Im HSVlive-Inter­view spricht Mittel­­feld­­spieler LASZLO BENES über die bevor­­stehende Europa­­meister­­schaft in Deutsch­­land, seine Ziele mit der slowa­kischen National­­mann­­schaft und über die all­­gemeine Faszination Fuß­­ball­­stadion.

Laci, vom 14. Juni bis zum 14. Juli findet in Deutsch­land die UEFA EURO 2024 statt und du bist mit der Slowakei dabei. Was löst das in dir aus?

Mir bedeutet es unglaublich viel. Die Europa­meister­schaft zählt zu den größten Turnieren, die man mit einer National­mann­schaft bestreiten kann. Es ist eine große Sache, dabei zu sein. Für mich persön­lich ist es zudem besonders, weil ich seit acht Jahren hier in Deutsch­land spiele. Ich kenne die Sprache, die Kultur und alle Spielorte.

Für dich ist es die zweite Europa­meister­schaft, nach­dem die EURO 2020 pandemie­bedingt im Jahr 2021 nach­geholt und aus­getragen wurde. Was ist dieses Mal anders?

Damals war das Turnier noch von Corona gekenn­zeichnet, sodass die Stadien nur zu einem gewissen Prozent­satz mit Fans gefüllt waren. Zudem fand die EM in ganz Europa und damit in elf verschiedenen Ländern statt. Wir haben mit der Slowakei zum Beispiel in Russland und Spanien gespielt. Die Fans waren durch das Reisen also insge­samt weniger und nie geballt in einem Land. Auch damals hat man die besondere Atmo­sphäre und den Stellen­wert einer Europa­meister­schaft gespürt, aber ich denke, dass es dieses Mal noch geiler sein wird. Denn die Fans sind zurück und die EM findet dazu noch in einem so fußball­verrückten Land wie Deutsch­land statt. Fußball ist hier die Nummer eins, ganz viele Leute lieben diesen Sport. Das wird auf jeden Fall etwas ganz Großes. 

Die EM 2024 in Deutsch­land findet an zehn Spiel­orten und damit in zehn verschiedenen Stadien statt. Du hast in all diesen Spiel­stätten bereits gespielt. Wie blickst du auf diese Arenen?

In meinen Augen verfügt Deutschland europa- und vielleicht sogar welt­weit über die größten und schönsten Stadien. Für die Europa­meister­schaft sind zahlreiche davon ausgewählt. Jedes Stadion hat etwas Besonderes. Manche sind sehr groß, andere sind eng und kompakt und wieder andere haben eine große historische Bedeutung wie etwa das Olympia­stadion in Berlin, wo schon so viele Finalspiele ausge­tragen wurden. Zudem spielt das Volks­park­stadion für mich persönlich natürlich eine große Rolle. Leider werden wir in der Gruppen­phase nicht hier spielen. Darauf hatte ich gehofft, denn das Volks­park­stadion ist für mich nicht nur besonders, weil ich hier mit dem HSV spiele, sondern es zählt für mich zu den schönsten Stadien über­haupt.

Was macht generell ein Stadion für dich aus? Was wäre etwa dein perfektes Stadion?

Ganz ehrlich: unser Stadion hier in Hamburg. Ich mag es, wenn die Tribünen eng zum Spiel­feld liegen und sich die Stimmung unmittel­bar auf den Rasen über­tragen kann. So wie bei unseren Heimspielen, in denen unsere Fans für eine großartige Atmo­sphäre sorgen. Auch die Größe von 57.000 Zuschauern passt perfekt. Und letztlich ist es einfach die Optik. Mir gefällt es, wenn ein Stadion gewisse Allein­stellungs­merkmale hat.     

Welche weiteren Stadien, in denen du gespielt oder die du als Fan besucht hast, haben einen bleibenden Eindruck bei dir hinter­lassen?

Das Camp Nou in Barcelona. Ich war mit Borussia Mönchen­glad­bach einmal dort, durfte auf dem Rasen trainieren, stand dann aber nicht im finalen Kader, sondern habe das Spiel von den Rängen aus verfolgt. Das Camp Nou besitzt eine besondere Tradition und Größe. Zudem war die Stimmung beein­druckend, auch wenn sie anders war als in Deutschland. Hier gibt es noch mehr Fankultur.

