Nachwuchskeeper STEVEN MENSAH feierte im März sein Nationalmannschaftsdebüt für das Heimatland seiner Eltern, Togo. Welche Erfahrungen dabei die für ihn eindrücklichsten waren und was er über das Torwartspiel sowie die togolesische Nationalhymne gelernt hat, davon berichtet der A-Junioren-Schlussmann im HSVlive-Magazin.
Viel Zeit, seinen zurückliegenden Monat Revue passieren zu lassen, hatte Steven Mensah noch nicht. Der etatmäßige U19-Torhüter des Hamburger SV befindet sich mit den A-Junioren im Schlussspurt der Bundesliga-Saison und kämpfte zuletzt um jeden Zähler für den Klassenerhalt. Nach den jüngsten Erfolgen gegen den FC St. Pauli (2:1), den FC Carl Zeiss Jena (5:0) und den VfL Osnabrück (4:1) hat das Team von Cheftrainer Oliver Kirch diesen unter Dach und Fach gebracht. Nur wenige Tage bevor für die Rothosen mit dem Stadtderby der Start in den letztlich erfolgreichen Ligaendspurt begann, kehrte Mensah von seiner wohl bisher aufregendsten Reise zurück: Der Hamburger Jung, dessen Eltern aus dem Togo stammen, wurde erstmals in den Kader der Nationalmannschaft des westafrikanischen Landes berufen und verbrachte im März zehn Tage mit dem Team bei einem Lehrgang im türkischen Antalya. „Das war ein wahnsinnig besonderes Erlebnis für mich. Viele neue Eindrücke, viele neue Bekanntschaften, ein etwas anderes Fußballspiel – da gibt’s schon einiges, was ich verarbeiten muss“, sagt Mensah lachend. „Körperlich und für den Kopf war das auf jeden Fall anstrengend, aber mit ganz vielen Glücksgefühlen verbunden. Davon werde ich noch eine ganze Weile lang zehren.“ Dann schließt er einen Satz an, der viel über das Wesen des 19 Jahre jungen Torhüters aussagt: „Die Erinnerung zu genießen, kommt immer wieder von ganz allein hoch. Jetzt gilt mein Fokus aber erst einmal der Liga.“
In der laufenden Spielzeit pendelt Steven Mensah zwischen den Trainingseinheiten der U19, der U21 und der Profimannschaft. In den Pflichtspielen kommt er zumeist bei der A-Jugend zum Einsatz.
Im Gespräch mit dem HSVlive-Magazin ist Mensah anzumerken, was er selbst als deutlichen Charakterzug seinerseits bezeichnet: Dass er stets im Moment lebt, prägende Erlebnisse zwar aufsaugt und davon zehrt, ihnen aber nicht nachhängt. So kann er sich immer wieder sehr schnell auf neue Situationen einlassen. Eine Eigenschaft, die ihm grundsätzlich in seinem Spiel als Torhüter und sicherlich vor allem in der aktuellen Situation zugutekommt. Schließlich hat der Schlussmann der Rothosen, der bereits seit zehn Jahren für den HSV spielt und sämtliche Jugendmannschaften im Nachwuchsleistungszentrum durchlaufen hat, spannende wie kräftezehrende Wochen hinter sich: Während der Trainingswoche am Volksparkstadion pendelt der gebürtige Hamburger zwischen der U21 und der A-Jugend hin und her, vereinzelt wurde er im Saisonverlauf zudem in das Training der Profimannschaft von Cheftrainer Tim Walter geworfen. Im März kam dann mit der Berufung in den Nationalmannschaftskader ein weiteres Highlight hinzu.
