Julian Hübner ist im Trainerteam des HSV verantwortlich für Spieler wie Tom Sanne, die aus dem Nachwuchs den Sprung zu den Profis schaffen können.
Das Glänzen in seinen Augen ist unverkennbar. Wenn Julian Hübner über die Verzahnung zwischen den HSV-Profis und dem Rothosen-Nachwuchs spricht, dann drücken Wörter wie „Passion“, „Leidenschaft“ oder „Freude“ aus, welchen Stellenwert er seiner besonderen Rolle im Trainerteam zuschreibt. Mit Blick auf seine berufliche Laufbahn eine wenig verwunderliche Feststellung, denn der 39-Jährige arbeitete bis zu seiner Anstellung beim HSV im Sommer 2021 als Lehrer an einer Gemeinschaftsschule in Karlsruhe. Mit dem pädagogischen Fachwissen im Gepäck ist Hübner seit anderthalb Jahren das menschliche Bindeglied für die jungen Spieler – und damit nicht nur klassischer Co-Trainer, sondern auch Ratgeber, Kritiker und vor allem Wegbegleiter in einer Person. Im HSVlive-Interview erklärt der ehemalige KSC-Jugendtrainer, welche Vorteile er für den Job aus seiner Vergangenheit als Lehrer ziehen kann, warum das HSV-Trainerteam besonders geeignet für die Durchlässigkeit zwischen NLZ und Profiteam ist, und welche Momente ihn mit Stolz erfüllen.
Jule, welche Fähigkeiten muss ein sehr guter Trainer in deinen Augen mitbringen?
Neben dem Fachwissen spielt die Empathie heutzutage eine sehr große Rolle, weil sich die Persönlichkeiten der Spieler dahingehend geändert haben, dass die Trainer mehr auf sie eingehen müssen. Es braucht also mehr pädagogisches Feingefühl, um jeden einzelnen Spieler mitnehmen zu können – und nicht nur die große Gruppe. Authentizität ist hier ein ganz wichtiges Stichwort, denn nur dann ist man auf Dauer glaubwürdig. Das ist übrigens ein Bereich, den Tim Walter wie kein anderer beherrscht.
Diese Beschreibung dürfte aber auch auf dich als studierten Lehrer zutreffen.
Im Laufe des Lebens habe ich realisiert, dass ich recht empathisch bin und ein gutes Gefühl dafür entwickelt habe, was eine Gruppe braucht. Eine ganz wichtige Erkenntnis war und ist zudem, dass der Unterschied zwischen einer Schulklasse und einer Fußballmannschaft eben nicht so groß ist, wie viele vielleicht denken würden. Natürlich ist ein Team im Profifußball deutlich homogener, insgesamt geht es aber um die gleichen Herangehensweisen: In der Führungsarbeit muss man alle im Blick behalten, sich immer in irgendeiner Form nach dem Schwächsten orientieren. Es darf niemand vergessen werden, denn nur als Team können Lern- oder Profisport-Erfolge erzielt werden.
Beim HSV arbeitet ihr erfolgsorientiert in einem dreiköpfigen Co-Trainer-Team an der Seite von Chefcoach Tim Walter. Wie sieht deine Aufgabenteilung mit Merlin Polzin und Filip Tapalovic aus?
Uns alle vereint die Gemeinsamkeit, dass wir einen NLZ-Background haben. Damit einher geht eine gewisse Passion und ein gutes Gefühl für die Jugend. Meine Rolle definiert sich vor allem als Übergangstrainer zwischen der Profimannschaft und dem Nachwuchsleistungszentrum. Neben den alltäglichen Aufgaben füllt mich das sehr aus, denn die Teams von der U16 bis U21 will ich immer im Blick behalten und den Austausch mit den Verantwortlichen aufrechterhalten. Das macht mir Spaß, denn so kann ich zwei Welten verbinden.
Wie sieht das konkret im Zusammenspiel mit den jungen Spielern aus?
In aller erster Linie möchte ich immer persönlich mit den Jungs sprechen, da ich schon eine besondere Verantwortung verspüre. Gleichzeitig ist es einfach wichtig, dass die Talente sich wohl fühlen und so schneller an ihre Leistungsgrenzen kommen.
Genau das ist zuletzt einigen Talenten gelungen, denn kaum ein Club zeichnet sich derzeit durch eine so enorme Durchlässigkeit aus wie der HSV.
Ich empfinde einfach eine unheimliche Freude, wenn Spieler aus dem eigenen Nachwuchs den nächsten Schritt bei den Profis gehen können. Das ist eine Lebenseinstellung, die ich beispielweise mit Pit Reimers (Cheftrainer U21, Anm. d. Red.) teile. Ein gutes Beispiel ist Bent Andresen: Er sollte schon in Paderborn sein Profi-Debüt feiern, stand am Spielfeldrand bereit, ist dann aber doch nicht mehr reingekommen. Das hat mir unheimlich leidgetan, denn es kann ja auch immer sein, dass so eine Chance nie wieder kommt. Umso mehr hat es mich dann gefreut, als er im Heimspiel gegen Regensburg debütieren durfte.
Kommt die Initiative, dass ein junger Spieler aus dem NLZ bei den Profis mittrainieren darf, von euch aus dem Trainerteam oder aus dem Campus selbst?
Da ich quasi täglich mit Pit Reimers und Oliver Kirch (Cheftrainer U19, Anm. d. Red.) telefoniere, besteht ohnehin ein sehr klares Meinungsbild. Die letztendliche Entscheidung wird aber im Profi-Trainerteam getroffen, da wir unsere Spielidee natürlich am besten kennen und daher auch genau wissen, welche Spielertypen diese am ehesten umsetzen können. Die fußballerische Klasse und der Mut sind da ganz wichtige Attribute.
An welcher Stelle in dieser Entscheidungskette ist Nachwuchsdirektor Horst Hrubesch eingebunden?
Schon vor einiger Zeit hat Jonas Boldt eine wöchentliche Runde angesetzt, in der wir uns mit den Verantwortlichen aus dem Campus zusammensetzen. Horst ist da natürlich regelmäßig dabei, seine Meinung spielt eine große Rolle. Bei den wichtigen Entscheidungen ist er immer eingebunden.
Im Wintertrainingslager in Sotogrande waren jetzt gleich acht Spieler aus der U21 bzw. U19 dabei. Ist das eher der Personalsituation geschuldet oder eine bewusste Strategie?
Eine Mischung aus beidem. Aber: Dadurch, dass wir im Trainerteam alle so lange im NLZ gearbeitet haben, wissen wir genau, dass die jungen Spieler besonders aufnahmefähig sind – und geben ihnen dann im Trainingslager einfach eine Chance. Die Jugendarbeit beim HSV hat sich so gut entwickelt, dass da einfach extrem viel Potenzial vorhanden ist. Das müssen wir in Zukunft noch mehr ausschöpfen – und das Trainingslager war jetzt in diesem Sinne ein weiterer Meilenstein.