Haben dir damals als junger Akteur Führungsspieler gefehlt, die dich sozusagen an die Hand nehmen oder woher kamen die Zweifel, es nicht zu packen?
Solche Führungsspieler gab es schon. Lukas Podolski ist mir zum Beispiel positiv in Erinnerung geblieben. Als ich ihn damals das erste Mal gesehen habe, war das ein kleiner Wow-Effekt für mich. Er war schließlich bei der WM 2006 dabei und plötzlich habe ich mit ihm eine Kabine geteilt. Er hatte ein gutes Händchen für uns junge Spieler. In Köln war die Situation eher insgesamt schwierig, da wir eine zusammengewürfelte Mannschaft hatten und im Abstiegskampf steckten. Außerdem waren die Zeiten damals andere, es gab viel weniger junge Spieler als heute. Wenn man sich zum Beispiel unsere jetzige Mannschaft ansieht, dann haben wir acht Spieler, die 21 Jahre oder jünger sind. Da fühlt man sich in der Gruppe automatisch viel wohler und sicherer. Damals bist du als junger Spieler morgens zum Training gefahren, hast wenig gesagt und achtungsvoll hochgesehen und warst froh, dass du abends wieder im Auto saßt. (lacht) Vielleicht hat mir auch etwas die Frechheit gefehlt, um in dieser Konstellation sofort meine Leistung zu bringen.
Wie würdest du das Verhältnis zu deinem Vater beschreiben? Welche Rolle hat er für deinen sportlichen Werdegang gespielt?
Mein Vater hat mich relativ früh begleitet, selbst beim Dorfverein war er damals bei jedem Training am Platz. Und das quasi als einziger Vater, so dass ich selbst gedacht habe: „Mensch, fahr doch nach Hause.“ (lacht) Doch er ist nach der Arbeit immer gekommen und hat zugesehen. Später in der Jugend hat er mich an den Wochenenden auch immer von Bocholt aus zu den Spielen nach Duisburg gefahren. Wir teilen die typischen Fußballerinnerungen miteinander, sind beide mit Traditionsvereinen großgeworden und haben vor der Bundesliga-Konferenz gehangen – erst am Radio, später im TV auf Premiere. Auch heute noch ist mein Vater derjenige, den ich nach einem Spiel sofort anrufe. Manchmal sind es nur zehn Sekunden, manchmal aber auch zehn Minuten, in denen ich ein Feedback von ihm bekomme.
War dein Vater damals zu deiner Kinder- und Jugendzeit fordernd oder hat er dich dein Ding machen lassen?
Mein Vater war in der F-Jugend mal kurz kurzzeitig mein Trainer, aber ansonsten habe ich keinerlei Druck bekommen. Im Gegenteil: Ich habe von klein auf liebend gern Fußball gespielt und es war einfach mein Traum, Fußballprofi zu werden. Der Spaß stand immer im Vordergrund und mein Vater war diesbezüglich unterstützend an meiner Seite und hat mir geholfen, diesen Traum wahrwerden zu lassen.
So richtig als Profi etabliert hast du dich beim 1. FC Union Berlin, ehe deine Karriere anschließend mit dem Wechsel zum VfL Bochum richtig an Fahrt aufnahm. Inwieweit bist du in dieser Zeit durch deine Leistungen erstmals zu einer Art Führungsspieler gereift?
In Bochum habe ich von Beginn an eine große Rückendeckung gespürt. Trainer Peter Neururer und Sportvorstand Christian Hochstätter wollten mich unbedingt haben. Der Peter kam damals auf einer Harley-Davidson zum Treffen. (lacht) Er war einfach grundehrlich, wir hatten ein richtig cooles Gespräch, so dass ich ein gutes Gefühl hatte. Er hat mich dann auch während der Saison unglaublich gepusht, mir immer wieder meine Stärken vor Augen geführt und so habe ich mich peu à peu gesteigert. Im ersten Jahr waren es 16, im zweiten Jahr 25 Tore. Nachdem ich die erste Saison bestätigt hatte, war mir klar, dass ich noch mehr will und bereit für den nächsten Schritt bin. Ich habe sowohl in der Bundesliga als auch in der Zweiten Liga verschiedene Optionen geprüft, auch England war zwischenzeitlich ein Projekt, das ich mir hätte vorstellen können.
Am Ende hat der VfB Stuttgart den Zuschlag bekommen, der gerade in die 2. Liga abgestiegen war.
Ja, das war für meine Entwicklung genau der passende Club. Ich wollte eine richtig gute Rolle bei einem großen Traditionsverein spielen. Nach Union Berlin und Bochum war der VfB Stuttgart einfach nochmal eine Nummer größer. An dieser Aufgabe konnte und wollte ich wachsen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich das erste Heimspiel gegen den FC St. Pauli vor 60.000 Zuschauern erlebt habe. Das war atmosphärisch der Hammer, aber mit dieser Situation – vor so vielen Menschen mit einer hohen Erwartungshaltung zu spielen – musste ich erstmal klarkommen. Doch ich habe mich schnell gefangen, auch weil ich ruhig geblieben bin und die Atmosphäre in so einem großen Verein in Ruhe aufgesaugt habe. Am Ende habe ich wieder meine Tore gemacht.