Als Jugendlicher bewunderte das echte Nordlicht Peter Nogly – geboren und aufgewachsen am Ostseestrand von Travemünde – den Hamburger SV und dessen Mannschaftsführer Uwe Seeler, hielt zwischen 1969 und 1980 elf Jahre lang selbst als Profi die Knochen für seinen HSV hin und lief auch anschließend noch mehrere Jahrzehnte mit der Raute auf der Brust auf. Denn als Mitglied der HSV-Altliga ist „Eiche“, wie er einst aufgrund seiner Unverwüstlichkeit getauft wurde, bis heute im Einsatz. Kurzum: Ein Leben im Zeichen des HSV! Und des Fußballs. Und des Sports ganz allgemein. Denn HSV-Walk-of-Fame-Mitglied Nogly dreht auch mit 76 Jahren noch regelmäßig seine Neun-Kilometer-Runde durch die Natur. Wie seine beeindruckende Fitness sein Leben und seine Karriere beeinflusst hat, welche Rolle dabei das Kapitänsamt spielte und wie es sich anfühlt, fast auf einer Stufe mit seinem eigenen Vorbild zu stehen, darüber spricht Peter Nogly im großen HSVlive-Interview.
Peter Nogly (ganz links) und sein Vorbild und Mitspieler Uwe Seeler (ganz rechts) – und dazwischen die legendäre HSV-Mannschaft von 1972. Von links: Manfred Kaltz, Klaus Winkler, Özcan Arkoc, Helmut Sandmann, Rudi Kargus. Vorn v.l.: Günter Selke, Jürgen Kurbjuhn, Caspar Memering, Peter Lübeke, Klaus Zaczyk.
Peter, du hast im HSVlive-Interview zu deinem 75. Geburtstag gesagt, Uwe Seeler sei früher dein großes Vorbild gewesen, als du damals als Jugendlicher am Priwall-Strand von Travemünde und später in Lübeck gekickt hast. Heute bist du nach Uwe Seeler der Spieler mit den meisten Bundesliga-Einsätzen als HSV-Kapitän. Macht dich das stolz?
Ja, das macht mich schon ein bisschen stolz, das muss ich zugeben. Es war überhaupt schon eine große Ehre für mich, zum HSV zu wechseln, auch wenn das damals alles ein bisschen drunter und drüber ging. Ich hatte zu der Zeit ein Angebot vom FC Bayern München, dem mein Freund Siggi Beyer und ich schon fast eine Zusage gegeben hatten, sowie von Nottingham Forrest, die mich nach einem Testspiel mit meinem damaligen Club Phönix Lübeck eigentlich gleich dortbehalten wollten. Siggi Beyer und ich hatten aber den Wunsch, weiterhin zusammen zu spielen, und Siggi wollte lieber hier oben im Norden bleiben. Dieser Entscheidung habe ich mich dann angeschlossen.
Was dir als echtes Nordlicht ja aber wahrscheinlich nicht schwergefallen ist.
Ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Der HSV hatte mich ja damals schon gepackt durch seine herausragenden Spiele im Europapokal und eben vor allem durch Uwe Seeler, der mein absolutes Idol war und dessen Art zu spielen ich bewundert habe. Ihn und seine Tricks und Tore habe ich damals am Strand nachgespielt, und nun durfte ich mit ihm gemeinsam auf dem Platz stehen. Das war Wahnsinn für mich! In meinen ersten Trainingseinheiten habe ich gegen ihn jedes Kopfballduell verloren, obwohl ich einen Kopf größer war. Wenn ich gerade zum Kopfball hochsteigen wollte, dann stand Uwe schon in der Luft, und wenn ich wieder auf dem Boden landete, dann stand er dort noch immer. Von ihm habe ich so unglaublich viel gelernt, sportlich wie natürlich auch menschlich.
Und später wurdest du dann genau wie dein großes Vorbild Kapitän der Mannschaft. Sind die Erfolge und Titel die prägendsten Erinnerungen an diese Zeit, oder vielleicht andere Momente wie beispielsweise Begegnungen mit großen Persönlichkeiten?
