»Fast wäre ich Torwart geworden«

In der Rubrik „Meine Wurzeln“ spricht in jeder Ausgabe ein HSVer über seine Anfänge als Fußballer. Dieses Mal: Neuzugang AMADOU ONANA.

Ich habe schon mit zwei oder drei Jahren ange­fangen, ein bisschen gegen den Ball zu kicken. Damals habe ich noch in Dakar, im Senegal, gelebt. Meine ersten bewuss­ten Schritte als Kind, an die ich mich noch erinnern kann, waren anschließ­end auf der Straße und auf dem Bolzplatz, wo ich mit meinen Freunden gespielt habe. Dabei ging es haupt­sächlich um den Spaß. Wirklich organisiertes Training hatte ich nur zweimal die Woche in einer Art Fußball­schule.

Erst als ich mit elf Jahren regel­mäßig in Brüssel für drei Monate meinen Vater besucht habe, habe ich auch richtig ange­fangen, in einem Verein zu spielen. Und dann direkt im Nach­wuchs des belgischen Top-Clubs RSC Ander­lecht. Dort habe ich dann gelernt, wie man richtig Fuß­ball spielt und was alles dazu­gehört, wenn man Profi werden möchte – Taktik, Ernährung, Schlaf und all die Kompo­nenten. In der Jugend vom RSC Ander­lecht gab es damals sozu­sagen immer zwei Mann­schaften: die „Elite-“ und die „Perspektiv-Mannschaft“. Irgend­wann wollte man mich für die „Elite-Mann­schaft“ gewinnen, aber dadurch, dass ich immer zwischen Dakar und Brüssel gepen­delt bin und meinen Haupt­wohnsitz in Dakar hatte, ging das für mich nicht, so dass ich beim RSC Ander­lecht langsam den Anschluss verpasste und mich irgend­wann neu orien­tieren musste. So habe ich später in der Jugend bei White Stars Brüssel und Zulte Waregem weiter­gespielt.

Sportlich orien­tieren musste ich mich letztlich gleich drei­fach. So habe ich parallel zum Fußball bis zu meinem 15. Lebens­jahr auch leiden­schaftlich Basket­ball gespielt. Ich war auch in dieser Sport­art nicht schlecht, brachte nicht zuletzt mit meiner Größe gute Voraus­setzungen mit. Aber irgend­wann musste ich mich entscheiden: Fuß­ball oder Basket­ball? Da ich beim Fußball schon nach meiner Ankunft in Brüssel gemerkt hatte, dass ich etwas mehr Qualitäten als die anderen Kids in meinem Alter habe und womöglich wirklich etwas daraus machen kann, habe ich dem Basket­ball dann den Rücken gekehrt. Beim Fuß­ball musste ich wiederum etwa zur gleichen Zeit erstmal meine Position finden. Denn ich habe damals gefühlt alles gespielt: Rechts­verteidiger, Stürmer, Flügel und selbst Torwart. In der U14 beim RSC Anderlecht hatten sich unsere beiden Keeper verletzt, so dass ich ins Tor gegangen bin. Dort habe ich sechs Spiele gemacht und war richtig gut. Doch dann habe ich kurz über­legt und mich gefragt: Hey, willst du wirklich Tor­wart werden? Und die Antwort war: nein! Denn das war mir irgend­wie zu langweilig, ich musste zurück an den Ball. Dennoch wäre ich fast Torwart geworden – es hat nicht viel gefehlt. (lacht)

Mit 16 Jahren ging es dann für mich nach Deutschland, in den Nach­wuchs der TSG Hoffenheim. Das war ein wirklich schwerer Schritt für mich, da ich ein absoluter Familien­mensch bin und zuvor noch nie so richtig von meiner Familie getrennt war. Als ich zum Beispiel bei Zulte Waregem gespielt habe, habe ich noch in Brüssel gewohnt und bin immer mit dem Zug je eine Stunde hin und zurück gependelt, um bei meiner Familie zu bleiben. Doch ich wusste, dass sich Deutschland fuß­ballerisch auf einem sehr hohen Level bewegt. Als sich diese Möglich­keit ergeben hat, habe ich nicht daran gezweifelt. Ich wollte unbe­dingt rüber und sehen, wie es ist. In den ersten drei bis vier Wochen war es noch schwer, da ich das Internats­leben nicht kannte, aber mit dem Training und den Spielen ist mit der Zeit ein Rhythmus entstanden, der mich das verges­sen ließ. Am Ende bin ich froh, dass ich diesen Schritt gegangen bin und meinen Traum, Fußballprofi zu werden, verfolgt habe – und jetzt beim HSV gelandet bin.

Gleichzeitig hatte ich aber auch immer einen Plan B parat und habe viel Wert auf die Schule gelegt. Ich war ein guter Schüler, konnte mir gut vorstellen, im Sport­manage­ment-Bereich zu arbeiten oder Arbeiten nachzu­gehen, bei denen ich viel reise und mit Menschen in Kontakt stehe. Nicht zuletzt meine Mutter hat viel Wert daraufgelegt, dass ich einen guten Schulab­schluss mache. Als das Angebot aus Hoffen­heim kam, wollte sie zum Beispiel kaum etwas von dem fußballer­ischen Angebot wissen, sondern hat vor allem nach der schulischen Aus­bildung gefragt. (lacht) Aktuell konzentriere ich mich zwar auf den Fußball, zugleich hole ich aber auch online mein Abitur nach und möchte das unbedingt erfolg­reich abschließen.