Seit rund zwei Jahrzehnten ist Miroslav Zadach Zeugwart des Hamburger SV – und damit der wichtigste Mann, wenn es für die Spieler der Rothosen um ihr Equip­ment geht. Hierbei natürlich auch immer im Fokus: die Trikots.­ Ein Besuch in den heiligen Hallen des HSV-Kabinen­trakts in den Tiefen des Volks­park­stadions.

Ein bisschen versteckt liegt das Reich von Miroslav Zadach, hinten links zwischen Fitness- und Auf­enthalts­raum, und Unbe­fugte gelangen ohnehin nicht bis hierhin. Denn die Kabine ist – jeder Mann­­schafts­­sportler kann dies bestätigen – absolut heilig. Es ist das private Refugium der Spieler, die hier unter sich sind. Und wenn man von der Kabine, dem Herzstück des Mann­­schafts­­traktes im Inneren des Volks­­park­­stadions, noch einmal links und an­­schließend einmal rechts ab­biegt, dann steht man in der hintersten Ecke der Kata­­komben – und damit vor der Tür, hinter der die Schätze lagern: Miros Reich.

Miro Zadach hat in den vergangenen knapp 20 Jahren alle HSV-Spieler und -Trainer hautnah erlebt, tagtäglich, bei der Arbeit und privat. Kaum ein Erlebnis, das er nicht geteilt hat, kaum ein Kabinen­­geheimnis, das er nicht kennt. Zumal Zadach auch noch als Busf­ahrer der Rothosen fungiert. Die gute Seele des innersten Kreises, sozu­sagen, wenn auch nie verlegen um einen kernigen Spruch, den der gebürtige Pole hier und da gern mal fallen lässt, ihn dabei aber niemals böse meint. Statt­­dessen pflegt er ein überaus enges und herz­liches Verhält­­nis zu seinen Jungs, wie er die Spieler nennt. Die mögen ihn und seine ebenso lustige wie direkte Art, mit der er schon HSV- und Fuß­ball­größen wie Ruud van Nistel­rooy oder Mladen Petric zum Lachen brachte.

Ja, die gute alte Zeit – für Miro Zadach war sie eine sehr arbeits­­intensive. „Das waren andere Zeiten damals“, erinnert sich der Zeug­wart, „damals hatten die Spieler eine unbe­­grenzte Anzahl an Trikots zur Verfügung und haben pro Spiel immer zwei bis drei Trikots mit den gegne­rischen Spielern getauscht.“ Für ihn bedeutete dies: „Ich war die ganze Woche mit der Nach­produktion beschäftigt, damit jeder Spieler am kommenden Wochen­­ende wieder seine drei Trikots zur Verfügung hatte, denn in der Halb­zeit wird das durch­­ge­schwitzte Shirt gegen ein sauberes getauscht, und eines habe ich immer in Reserve für Notfälle dabei, falls dem Spieler das Trikot in der zweiten Hälfte mal reißt.“

Gewissenhafte Arbeit: Miroslav Zadach an der Flock-Maschine und in seinem Büro vor den Trikots seiner polnischen Lands­leute und Weg­gefährten.

An dieser Dreier-Regel hält Zadach auch heute noch fest, Vorsicht ist schließlich die Mutter der Porzellan­kiste. Aber er muss nicht mehr so viele Trikots nach­produzieren. „Heute bekommt jeder Spieler pro Saison fünf Trikots vom Verein zur Verfügung gestellt“, erklärt Zadach und ergänzt: „Viele von den Jungs halten das Kontingent ein, manche nehmen aber auch ein paar mehr, die sie dann aller­dings selbst be­zahlen müssen. Bobby Glatzel zum Beispiel tauscht ganz gern, Ludo Reis auch, aber das ist alles im Rahmen, die Jungs sind da sehr vernünftig. Absolut kein Ver­gleich zu früher.“

Das Lager von Miro Zadach ist dennoch proppe­voll. Aus­rüster adidas hat gerade neue Trainings­kleidung und natür­lich reichlich neue Trikots ange­liefert. „Das gesamte Material für die neue Saison, ich muss dringend Ordnung schaffen“, sagt Zadach schmunzelnd, während ihn in seinem kleinen Büro von der Wand aus die Trikots seiner Lands­leute und heute sogar Kumpels Lukas Podolski und Lukasz Piszczek anlächeln. Ja, er hat viele große Persönlich­keiten kennengelernt in diesen auf­regenden Jahren, in denen er mit dem HSV in Dortmund, München, natürlich auch inter­national und allein in rund 40 Trainings­lagern in aller Welt unter­wegs war. Der einzige Fauxpas in zwei Jahrzehnten aber, der ereilte ihn quasi direkt vor der Haus­tür. „Beim Spiel in Kiel kam Jan Gyamerah in der Halbzeit zu mir und sagte: Miro, mein Name steht falsch auf dem Trikot. Und tatsäch­lich, dort stand Gaymerah statt Gyamerah. Der arme Kerl war ganz aufgeregt. Das tat mir schon leid, zumal ich ihm in dem Moment kein neues Trikot geben konnte, denn alle Trikots waren falsch. Ein Buch­staben­dreher bei den von einer externen Firma angel­ieferten Flocks – das war eine absolut ein­malige Geschichte, mir ist so etwas in all den Jahren nie begegnet, daher hatte ich da beim Beflocken der Trikots kein Auge drauf. Aber die Story bleibt natürlich hängen.“

Der HSV machte das Beste daraus, versteigerte dieses Unikat-Trikot für einen guten Zweck und sammelte so stolze 4.000 Euro ein. Dennoch, für Miro Zadach war es ein Zeichen, dass nicht nur auf dem Platz, sondern auch in den heiligen Hallen in den Kata­komben des Volks­park­stadions immer hundert­prozentige Konzen­tration von­nöten ist. „Man darf nicht vergessen, dass so viele Menschen zu­schauen, die Medien sehen alles und am Ende kann jede Kleinigkeit zu einer Pein­lichkeit oder sogar einem Skandal werden“, sagt der Mann, der seinen Jungs Woche für Woche vor dem Spiel akkurat die Kabine vorbereitet. „Ich habe für mich und meine Arbeit den Anspruch, dass alles optimal und perfekt sein muss, es muss alles stimmen, deshalb geht es für mich um Genauigkeit und totale Konzen­tration. Und so geht die Aufregung, die ich früher in der Anfangs­zeit verspürt habe, irgend­wann zurück, es wird über die Jahre zu einem Job.“ Den er aber liebend gern und mit totaler Hingabe verrichtet – da hinten links und rechts ums Eck in seinem Reich: den heiligen Hallen der Volks­park­stadion-Kata­komben.