Mit Sicherheit waren die Titel etwas Besonderes, denn bis auf den Europapokal der Landesmeister haben wir damals Ende der siebziger Jahre ja alles gewonnen. Dieses 0:1 gegen Nottingham in Madrid im größten Finale unseres Lebens, das tut bis heute weh, aber wir sind Deutscher Meister, DFB-Pokalsieger und Europapokalsieger der Pokalsieger geworden. Diese Trophäen in Empfang zu nehmen, das waren schon sehr besondere Momente für mich. Die Begegnungen mit den ganz großen Persönlichkeiten habe ich dann eher nach meiner HSV-Zeit erlebt, die endete, weil ich mit Trainer Branko Zebec meine Probleme hatte. Ich nahm deshalb ein Angebot aus Amerika an und spielte gemeinsam mit Pele, Franz Beckenbauer und anderen großen Namen in einer Liga. Das war ein riesiges Abenteuer.
Du blickst dennoch auf elf Jahre HSV zurück, eine lange Zeit. Was waren damals deine Hauptaufgaben als Mannschaftsführer?
Vorbild zu sein – das war aus meiner Sicht die wichtigste Funktion. Und als verlängerter Arm des Trainers dessen Vorstellungen mit der Mannschaft umzusetzen. Das Problem war nur, dass ich oftmals meine ganz eigenen Vorstellungen hatte. (lacht) Ich bin als Abwehrspieler aufgelaufen, war aber trotzdem meist immer ganz vorn dabei. Das gefiel nicht nur Uwe Seeler gar nicht, sondern auch den Trainern nicht. Dabei habe ich damals viele Tore geschossen, und ich wollte auch nicht nur hinten stehen und zugucken, wie das Spiel da vorne läuft.
Sport, Sport, Sport: „Stillsitzen ist nichts für mich“, sagt Peter Nogly, hier beim Hallenfußball im Einsatz für den guten Zweck, Tennis mit Karl-Heinz Gründel, Eishockey in einem Legendenspiel und beim Kicken in der HSV-Altliga beziehungsweise hier für die „Hamburg-Allstars“ mit (v.l.) Tomas Gravesen, Piotr Trochowski, Patrick Ittrich und Allan Jepsen – und „Eiche“ als Kapitän. Natürlich.
Mit dieser aus heutiger Sicht modernen Spielweise warst du damals der Zeit voraus.
Ja, das kann man so sagen. Ich habe es einfach nicht verstanden, warum ich mich nicht einbringen soll. Ich habe damals meist gegen den gegnerischen Mittelstürmer gespielt – und aus meiner Sicht lief das Spiel gut, wenn der mehr in seinem eigenen Strafraum war, um mich zu decken, als dass er in unserem Strafraum lauerte. Und ich habe ja meist auch gemerkt, dass ich viel fitter war, viel mehr laufen konnte und das wollte ich ausnutzen. Es hat mich immer gefreut, wenn der gegnerische Stürmer irgendwann genervt gefragt hat, was denn mit mir los sei und warum ich so viel renne.
Hast du diese harte Arbeit an der Fitness schon immer in dir getragen, oder war es auch ein Stück weit deinem Anspruch an dich selbst als Kapitän geschuldet?
Ich mochte es schon immer, viel zu laufen, hart zu trainieren und mich zu verausgaben. Das Training früher war mir viel zu lasch, da habe ich vor dem eigentlichen Training immer schon meine eigenen Läufe gemacht. Aber das alles hat sich durch meine Aufgabe als Mannschaftskapitän noch intensiviert, denn ich wollte unbedingt immer ein Vorbild für meine Mitspieler sein und vorangehen. Und die Mannschaft hat das ja auch gewollt, schließlich hat sie mich damals zum Kapitän gewählt.
In dieser Mannschaft hast du mit späteren HSV-Mannschaftsführern wie Felix Magath, Horst Hrubesch und Ditmar Jakobs gespielt. Waren das Persönlichkeiten, denen du schon damals diese Rolle zugetraut hast?
Ja, das habe ich. Sie haben immer mitgezogen, waren gierig aufs Gewinnen und wollten den maximalen Erfolg. Da hat sich früh gezeigt, dass sie mal Führungsspieler werden können. Gerade Felix und Ditmar waren auch bei unseren Laufeinheiten immer ganz vorn mit dabei.
Und Horst Hrubesch?
Der hatte andere Qualitäten. Auf dem Platz hat Horst die Tore gemacht und zusätzlich immer noch mehrere Gegenspieler gebunden – links und rechts hingen ja immer noch zwei Gegenspieler an seinen Armen dran, das war ja verrückt. Und in der Kabine hatte Horst natürlich später auch eine besondere Rolle und war nicht umsonst der Kapitän der erfolgreichen 83er-Mannschaft.
