Ein Kind des HSV wird 82:

Ein Fall für Charly

Er ist und bleibt ein Original. Einzigartig. Unnachahmlich. Ein Gute-Laune-Gert. Stets den Schalk im Nacken, immer einen auf Lager. Ein echtes Erlebnis – damals wie heute. „Wenn ich richtig in Form bin, stoppt mich keiner“, sagt Gert „Charly“ Dörfel.

Als er im Sommer 1959 als 19-Jähriger von der Amateur- in die Liga-Mann­­schaft des HSV wechselte, bekam er seinen zweiten (Vor-)Namen verpasst. Damals dröhnte es aus der Juke-Box: „Charly Brown, Charly Brown, das ist ein Clown, der Charly Brown“. Die Hit-Melodie – im US-Original von den Coasters – wurde mit einem deutschen Text versehen: „Wer tut, was er nicht tun soll? Charly Brown, der hat nur immer Unsinn im Sinn.“ Das passte perfekt zum Spaß­vogel und Frech­dachs Dörfel. Nicht nur optisch, wegen der frap­pierenden Ähnlich­keit zur Comic­figur des Zeichners Charles M. Schulz, sondern vor allem auch inhaltlich: Gedacht, gesagt. Der Weg vom Gehirn bis zur Zunge ist kurz, das Mundwerk locker. „Unreflektiert“ sagten Kritiker. „Erfrischend ehrlich“ und „geraderaus“ Wohl­meinende und Fans. Einfach mal einen raushauen. Bewegungs­talent Dörfel begeisterte nicht nur auf dem Fußballrasen, sondern auch als begnadeter Artist und Akrobat und wurde so beim HSV zum zuver­lässigen Lieferanten – nicht nur von Toren und Vorlagen, sondern auch von reichlich kuriosen Geschichten.

Für die HSVlive öffnete er 2020 noch einmal die „Anek­doten-Schatz­kiste“. Nach zehn höchst unterhalt­samen Kolum­nen aus seinem ganz persön­lichen „Paradies der Erinnerung“ meinte er: „Nun ist auch gut. Jetzt hab ich alles erzählt.“ Schade eigent­lich, dachten nicht nur wir von der Redaktion, sondern auch viele unserer Leser. Doch zum Glück ist Charly Dörfel ein echter Enter­tainer. Unlängst meldete er sich: „Jungs, einen hab ich noch! Die Story müsst Ihr unbedingt noch hören, eine meiner größten Nummern, wirklich wahr!“, lud er zum Haus­besuch in See­vetal ein. 

Schnappschüsse aus dem Fotoalbum: Gert „Charly“ Dörfel
und sein Balance-Akt an den Wasserfällen von Iguazú. 

Die Zugaben-Geschichte ereig­nete sich, als das Flutlicht im Volkspark für den Links­außen lange erloschen und die letzte Maß­flanke auf Uwe Seeler längst geschlagen war. 1984 war’s. Auf der Süd­amerika-Tour mit der HSV-Alt­liga. Eine legendäre Reise. Allein wegen der „dollen Truppe“, die damals mit war: Horst Blanken­­burg zum Beispiel, Jürgen Kurbjuhn, Manni Waack und natürlich „Manager“ Harry Bähre. Mit Anhang. Unvergess­­liche Tage. Ein bisschen Kicken und die Raute repräsen­tieren, dazwischen Sight­seeing. Eine Station dabei: Die Wasser­­fälle von Iguazú im brasilianisch-argen­tinischen Grenz­­gebiet. Ein gigantisches Natur­­schau­spiel. Bis zu 7000 Kubik­­meter Wasser stürzen dort an manchen Stellen sekündlich bis zu 80 Meter in die Tiefe. Besonders eindrucks­­voll am „Teufels­­schlund“, einer U-förmigen, 150 Meter breiten und 700 Meter langen Schlucht. Und was macht „Teufelskerl“ Dörfel, seinerzeit 44-jährig, an diesem spekta­kulären Ort? Klettert auf ein schmales Schutz­­geländer und balanciert über dem tosenden Abgrund. „Glaubt ihr nicht? Dann guck mal hier!“, sagt er und zeigt sein Fotoalbum mit den entsprechenden Schnapp­­schüssen. Atemberaubend – für die Mit­reisenden damals wie für den Betrachter heute. Und absolut mit­reißend – zum Glück nur indirekt. Charly Dörfel erzählt und präsentiert das alles mit leuchtenden Augen. Man merkt und freut sich: Da sitzt einer, der sich sein fröhlich-kind­liches Gemüt bewahrt hat. Bis ins hohe Alter. „So war ich einfach und so bin ich immer geblieben“, sagt Dörfel und fügt nach einer kleinen Pause nach­­denklich hinzu: „… auch wenn das nicht unbe­dingt immer honoriert wurde und hilf­reich für mich war!“

Wir antworten dem großen HSVer hier­auf und natürlich auch zum 82. Geburtstag (am 18. September) mit einem kleinen Ständ­chen. Und alle! Mit­singen!

»Wie schön, dass Du geboren bist,

wir hätten Dich sonst sehr vermisst!

Bleib, wie Du bist, Du Hamburgs Sohn, 

denn alle anderen gibt es schon!«