Mit der Slowakei spielt ihr bei der EM in der Gruppe E gegen Belgien, Rumänien und die Ukraine. Wie schätzt du diese Gegner ein?

Belgien ist sicherlich der klare Favorit auf den Gruppen­sieg. Die belgische National­mann­schaft hat über­ragende Spieler, Top-Stars wie Kevin De Bruyne. Das wird ein heißes Eröffnungs­spiel für uns, auf das ich mich sehr freue. Rumänien hat sich in den letzten Jahren richtig gut weiter­ent­wickelt und sich nicht ohne Grund dieses Mal für die EM qualifiziert. Und auch die Ukraine spielt einen super Fußball. Shakhtar Donetsk ist seit Jahren in der Champions- oder Europa-League dabei, zudem spielen einige ihrer Akteure bei europäischen Top-Clubs wie Arsenal oder Chelsea. Wir treffen also auf gute Mann­schaften. Zugleich haben wir auch mit der Slowakei in den vergangenen Jahren große Schritte nach vorn gemacht. Wir haben uns jetzt zum dritten Mal in Serie für die EM qualifiziert. Das ist ein großer Erfolg. Wir haben eine gute Mann­schaft mit guten Einzel­spielern und alle Mög­lich­keiten, um erfolgreich zu sein.

Die Slowakei nimmt überhaupt erst zum dritten Mal an einer Europameisterschaft teil, zudem war das Land einmal – im Jahr 2010 in Südafrika – bei einer Weltmeisterschaft vertreten. Wie nimmst du diese Entwicklung wahr?

Es ist für unser Land immer ein Erfolg, überhaupt bei so großen Turnieren dabei zu sein. Ich sehe seit der WM 2010 eine stetige Entwicklung im slowakischen Fußball. Damals haben noch nicht so viele National­spieler im Ausland gespielt. Wenn du heute auf unsere National­mann­schaft guckst, dann spielen 90 bis 95 Prozent bei internationalen Clubs, darunter Spieler wie Milan Skriniar und Stanislav Lobotka, die auch schon große Erfolge bei Top-Clubs gefeiert haben. Allein daran sieht man eine Entwicklung.

Bei der WM 2010 warst du zwölf Jahre alt. Welche Erinnerung hast du noch an damals?

Ich erinnere mich vor allem noch sehr gut an das letzte Qualifikations­spiel gegen Polen, das ich vor dem Fernseher verfolgt habe. Es lag Schnee und wir haben mit 1:0 durch ein Eigen­tor gewonnen, sodass wir erstmals bei einer Welt­meister­schaft dabei waren. Die Endrunde war dann ein gutes Beispiel dafür, was während eines Turniers auch als Under­dog möglich ist. Wir haben Italien geschlagen und sind ins Achtel­finale eingezogen. Ein groß­artiger Erfolg. Ich hoffe, dass wir bei der EM ebenfalls nicht nur dabei sind, sondern auch in die K.o.-Runde ein­ziehen.

Was sind weitere Kindheits­erinnerungen, die du an die Nationalmann-schaft hast?

Ich war sehr häufig mit meinem Vater bei den Länder­spielen im Stadion. Vier- oder fünfmal hat die National­mann­schaft im Jahr zuhause gespielt und dann wollten wir immer dabei sein. Für mich als kleiner Junge waren das immer tolle Momente, die zugleich als Motivation dienten. Ich habe die Top-Spieler der Slowakei und Europas gesehen und wollte das auch erleben. Ich erinnere mich dabei auch noch gut an eine Geschichte aus dem Jahr 2005, als wir Karten für ein Spiel in Bratis­lava gegen Portugal hatten. Kurz vor dem Spiel habe ich eine dicke Erkältung mit Fieber bekommen, sodass mein Vater ohne mich und mit einem Freund gefahren ist. Für mich war das ein trauriger Tag, weil ich unbedingt Ronaldo spielen sehen wollte. Jetzt vor Kurzem, also mehr als 15 Jahre später, habe ich selbst gegen Portugal und Ronaldo spielen dürfen. Solche Momente werde ich nie vergessen und sie zeigen mir, dass es sich lohnt, für seine Träume hart zu arbeiten und immer Gas zu geben. Wenn du etwas für den Fußball machst, dann zahlt er dir das auch zurück.