Nach deiner Spielerkarriere warst du über einen Zeitraum von 25 Jahren in verschiedenen Amateurclubs als Trainer tätig. Wie hast du in dieser Zeit die Frage nach dem richtigen Kapitän beantwortet?
Die Frage habe ich eigentlich gar nicht beantwortet, denn meist war ja schon ein Mannschaftskapitän da, wenn ich das Traineramt übernommen habe. Und ich war auch schon zu meiner Zeit als Spieler ein Freund davon, dass die Mannschaft ihren Kapitän wählt, deshalb habe ich es auch als Trainer so gehandhabt und habe den Mannschaftskapitän nicht bestimmt.
Du hast mit dem VfB Lübeck, Phönix Lübeck, dem 1. SC Norderstedt, Eutin 08, dem SC Victoria Hamburg und einigen weiteren Clubs viele ambitionierte Amateurvereine trainiert und bist dabei stets im hohen Norden geblieben. War dies eine bewusste Entscheidung, oder hättest du dir auch als Trainer den Profibereich vorstellen können?
Ich hätte es mir ausschließlich als Co-Trainer vorstellen können, so wie 2005/06 mit meinem früheren Mitspieler Willi Reimann, als wir in den Vereinigten Arabischen Emiraten gearbeitet haben. Aber es hat sich anschließend nicht mehr ergeben. Für mich war das aber auch gar kein Problem, denn ich habe schon immer die Meinung vertreten, dass es eigentlich die Pflicht eines jeden ehemaligen Profispielers ist, sein Wissen und seine Erfahrungen an die Jugend- und Amateurspieler weiterzugeben. Das habe ich sehr gern getan. Und mir hat die Arbeit mit den Amateurmannschaften auch immer viel Spaß gemacht, auch wenn man hier und da in Puncto Professionalität natürlich Abstriche machen muss. Es ging den allermeisten Spielern vorrangig um den Spaß, was ich auch unterstützt habe, aber daher habe ich damals die Rolle des Kapitäns meiner Mannschaften auch nicht als ganz so wichtig empfunden.
In der 1. und 2. Bundesliga kommt es mittlerweile immer wieder vor, dass die eigentlichen Mannschaftskapitäne gar nicht mehr jede Woche zur Stammelf zählen. Wie bewertest du diese Tatsache?
Das liegt sicherlich daran, dass sich die Spieleranzahl im Kader im Vergleich zu früher dramatisch vergrößert hat. Wir haben damals mal in einer Saison zwölf Spieler eingesetzt, heute hingegen darf man allein pro Partie fünfmal wechseln – das sind natürlich gravierende Unterschiede. Und daraus ergibt sich, dass die Kader immer größer werden und sich die Aufstellungen häufiger ändern. Gut finde ich das nicht, denn meiner Meinung nach steigt die Chance auf Erfolg, je kleiner die Gruppe ist. Und der Kapitän sollte eigentlich auch Stammspieler sein.
Sebastian Schonlau ist unangefochtener Stammspieler, fiel jedoch zuletzt verletzt aus. Wie siehst du ihn als Kapitän?
Ich denke, er macht seine Sache gut, aber auch er hat natürlich ganz andere Aufgaben zu erfüllen als wir damals. Gerade auch die Mannschaftsgröße betreffend. Denn natürlich sind die vielen Spieler, die nicht wie gewünscht zum Einsatz kommen, mit ihrer Situation nicht immer zufrieden. Und hierbei muss heute auch ein Kapitän viel moderieren, das hat es in dieser Form früher nicht gebraucht.
Du verfolgst den Fußball nach wie vor hautnah, auch kritisch, und bist dem HSV bis heute treu geblieben, nachdem du von 2014 bis 2017 zusätzlich auch noch einmal im Aufsichtsrat gesessen und dort ebenfalls Verantwortung für den HSV übernommen hast. Was macht deine sehr intensive Verbindung zum HSV aus?
Ich habe früher Handball gespielt, zu meiner Zeit in den USA viel Hallenfußball, später auch gern auch Eishockey und Tennis, aber: Der Fußball war und ist mein Leben, und der HSV mein Verein. Ich spiele bis heute gern für die HSV-Altliga, wenn ich dort wohl demnächst mein Abschiedsspiel absolvieren werde, und ich liebe es, ins Volksparkstadion zu gehen, die Atmosphäre zu erleben, meine Mitspieler von damals zu treffen, gemeinsam die Spiele anzuschauen und noch immer ein Teil des HSV zu sein. All das hätte ich mir damals als Knirps am Priwall-Strand niemals träumen lassen.