offensivspieler unterwegs. Hauptsächlich als Zehner und Flügelspieler. Erst ab der U17 hat sich meine Position immer weiter in die Defensive verschoben. In der B-Jugend war ich die meiste Zeit über Sechser, habe zudem ab und zu in der Innenverteidigung gespielt. Das hat sich dann in den zurückliegenden Jahren immer stärker verfestigt. An das veränderte Stellungsspiel musste ich mich schon eine Zeit lang gewöhnen, Christian Titz und sein damaliger Co-Trainer Bastian Reinhardt haben das aber intensiv mit mir geübt. So ist mir die Umstellung nicht besonders schwergefallen. Nur von dem Gedanken, nochmal acht Tore in einem Spiel zu erzielen, musste ich mich dann endgültig verabschieden. Das ist aber auch ok – Gegentore verhindern macht genauso viel Spaß.“