Kurzgeschichten aus dem Volkspark

Manchmal reicht auch eine kürzere Zeit aus, um bei einem Club unvergessen zu sein. Die HSVlive-Kurzgeschichten stellen 20 Spieler mit einer besonderen HSV-Geschichte vor.

Beim Wälzen der dicken Bücher in den Archiven der HSV-Historie ist die HSVlive-Redaktion über viele kleine, witzige oder außergewöhnliche Anekdoten gestolpert. Anekdoten von Spielern, die in ihrer HSV-Zeit für besondere Momente gesorgt haben, ohne den Clubs der 200er oder der 10-Jährigen, die auf den Vorseiten dieser Ausgabe ausführlich vorgestellt werden, angehört zu haben. 20 weitere Spieler des HSV, die es geschafft haben, trotz weniger als 200 Spielen oder zehn Jahren mit der Raute auf der Brust Kult zu werden, stellt das HSVlive-Magazin daher vor. Geschichten von einzigartigen Typen oder Typen mit einzigartigen Geschichten – denn manchmal reicht eben ein Schuss oder gar eine Minute, um in den Annalen eines Fußballvereins unauslöschlich verewigt zu sein. 20 Rothosen – vom Kaiser über Robin Hood bis hin zum James Bond der Bundesliga – in knackigen Kurzgeschichten. Alles andere als langweilig!

Schuss ins Glück

Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft, sagt man immer. Manchmal ist es wirklich so, denn manchmal reicht ein Freistoß, um sich für immer und ewig in die Herzen der Fans zu schießen. Marcelo Diaz ist dies gelungen, mit seinem Freistoß, der 2015 in letzter Sekunde den Abstieg verhinderte. Während Fans, Spieler und KSC-Keeper Dirk Orlishausen dem noch fliegenden Ball nachschauten, drehte Diaz bereits jubelnd ab in dem Wissen, dass dieser Ball gleich einschlagen wird. Ein Schuss, der ihn bei allen HSVern zum Kult machte.

Der Kaiser

Der Kaiser, die Lichtgestalt, die wohl größte Persönlichkeit des deutschen Fußballs – hat auch für den HSV gespielt! Zwei Jahre lang, von 1980 bis ’82. Eine große Ehre! Im Januar 2024 ist Franz Beckenbauer verstorben und es mutet beinahe schon unheimlich an, dass die ARD zu exakt diesem Zeitpunkt eine vielbeachtete Doku über ihn herausbrachte, ebenso wie Christoph Bausenwein sein gelobtes Buch „Franz Beckenbauer: Kaiserjahre.“, in dem mit herausragenden Bildern noch einmal das Leben Beckenbauers auf 268 Seiten nachgezeichnet wird. In Erinnerung an den unvergessenen Kaiser.

„Torjäger“ auf Abwegen

„Dieki“ hat den HSV acht Jahre lang gelebt. Acht Jahre, in denen Dennis Diekmeier die rechte Seite beackerte, defensiv Zweikämpfe führte, offensiv Flanken schlug – und bei alledem in 184 Spielen für den HSV nicht ein einziges Tor schoss. Doch dieser vermeintliche Makel wurde im Laufe der Jahre eher zu einer Art Markenzeichen, zu einem – ja, man kann es ruhig schon sagen – Kult. Umso erstaunlicher, dass Diekmeier nach seinem Ende beim HSV dann doch noch zum „Torjäger“ wurde und für den SV Sandhausen in der 2. Liga drei Tore schoss. Das schönste davon – na klar – gegen seinen HSV.

Ein Spiel fehlt …

Der Mann, der den Club der 200er denkbar knapp verpasst, nämlich um exakt ein Spiel: Rafael van der Vaart, der wohl beste Fußballer, den der HSV in den 2000er-Jahren erlebt hat. Mit seinen Dribblings, seiner Schusstechnik und seiner ganzen Art verzauberte der „kleine Engel“ Hamburg – und das fast 200 Spiele lang. Bedeutet in Zahlen: 199 Partien für den HSV, dabei 66 Tore, 55 Vorlagen. Unglaubliche Zahlen eines unglaublichen Fußballers, der im Oktober 2019 im Volksparkstadion mit einem eigenen Abschiedsspiel seine Karriere beendete. Dankjewel, Rafa!

Der Robin Hood Hamburgs

Welch ein großartiger Fußballer, welch ein Torjäger und welch ein ikonischer Torjubel! Fast jedes Mal, wenn Mladen Petric einen Ball ins Tor geschossen hatte, schoss er anschließend einen Pfeil aus dem Stadion. Mit besten Grüßen gen Familie und begleitet vom Jubel der Fans, die dem „Magier“ in den 2000er-Jahren zu Füßen lagen.