Zu welchen Spielern hast du damals als Kind und Teenager aufgeschaut? Marek Hamsik kommt einem in den Sinn, zugleich der Rekord­spieler eures Landes.

Ja, auf jeden Fall Marek Hamsik. Er hat auch auf meiner Position gespielt und ist in der Slowakei, Italien und allgemein der Fuß­ball­geschichte eine Legende. Ich erinnere mich zudem noch gut an die Innen­verteidigung um Jan Durica und Martin Skrtel. Das waren vielleicht nicht die besten Fußballer, aber sie waren wie Tiere auf dem Platz, bein­harte Verteidiger, gegen die die Gegen­spieler nicht gern in den Zwei­kampf gehen wollten. Auch Mittel­stürmer Robert Vittek kommt mir in den Sinn, der bei der WM wichtige Tore erzielt hat.

Im Dress der slowakischen National­mann­schaft bekam es Laszlo Benes bereits mit Welt­stars wie (v.l.n.r.) Thiago Alcántara, Arturo Vidal und Cristiano Ronaldo zu tun. Umso größer war und ist bei den Slowaken die Vor­freude auf die erneute Teil­nahme an der Europa­meister­schaft und das Betreten der großen Fußball­bühne.

Wie surreal war es für dich, als du im Jahr 2017 dann erst­mals selbst im Kreis der National­mann­schaft und dieser Spieler aufge­laufen bist?

Es war unglaub­lich, als damals erst 19-jähriger Spieler über­haupt bei der National­elf dabei zu sein. Dazu noch unter National­coach Jan Kozak, einer absoluten Trainer­legende in Ost­europa. Auch hier fällt mir eine lustige Geschichte ein: Gleich in meiner ersten Trainings­einheit habe ich mit Hamsik zusammen in einer Mann­schaft gespielt. Wir hatten schön kombiniert, und plötz­lich grätscht mich von der Seite ein Gegen­spieler voll um. Es war der besagte Skrtel, der mir damit gezeigt hat: will­kommen in der National­mann­schaft. (lacht) Das waren trotzdem einfach schöne Momente, weil ich diese Spieler vor ein paar Jahren noch am TV gesehen hatte und jetzt selbst mit ihnen auf dem Feld stand.     

Mittler­weile bist du ein fester Bestand­teil der National­mann­schaft. Wie nimmst du deine eigene Rolle inner­halb des Teams wahr?

Ich fühle mich jetzt als voll­wertiges Mitglied der Mann­schaft. Früher war ich immer mal wieder dabei oder wurde nicht berücksichtigt. Auch die Einsatz­zeiten haben geschwankt und waren gering. Es war ein Auf und Ab. Erst mit dem neuen National­trainer, dem Italiener Francesco Calzona, hat sich meine Rolle in der National­mann­schaft so richtig gefestigt. Ich habe viel mehr Spiel­minuten bekommen, durfte auch schon Startelf­einsätze sammeln. Des­halb ist es umso schöner, dass in ein paar Wochen die Europa­meister­schaft wartet und ich gute Chancen habe, auch zu spielen.       

Die laufende Saison ist die beste deiner Karriere. Du bist unan­gefochtener Leistungs­träger und einer der besten Scorer der 2. Liga. Mit wie viel Rückenwind gehst du ins EM-Turnier?

Ich blicke mit einem guten Gefühl auf das Turnier. Dass meine Rolle in der National­mann­schaft so geworden ist, wie sie jetzt ist, hat maß­geblich mit der laufenden Saison zu tun. Hier beim HSV spiele ich regel­mäßig und habe auch im Hin­blick auf die Statistiken eine erfolg­reiche Saison mit vielen Scorer­punkten vorzuweisen. Dahinter steckt ganz viel Arbeit. Ich will jeden Tag das Maximale rausholen: für den HSV, für mich und natürlich auch für die National­mann­schaft.

Ab­schließend: Die Vorrunde findet für euch in Frankfurt und Düssel­dorf statt. Unter Um­ständen ist im Viertel­finale dann sogar eine Partie im Volks­park­stadion möglich. Das wäre doch ein ganz besonderer Turnierverlauf.

Die Chance ist auf jeden Fall da. Es ist möglich und es wäre ein sehr schöner und besonderer Moment für mich, mit meiner National­mann­schaft hier im Volks­park­stadion zu spielen.