Startelf – sieben „Hamburger Jungs“ und vier „Ausländer“ gingen 1963 als erste HSV-Profis in die Bundesliga-Geschichte ein (v.l.): Kapitän Dieter Seeler (1. Verein: HSV), Torwart Horst Schnoor (Langenhorner TSV), Jürgen Kurbjuhn (Buxtehuder SV/Niedersachsen), Ernst Kreuz (Viktoria Aschaffenburg/Bayern), Hubert Stapelfeldt (Ottensen 93), Peter Wulf (Viktoria Harburg), Fritz Boyens (Preetzer TSV/Schleswig-Holstein), Willi Giesemann (TSV Sülfeld/Niedersachsen), Gerd Krug (Post SV Hamburg), Uwe Seeler (HSV) und Charly Dörfel (Polizei SV Hamburg).

HSV-Geografie: Mittlerweile 482 verschiedene Spieler haben seit dem Bundesliga-Start im Jahr 1963 in Punktspielen das Trikot der HSV-Profimannschaft getragen. Doch wo haben diese Jungs eigentlich als lütte Buttjes zum ersten Mal organisiert im Verein gegen den Ball getreten? Eine Spurensuche.

Als Anfang der 1960er Jahre nach langen Diskussionen mit der Bundesliga auch in Deutschland eine Profi-Spielklasse eingeführt wurde, war der Fußball noch eine ziemlich „heimelige“ und lokale bzw. regionale Sache. Das Gerüst des HSV-Kaders in der Premieren-Saison 1963/64 beispielsweise bildeten die Meister-Spieler von 1960 und damit hauptsächlich gebürtige Hamburger. Angereichert wurde das Aufgebot damals durch ein paar aus dem näheren Umkreis der Hansestadt Zugezogene – „Quiddjes“, aufgewachsen im benachbarten Schleswig-Holstein wie Fritz Boyens oder in Niedersachsen wie Jürgen Kurbjuhn und Willi Giesemann, die augenzwinkernd auch als „Ausländer“ bezeichnet wurden. Die Auszählung knapp 60 Jahre später ergibt: Lokalmatadoren machen noch immer den größten Teil der HSV-Profis aus. 70 der 482 Spieler, also knappe 15 Prozent, jagten erstmals in Vereinen an Elbe und Alster dem Fußball hinterher. Ebenfalls wenig überraschend: Das zweitgrößte Kontingent entstammt dem bevölkerungsreichsten und wohl fußballverrücktesten Bundesland. 49 spätere HSVer „pöhlten“ zunächst in NRW.

„Exoten“ mit Seltenheitswert kommen dagegen – naturgemäß möchte man sagen – aus der hanseatischen Nachbarschaft. Für den Stadtstaat mit dem unaussprechlichen Namen haben wir nur ein mickriges Duo ermitteln können: 1966 kam der in Halle an der Saale geborene und bei Werder ausgebildete Hans Schulz von der Weser in den Volkspark, acht Jahre später der Bremerhavener Horst Bertl. Noch exklusiver die saarländische „One-Man-Show“: Lediglich Robert Pötzschke vom SV Merzig fand 1968 den über 600 Kilometer langen Weg von der französischen Grenze in den hohen Norden.

Dass weite Distanzen zwischen Heimat und beruflicher Wahlheimat kein Hinderungsgrund sein müssen, zeigt indes die relativ hohe Zahl von 34 bayrischen Spielern, die es zum HSV zog. Kurios: Die Gegend rund um Aschaffenburg, immerhin 400 Kilometer Luftlinie bzw. mehr als 500 auf der Autobahn vom Bahrenfelder Stadion entfernt gelegen, ist ein regelrechtes „HSV-Nest“. Hier, im Unterfränkischen, im nordwestlichsten Zipfel des Freistaates, bzw. gleich nebenan im Südhessischen, wurde eine erstaunliche Zahl späterer Rothosen fußballerisch groß. Die Stammvereine von allein zehn Bundesliga-Spielern des HSV lassen sich hierhin verorten: neben dem von Club-Ikone Felix Magath (VfR Nilkheim) auch die von Ernst Kreuz, Startelf-Mitglied von Münster 1963, und Egon Horst (beide Viktoria Aschaffenburg), Walter Krause (TSV Klein-Krotzenburg), Thomas Kroth (SV Erlenbach), Jochen Seitz (TSV Heimbuchenthal), Heiko Westermann (SG Schimborn), Ivo Ilicevic (1. FC Südring Aschaffenburg), Nicolai Müller (TSV Wernfeld) oder Mergim Mavrai (Sportfreunde Seligenstadt).

Das Stöbern in den einzelnen Spieler-Biografien und das virtuelle Groundhopping zu den Wurzeln und Heimatvereinen der späteren HSV-Profis fördert neben renommierten und hochdekorierten Adressen des Weltfußballs wie dem RSC Anderlecht (gleich dreimal: Vincent Kompany, Orel Mangala, Amadou Onana), Ajax Amsterdam (Nigel de Jong), Olympique Marseille (Guy Demel) oder dem FC São Paulo (Émerson Luiz Firmino) auch so manche Provinz-Perle zu Tage. Vereinsnamen zum Verlieben und Niemals-Wieder-Vergessen wie der Reinickendorfer FC Alt-Holland aus Berlin (Arno Steffenhagen), der FC Starkenburgia Heppenheim (Jürgen Groh) oder die DJK Borussia Byfang aus Essen (Sven Neuhaus).

Mit der politischen Wende, dem Fall des Eisernen Vorhangs und schließlich der deutschen Wiedervereinigung Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre kamen mit den fünf „neuen Bundesländern“ und Ost-Berlin schließlich noch Gebiete hinzu, die bis dahin auf der HSV-Landkarte weitgehend weiße Flecken gewesen waren. Als erste machten 1990 die beiden Berliner Dynamos Thomas Doll (ursprünglich: BSG Lok Malchin) und Frank „Wuschi“ Rohde (SG Dynamo Rostock-Mitte) „rüber“, damals noch offiziell als „Bürger der DDR“. 30 weitere „Ostler“ folgten und mit ihnen mittlerweile verschwundene Vereinsnamen zum Zungeschnalzen. Wie arm wäre doch die Fußball- und HSV-Welt ohne Empor Tabak Dresden (Uwe Jähnig) oder die Betriebssportgemeinschaften von Motor Großdubrau (Sven Kmetsch) und Medizin Berlin-Buch (Martin Pieckenhagen)?

Das alles ist zweifelsohne unverzichtbarer Small-Talk-Stoff zur Überbrückung der Wartezeit in der Schlange am Bier- oder Bratwurststand und extrem nützliches Angeberwissen fürs nächste Kneipen-Quiz. Einen Extrakt hiervon, gewissermaßen ein „Best of“, gibt es auf den folgenden Seiten: Aus den 317 Kickern, deren Karriere in Deutschland begann und irgendwann zum HSV führte, haben wir 16 ganz besondere ausgewählt – je einen Repräsentanten für jedes Bundesland. Die Übrigen, nämlich die exakt 164 ausländischen Profis, haben wir nach den Kontinenten sortiert, von denen sie stammen und präsentieren pro Erdteil (bzw. FIFA-Kontinentalverband) jeweils den Spieler mit den meisten HSV-Punktspielen.

Viel Spaß bei unserer kleinen Deutschland- und Weltreise!