Die wahre Nummer 1

Was für James Bond die 007 ist, ist für Harry Bähre die 001. Diese Nummer machte Bähre nämlich berühmt, denn dank ihr ist er offiziell der erste Bundesliga-Spieler. Nicht nur des HSV, sondern insgesamt. Anno 1963 hatte der Hamburger SV nämlich als erster Verein seine Unterlagen für die gerade neu gegründete Bundesliga eingereicht, und da bei der alphabetisch angeordneten Aufnahme der Spieler seitens des DFB keiner mit dem Anfangsbuchstaben A im Kader der Rothosen stand, wurde B-Ä-H-R-E als Spieler mit der Nummer 001 festgehalten. Legendär!

#HW4

Der Vorkämpfer, der Kapitän, der ehrliche Arbeiter – und der wohl erste Spieler, der in Anlehnung an Cristiano „CR7“ Ronaldo von den Fans einen Titel erhielt, der mehr als Huldigung, denn als Spitzname verstanden werden darf: Heiko Westermann a.k.a. HW4. Kult!

Total verrückt, total erfolgreich

Dieser Mann war wirklich speziell und verstand es, die HSV-Fans zu begeistern. Und auch die Mitarbeiter, denn einst erinnerte sich der damalige HSV-Pressesprecher Gerd Krall an eine Fahrt zu einer Weihnachtsfeier eines HSV-Fanclubs an der deutsch-dänischen Grenze, auf der er bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, Regen und Sturm auf der Autobahn im Rückspiegel einen Wagen heranrauschen sah – mit offenem Verdeck und einem jungen Mann, der oben mit freiem Oberkörper rausschaute und eine HSV-Fahne im Fahrtwind flattern ließ. „Wir haben aber auch durchgeknallte Fans“, dachte Krall damals. Und erkannte dann im Vorbeifahren, dass der Mann mit der Fahne HSV-Däne Thomas Gravesen war. Der Mann, der sich selbst in seinem herrlichen Deutsch-Dänisch-Kauderwelsch als „Humörbombe“ bezeichnete oder als „Eisenmann“, weil er beim Elfmeter Nerven aus Stahl habe. Dass dieser Typ später auch noch bei Real Madrid Zinedine Zidane und David Beckham die richtigen Laufwege aufzeigte und im Classico Barca-Legende und Weltfußballer Ronaldinho zur Verzweiflung tackelte, rundete diese absolut verrückte Karriere formvollendet ab. Ebenso wie die Tatsache, dass „Grave“, dieser Emotionsvulkan, anschließend nach Las Vegas ging und als professioneller Poker-Spieler viele, viele Millionen an Preisgeld eingesammelt haben soll. Verrückt!

Farblich verewigt

Dass Collin Benjamin für die HSV-Fans ein echter Kultspieler ist, zeigte u.a. die Tatsache, dass sie sein Konterfei im Umlauf des Volksparkstadions an die Wand gesprayt haben. Dieses Graffiti ist jedoch keine Einbahnstraße, denn „Collo“, der sich von 2002 bis 2011 in die Herzen der Fans spielte, hat sich in seiner Heimat Namibia, in der er heute Nationalcoach seines Landes ist, ebenfalls den Volkspark in bunten Farben nach Hause geholt. Ja, „Collo“ und der HSV, das war schon damals und ist bis heute eine besondere Beziehung!

Aktuelle Identifikationsfigur

Das Dutzend hat Tom Mickel gerade vollgemacht: Der Keeper, der 2009 aus Cottbus nach Hamburg kam und seitdem bis auf eine kurze Unterbrechung bei der SpVgg. Greuther Fürth nur für den HSV aktiv war, ist der dienstälteste Spieler im aktuellen Profikader. Zwar zählt Mickel nicht immer zum Spieltagskader, nimmt aber in der Mannschaft und in der Kabine und auch im gesamten Verein eine sehr wichtige Rolle ein. Seine Professionalität, seine Art, die Mitspieler zu führen, seine mittlerweile zwölfjährige Verbundenheit zum HSV und sein besonderer Draht zu den Fans machen Tom Mickel zu einer Identifikationsfigur. Und zu einem – immer noch aktiven und jeden Tag alles gebenden – Kultspieler.

