Bakery Jatta und der HSV: Diese Verbindung passte schnell zusammen, durchlebte Höhen und Tiefen und scheint nicht erst seit der Vertragsverlängerung bis 2029 irgendwie unzertrennlich. Eine Zeitreise zu den Meilensteinen seiner bisherigen HSV-Karriere.
04.01.2016
Als Testspieler schlägt Bakery Jatta, hier im Duell mit Nicolai Müller, Anfang des Jahres 2016 erstmals auf dem Trainingsgelände am Volksparkstadion auf. Auffällig: Nicht nur die knalligen Schuhe in Pink und der breite Irokesen-Schnitt, sondern vor allem Tempo, Athletik und Dynamik des Gambiers, der als Flüchtling über Italien nach Deutschland gekommen ist. „Bakery ist ein überaus interessanter Spieler, und das nicht wegen seiner besonderen Geschichte, sondern aufgrund seiner sportlichen Anlagen“, stellt HSV-Cheftrainer Bruno Labbadia fest. Der Startschuss einer ganz besonderen Reise
ist gefallen.
31.05.2016
Mehr als 6.500 Fotos spuckt die Hamburger Sportfotoagentur Witters heutzutage bei der Suchanfrage „Bakery Jatta“ aus: Die ersten Bilder von ihm im HSV-Trikot werden Ende Mai 2016 in Bremen geschossen, als der HSV mit einem Medienteam um Marco Anspreiksch und Franziska Richter sowie Witters-Fotograf Tim Groothuis den kommenden Neuzugang kennenlernt und übrigens bis heute in besagten Rollen begleitet. „Ich kann mich noch gut daran erinnern: Es war ein sehr besonderer und bewegter Tag mit all den Fotos, Videos und Gesprächen. Im Anschluss daran habe ich meine Familie daheim angerufen und war einfach nur glücklich“, blickt „Baka“ heute zurück.
10.06.2016
Hand drauf: Im Büro des Vorstandsvorsitzenden Dietmar Beiersdorfer unterzeichnet Jatta seinen ersten Profi-Vertrag mit einer Laufzeit von drei Jahren. „Wir freuen uns auf Bakery. Wir sind von seinen Fähigkeiten überzeugt und werden ihm alle Unterstützung geben, die er benötigt, um sich sportlich und sozial in Hamburg und beim HSV einzubringen und die ersten Schritte im Profifußball zu machen“, lässt sich Beiersdorfer zitieren. Der Angreifer selbst sagt: „Es war für mich ein tolles Gefühl, dass man mich vom ersten Moment an mit offenen Armen empfangen hat. Ich habe beim HSV einfach das Gefühl, hier genau richtig zu sein.“ Was für eine Prophezeiung!
09.09.2016
Um Spielpraxis sammeln zu können, ist Jatta zu Beginn seiner HSV-Zeit auch in der Regionalliga-Mannschaft der Rothosen gemeldet. Sein Debüt gibt er dabei am 9. September 2016 unter Coach Dirk Kunert beim BSV Schwarz-Weiß Rehden. Und es wird ein Debüt mit Knalleffekt. Denn bei der mit Spannung erwarteten Partie gelingt dem Gambier auf Anhieb ein Doppelpack: Der HSV siegt mit 2:0, Jatta spielt und trifft erstmals mit der Raute auf der Brust – und das gleich doppelt. Neun Tore in 15 weiteren Regionalligaspielen lässt er in der Saison 2016/17 folgen.
16.04.2017
„Die Qualität in der Bundesliga-Mannschaft war enorm: Im Training ging alles zu schnell für mich. Die Intensität, das Tempo – es war ein anderes Level“, blickt Jatta heute auf seine Anfänge beim HSV zurück. „Es war nicht einfach, aber ich habe trotzdem durchgehalten, immer mein Bestes gegeben und irgendwann auch in der Bundesliga debütiert. Ich bin froh, dass Markus Gisdol mir damals diese Chance gegeben hat.“ Am 16. April 2017 in der 83. Minute des 106. Nordderbys gegen Werder Bremen ist es soweit: Der Traum von der Bundesliga wird wahr.
12.05.2018
Und er endet vorerst am 12. Mai 2018, als der Abpfiff von Schiedsrichter Dr. Felix Brych in unmittelbarer Nähe zu Jatta den ersten Bundesliga-Abstieg in der Geschichte des HSV besiegelt. „Es war so knapp. Wir haben bis zum Schluss gekämpft und noch eine tolle Aufholjagd gestartet, aber es hat leider nicht ganz gereicht. Das tut bis heute weh“, so „Baka“ in der Retroperspektive.
10.11.2018
In der darauffolgenden ersten Zweitliga-Saison der Clubgeschichte entwickelt sich Bakery Jatta mehr und mehr zum Stammspieler der Rothosen. Folgerichtig erzielt er Mitte November 2018 auch sein erstes Profi-Tor für den HSV: Beim Auswärtsspiel gegen den FC Erzgebirge Aue netzt der Flügelspieler in der 68. Minute zum 3:1-Endstand ein. Vorlagengeber ist passenderweise Kumpel Aaron Hunt. „Das erste Profi-Tor bleibt für immer im Gedächtnis: Der Ball von Aaron kam perfekt und dann wusste ich im ersten Moment gar nicht, wie ich jubeln sollte. Ich bin einfach immer und immer weitergelaufen“, erzählt der Rechtsfuß, der kurz darauf einen neuen Fünfjahresvertrag bis 2024 erhalten wird.