Als einer von insgesamt 38 U23- und A-Nationalmannschaftsspielern reiste Mensah in die Türkei, verbrachte in Antalya mit dem togolesischen Team im Rahmen des Lehrgangs meist zwei Einheiten am Tag auf dem Platz und stand bei den Partien der U23 gegen Tadschikistan (1:0) und Malawi (3:0) im Tor. Bei der A-Nationalmannschaft war er zudem als Ersatztorhüter auf der Bank dabei. „Das Programm war körperlich richtig anstrengend, aber eben auch richtig gut, um alle kennenzulernen. Alle Trainingseinheiten haben mit allen 38 Spielern stattgefunden“, sagt Mensah, der sich vor allem zu Beginn der Reise wie im Tunnel fühlte. Trainingseinheiten, Tage und Eindrücke flogen am Schlussmann der Rothosen nur so vorbei. „Es fühlte sich fast durchgängig surreal an, dass ich dabei sein durfte“, erinnert sich der 19-Jährige zurück. „Richtig realisiert, was gerade abgeht, habe ich erst vor dem ersten Spiel gegen Tadschikistan. Wir sind in das Stadion eingelaufen, die Musik ging an, ich stand auf dem Rasen und habe plötzlich festgestellt: Ich kann die Hymne gar nicht auswendig. Das war so ein Moment, in dem mir bewusst wurde, dass ich tatsächlich gerade das Nationalmannschaftstrikot trage. Seitdem höre ich mir die Hymne oft an und versuche mitzusingen.“
Die Sprache, sagt Mensah, war ohnehin die größte Herausforderung der Reise. Während im Togo neben der Nationalsprache Ewe auch Französisch gesprochen wird, fand die Kommunikation auf dem Trainingsplatz zumeist auf Englisch statt, einige Spieler beherrschten zudem die deutsche Sprache. „Die Spieler sind aus ganz vielen unterschiedlichen Ländern zusammengekommen, unser Trainer Paulo Duarte ist zudem Portugiese. Er hat viele Trainingsanweisungen auf Englisch erteilt, die dann von unserem Teammanager ins Französische übersetzt wurden“, beschreibt Mensah. „Im Torwarttraining war es ähnlich: Der Torwarttrainer spricht kein Englisch, ich kein Französisch. Also haben meine Mitspieler immer für mich vom Französischen auf Ewe übersetzt. Dieser Mix aus drei verschiedenen Sprachen ist schon spannend, es funktioniert aber erstaunlich gut“, sagt Mensah, der selbst zweisprachig mit den Sprachen Deutsch und Ewe aufgewachsen ist.
Nachdem seine Eltern vor vielen Jahren zum Studieren nach Hamburg gezogen waren und ihren in der Hansestadt geborenen Sohn Steven schließlich in Billstedt großzogen, freut sich der Nachwuchstorhüter nun, den Kreis zum Heimatland seiner Familie, in dem immer noch viele Verwandte und Bekannte leben, schließen zu können. „Das war für mich der schönste Moment: Den Stolz meiner Eltern zu sehen, als ich die Einladung erhalten habe. Die beiden waren so glücklich, dass ich für ihr Land spielen darf. Dieses Gefühl hat auch mich sofort gepackt, deshalb habe ich gar nicht lange überlegt, sondern direkt zugesagt.“ Und das, obwohl der Nachwuchstorhüter weder zum Trainerteam noch zu seinen Mitspielern im Vorfeld einen direkten oder persönlichen Kontakt hatte. Die Aufregung, die ihn im Flugzeug nach Antalya begleitete, legte sich aber vor Ort schnell, als sich bereits beim ersten Abendessen eine ausgelassene Stimmung und ein enges Teamgefüge herauskristallisierten. „Alles ist sehr familiär, viele Spieler kennen die Familien der anderen und sind eng miteinander verbunden. Das ist ein schönes Miteinander“, beschreibt Mensah.
Steven Mensah wechselte vor mehr als zehn Jahren in das Nachwuchsleistungszentrum des HSV und gilt als eines der größten aktuellen Torwarttalente im Campus.
Gegen die U23 Tadschikistans feierte Mensah (m.) seine Nationalmannschaftspremiere für Togo und hielt den Kasten ebenso wie gegen Malawis U23 sauber.
Etwas länger hingegen hat der Schlussmann gebraucht, um sich an die Gangart auf dem Platz zu gewöhnen, die sich insbesondere auf der Position des Torhüters deutlich von der Ausrichtung beim HSV unterscheidet. Während das Torwarttrainerteam am Volksparkstadion von seinen Keepern eine aktive Beteiligung am Spielgeschehen erwartet, ist das Verständnis in der Nationalmannschaft ein anderes: „Der Torhüter ist dort schlicht dafür da, sein Tor sauber zu halten. Er ist im Fünfmeterraum und auf der Linie gefordert. Aber er nimmt nicht am Spielaufbau teil, ist nicht als Anspielposition oder zusätzlicher Feldspieler vorgesehen. Darauf musste ich mich im ersten Spiel einstellen“, sagt Mensah. Und wie es nun weitergeht? Das kann der Keeper selbst noch nicht zu 100 Prozent beantworten, auch wenn sein Fazit des Lehrgangs positiv ausfällt: „Ich wünsche mir natürlich, dass das nicht der letzte war. Ende Mai steht der Lehrgang für die Qualifikation für den Afrika-Cup an, da hoffe ich, wieder dabei sein zu dürfen. Bis dahin haben wir mit der U19 noch wichtige Ligaspiele vor uns, auch die U21-Saion geht noch bis Mitte Mai. Darauf konzentriere ich mich. Alles andere sehen wir danach.“ Sagt’s und macht sich auf in Richtung Trainingsplatz, den Fokus schon wieder in Gänze auf die anstehende Einheit gerichtet.