Polnische Power

Edeltechniker und Superdribbler Miroslav Okonski (l.) und Torjäger Jan Furtok gehörten in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren zu den beliebtesten Spielern des HSV. Furtoks aufreibende Spielart und sein kraftvoller Torjubel kamen bei den Fans genauso gut an wie die außergewöhnliche Ballfertigkeit von Mittelfeldspieler „Oko“, der die Anhänger mit seiner Art Fußball zu spielen und der 10 auf dem Rücken verzauberte.

Weltstars im Volkspark

Kevin Keegan und Ruud van Nistelrooy, zwei echte Weltstars, die zum HSV wechselten – der eine in den 70er-, der andere in den 2010er-Jahren – und eine ganz Stadt oder sogar die gesamte Liga in Verzückung versetzten. Und die beim HSV Kult wurden, wie auch die Rubrik „Augenblicke“ ab Seite 8 dieser Ausgabe eindrucksvoll zeigt.

Hamburgs harter Hund

Es ist schon etwas Besonderes, wenn man von sich behaupten kann, den legendären Pele live spielen gesehen zu haben. Wenn man sogar selbst gegen ihn gespielt hat, dann ist man eine Ausnahme auf dieser Welt. Und wenn man dann noch die Geschichte erzählen kann, dass einem dieser Pele im direkten Duell das Bein gebrochen hat, das ist man wahrscheinlich der einzige Mensch auf dieser Welt, dem dies widerfahren ist. Und dieser Mensch heißt: Willi Giesemann. Am 6. Juni 1965 passierte es bei der 0:2-Niederlage der deutschen Nationalmannschaft im legendären Maracana-Stadion von Rio de Janeiro, und war gleichbedeutend mit dem Ende einer rekordverdächtigen Serie Giesemanns. Der HSV-Abwehrrecke hatte bis dahin nämlich seit Bundesliga-Gründung 1963 alle 60 Liga-Spiele am Stück bestritten – wie sonst kein anderer. Da musste schon ein Pele inklusive Frustfoul kommen, um Hamburgs harten Hund zu stoppen.

Der mit dem Ball tanzt

Es gibt Spieler, die sind einfach anders. Tim Atouba war ein solcher Spieler. Hier noch eine Finte, da noch ein Trick und gern auch mal ein Tänzchen – dieser Typ begeisterte jeden Zuschauer, spätestens nach Abpfiff, wenn vor den eigenen Fans der berühmte Atouba-Tanz startete. TV-Kommentator Marcel Reif forderte einst, nachdem Atouba wenige Sekunden nach Anpfiff Bayern-Angreifer Hasan Salihamidzic zur Begrüßung mal kurz den Ball durch die Hosenträger gesteckt hatte, der HSV könne gern „einen Atouba-Euro einführen, die Leute werden ihn bezahlen!“ Wohl wahr!

Hattrick-Schuhe im HSV-Museum

Da blickte der HSV anno 2007 bereits auf eine fast 45-jährige Bundesliga-Historie und hatte noch nie – weder durch einen Seeler, Keegan oder Hrubesch – einen lupenreinen Hattrick erzielt. Bis Ivica Olic kam und dem amtierenden deutschen Meister VfB Stuttgart beim 4:1-Heimsieg die ersten drei Treffer allesamt in der ersten Hälfte einschenkte. Vorlage Zidan, Vorlage Demel, Vorlage Jarolim, und dreimal als Vollstrecker Olic, der später die Schuhe aus diesem Spiel dem HSV-Museum vermachte, wo sie noch immer zu bestaunen sind.

Einzigartig

In der Historie des Hamburger SV gab es exakt drei Spieler, die mit der Raute auf der Brust für genau eine Minute in der Bundesliga spielten: Detlef Spincke am 24.01.1976 gegen Kickers Offenbach, Finn Porath am 20.11.2016 im Auswärtsspiel bei der TSG Hoffenheim sowie Ahmet Arslan am 28.11.2015 beim SV Werder Bremen. Historisch!

23. Februar 2024

Manchmal reicht auch eine kürzere Zeit aus, um bei einem Club unvergessen zu sein. Die HSVlive-Kurzgeschichten stellen 20 Spieler mit einer besonderen HSV-Geschichte vor.

Schuss ins Glück

Der Kaiser

„Torjäger“ auf Abwegen

Ein Spiel fehlt …

Der Robin Hood Hamburgs

Die wahre Nummer 1

#HW4

Total verrückt, total erfolg­reich

Farblich verewigt

Aktuelle Identi­fikations­figur

Polnische Power

Welt­stars im Volks­park

Hamburgs harter Hund

Der mit dem Ball tanzt

Hattrick-Schuhe im HSV-Museum

Einzig­artig

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Der Club der 200er