23.04.2019
Seinem ersten Tor folgen bis heute mehr als 25 weitere Pflichtspieltreffer, darunter sehenswerte Buden wie in der besagten Spielzeit 2018/19, als der HSV im Halbfinale des DFB-Pokals auf RB Leipzig trifft und Jatta mit einem Traumtor das ausverkaufte Volksparkstadion zum Beben bringt: Energisch gewinnt er in der gegnerischen Hälfte gegen Kevin Kampl den Ball und schlenzt ihn umgehend aus rund 25 Metern über Keeper Peter Gulasci hinweg ins Tor – der 1:1-Ausgleichstreffer sorgt für pure Ekstase auf den Rängen. Das Spiel geht im Anschluss zwar mit 1:3 verloren, doch der Mann für die besonderen Tore und Momente ist endgültig geboren.
01.09.2019
Und er reiht nur einige Monate später einen weiteren unvergesslichen HSV-Moment in seine Liste ein: Nach einer wochenlangen medialen Verdachtsberichterstattung über Zweifel an seiner Identität trifft Jatta im Heimspiel gegen Hannover 96 zum 3:0-Endstand. Es ist ein Tor wie ein Urknall. Denn im Volksparkstadion fliegt vor lauter Freude, Zuspruch und Solidarität mit und für „Baka“ dieses Mal gefühlt das Dach ab. „Ich habe noch nie ein so lautes Stadion erlebt wie bei diesem Tor. Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper“, erzählt Teamkollege Adrian Fein Wochen nach der Partie. Ebenfalls mittendrin im Geschehen: Trainer Dieter Hecking, zu dem Jatta unmittelbar nach seinem Tor voller Dankbarkeit sprintet. „Niemand kann sich vorstellen, wie ich mich in dieser Zeit gefühlt habe. Zum Glück bekam ich in dieser Phase extrem viel Unterstützung von so vielen Menschen. Allen voran von Trainer Hecking, der viel mit mir gesprochen hat. Und von Jonas Boldt, der mir nur einmal in die Augen schaute und ich wusste sofort, dass er bedingungslos hinter mir steht“, spricht Jatta Anfang 2020 im Interview mit diesem Magazin erstmals über jene bewegten Wochen.
27.04.2021
Ebenfalls ein wichtiger Unterstützer, Förderer und „Bruder“ ist über weite Strecken seines HSV-Weges Teamkollege Aaron Hunt. „Aaron war von Anfang an sehr nah an meiner Seite. Er hat mir viel erklärt, gezeigt und mich immer gefordert. Immer wieder sagte er mir: Baka, du musst mehr machen, mehr investieren, wenn du den nächsten Schritt machen und das nächste Level erreichen willst.“ Jatta befolgt die Ratschläge des 304-fachen Bundesliga-Spielers und vollzieht während der schwierigen Corona-Jahre den besagten nächsten Schritt und wird zum Leistungsträger der Rothosen. Im Volksparkstadion ist er dabei längst zur Identifikationsfigur geworden.
21.01.2021 & 21.04.2023
Passenderweise avanciert „Baka“ in dieser Rolle gleich mehrfach zum Derby-Helden: Im Heimspiel der Saison 2020/21 erzielt er den 2:1-Siegtreffer gegen die Kiezkicker, im Rückspiel der Vorsaison 2022/23 trifft er beim spektakulären 4:3-Heimsieg zum zwischenzeitlichen 2:1. Unvergessen: Der Schlussjubel vor der Nordtribüne, als der angeschlagene Gambier von Tom Mickel auf Händen getragen aufs Feld gebracht wird, um mit den Fans zu feiern. „Ein unfassbar schöner Tag, obwohl ich wegen der Verletzung ausgewechselt wurde. Die Stimmung im Stadion war fantastisch, einfach nur Gänsehaut.“
14.01.2024
Es sind all diese besonderen Momente eines besonderen Menschen und Sportlers, die Bakery Jatta in seinen bisherigen siebeneinhalb Jahren zu dem HSVer gemacht haben, der er heute ist: Ein Fußballer, der sich vom absoluten Neuling zum Rekord- und Kultspieler des HSV entwickelt hat, dabei maßgeblich durch den Club geprägt wurde und diesen selbst prägte – und das mit seiner Vertragsverlängerung bis Sommer 2029 (hier mit Vorstand Jonas Boldt und Sportdirektor Claus Costa, links) auch in Zukunft tun wird. „Baka hat sich trotz anderer und lukrativer Angebote für den HSV entschieden. Das unterstreicht seinen Charakter und seine Verbundenheit. Wir sind glücklich, einen tollen Spieler und Menschen weiterhin beim HSV zu wissen“, sagt Boldt Anfang des Jahres im Zuge der Vertragsverlängerung. Jatta betont wiederum: „Der HSV ist mein Leben und Hamburg mittlerweile meine Heimat. Als ich hierher kam, haben mich die Menschen im Verein und drumherum aufgenommen, haben mir ein Zuhause gegeben und mich immer unterstützt. Dafür bin ich sehr dankbar und möchte ihnen in jedem Spiel etwas zurückgeben.“ Weitere Momente und Meilensteine sind also vorprogrammiert …